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Populationsgenetik: DNA-Studie erfasst sämtliche indischen Bevölkerungsgruppen

Die Herkunft und den Ursprung indischer Bevölkerungsgruppen können Wissenschaftler zukünftig anhand der Daten einer großangelegten DNA-Studie diskutieren. Deren Ergebnisse wurden jetzt von Forschern um den Genetiker David Reich von der Harvard Medical School in Boston vorgestellt. Bislang war der Subkontinent in populationsgenetischer Hinsicht nur lückenhaft untersucht.

In den bislang größten Erbgutvergleich an der indischen Bevölkerung flossen Daten von 132 Personen aus 25 verschiedenen Gruppen ein. Damit deckte das Wissenschaftlerteam 13 Bundesstaaten, sechs Sprachfamilien sowie sämtliche der traditionellen Kasten und Stammesverbände ab. Insgesamt betrachteten sie über 500 000 genetische Merkmale.

Auch eine Anzahl erster Interpretationen konnte das Wissenschaftlerteam präsentieren. Demnach fanden sich bei nahezu sämtlichen untersuchten Individuen genetische Spuren zweier Urbevölkerungen – allerdings in unterschiedlichen Anteilen. Die erste, von den Autoren "Ancestral North Indians" (ANI) genannte Ursprungspopulation ähnelt in ihrer genetischen Ausstattung heutigen Europäern und geht vielleicht zum Großteil auf indoeuropäische Einwanderer oder verwandte Völker zurück. Ihr genetisches Erbe fanden die Wissenschaftler in den höchsten Anteilen bei Sprechern indoeuropäischer Sprachen und Angehörigen so genannter höherer Kasten.

Sprecher drawidischer Sprachen trugen dagegen mehr Erbgut aus der "südlichen" Urbevölkerung (ASI), wenn auch nie mehr als rund 70 Prozent. Genetische Verwandtschaftsbeziehung zu den ASI fanden sich vor allem bei Naturvölkern auf den Andamanen, wie den Onge. Daneben stießen die Wissenschaftler auch auf genetische Hinterlassenschaften europäischer, asiatischer und afrikanischer Herkunft.

Insgesamt gesehen sei die genetische Vielfalt auf dem indischen Subkontinent deutlich höher als andernorts. Der Grund sei, so die Forscher, dass die Mehrzahl der heute existierenden Bevölkerungsgruppen von einer geringen Anzahl von Individuen gegründet worden sei, gefolgt von einer kulturell und geografisch bedingten Isolation über Jahrhunderte und -tausende, etwa indem die Wahl des Lebenspartners auf die eigene Gruppe, beziehungsweise den Stamm oder die Kaste beschränkt wurde. Anders als beispielsweise in Europa gebe es daher in Indien aus genetischer Sicht keine einzelne große Population.

Mit ihren Ergebnissen will das Team auch einen Beitrag zur medizinischen Forschung leisten. Erbkrankheiten etwa würden in Indien auf Grund der genetischen Isolation gehäuft auftreten. Die Gruppenzugehörigkeit könnte demnach verraten, wie gefährdet eine Person für bestimmte Erkrankungen ist. Auch welche Gene im Einzelnen für die Krankheit verantwortlich sind, könnte sich so leichter klären lassen, hoffen die Wissenschaftler. (jd)
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