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Sprachverarbeitung im Gehirn: Doch nicht so einseitig wie gedacht

Hirnscans an einer Leuchtwand

Hirnprozesse, die auditiven Input und motorischen Output von Sprache – also das Zuhören und Aussprechen – verarbeiten, sind eng miteinander verbunden. Lange wurde vermutet, dass dieser Teil der Sprachverarbeitung, ausschließlich in der dominanten, also meist der linken Gehirnhälfte untergebracht ist. Ein Forscherteam um Gregory Cogan von der New York University lieferte nun Gegenargumente, indem es eine Beteiligung beider Hemisphären entdeckte.

Die Forscher hatten die Möglichkeit, eine besondere Untersuchungsmethode anzuwenden: die Elektrokortikografie (ECoG). Bei der ECoG liegen die Elektroden nicht, wie bei der weit verbreiteten Elektroenzephalografie (EEG) außen auf der Schädeldecke, sondern direkt auf der Gehirnoberfläche. Somit ist eine wesentlich genauere Verortung neuronaler Aktivität möglich. Außerdem ist die Methode weniger anfällig für störende Signale, wie sie etwa durch Kieferbewegungen beim Sprechen entstehen. Studienteilnehmer waren 16 Patienten einer New Yorker Klinik, die die chirurgisch implantierten Elektrodenfelder aus anderen klinischen Gründen unter der Schädeldecke trugen.

Auf diese Weise verkabelt führten die Patienten typische Sprachverarbeitungsaufgaben aus, bei denen sie etwa ein gehörtes Wort wiederholen oder die entsprechenden Mundbewegungen lautlos ausführen sollten. Währenddessen maßen die Forscher über die Elektroden ein Aktivierungsmuster, das sich ihrer Meinung nach nur dadurch erklären lässt, dass bei der Sprachverarbeitung beide Gehirnhälften in vergleichbarer Weise beteiligt waren.

Die bisherige Annahme einer gänzlich einseitigen Sprachverarbeitung wurde ursprünglich indirekt aus Fällen von Schlaganfallpatienten abgeleitet, die in Folge einer linksseitigen Gehirnschädigung Probleme hatten, Gehörtes zu wiederholen. Und tatsächlich treten derartige Sprachstörungen bei rechtsseitigen Verletzungen seltener auf. Für die Forscher ein Beleg dafür, dass höhere sprachliche Aufgaben, wie Grammatik und Semantik, tatsächlich einseitig verortet sind, während die unterhalb der Wortebene gelegene sensomotorische Sprachverarbeitung beidseitig untergebracht ist. Ein Teil der komplexen Angelegenheit Sprache findet also auch nach derzeitigem Wissensstand nur einseitig statt.

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