Direkt zum Inhalt

Dolmen von Menga: Ingenieurkunst aus der Jungsteinzeit

Beim größten jungsteinzeitlichen Steinbau Spaniens sorgten die Erbauer mit Tricks für Stabilität. Geleitet haben dürfte sie dabei nicht Erfahrung, sondern Einsicht.
Der Eingang zum Dolmen von Menga
Der den Eingang zum Dolmen von Menga bedeckende Stein ist knapp fünf Meter breit und an seiner dicksten Stelle 1,80 Meter hoch – und zählt selbst damit noch zu den kleineren Decksteinen der Anlage.

Der »Dolmen von Menga« hat wahrhaft gigantische Ausmaße: 32 tonnenschwere Steinblöcke fügen sich aneinander zu einem überdachten Gang von sechs Meter Breite und dreieinhalb Meter Höhe. Der größte der Steine, die Deckplatte über der »Kammer« am Ende des Gangs, misst an seiner breitesten Seite acht Meter und wiegt geschätzt 150 Tonnen. Er ist nach heutigem Wissen der größte Stein, der im jungsteinzeitlichen Spanien bewegt worden ist.

Welche Kniffe die Baumeister dieser Anlage vor rund 6000 Jahren anwenden mussten, um die Blöcke an Ort und Stelle zu platzieren, hat nun ein Forscherteam analysiert. Demnach müssen die Erbauer ein solides Grundverständnis von Physik, Geometrie, Geologie und Architektur gehabt haben. Andernfalls sei nicht erklärbar, wie sie eine Anlage schufen, die sechs Jahrtausende in der erdbebenreichen Region unbeschädigt überdauerte. Noch dazu konnten sie nicht auf langes Erfahrungswissen zurückblicken: Der Dolmen von Menga zählt zu den ersten seiner Art auf der Iberischen Halbinsel.

Wie die Steinzeit-Menschen dabei vorgingen, hat das interdisziplinäre Team um José Antonio Lozano Rodríguez von der Universität von Alcalá in Spanien nun rekonstruiert. Es stützte sich dabei auf die Ergebnisse früherer Ausgrabungen und auf hochauflösende Laserscans. Die Ergebnisse veröffentlichten die Fachleute in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift »Science Advances«.

Sechs Meter breit | Der Dolmen hat in seinem Inneren stattliche Ausmaße. Trotz ihres Gewichts wurden die Steinblöcke präzise aneinandergerückt.

Auffällig ist etwa, dass die aufrecht stehenden Wandsteine an ihrer Unterseite so zugerichtet wurden, dass sie am Ende einen Neigungswinkel von zirka 84 Grad nach innen aufwiesen. Dadurch erhielt der Gang einen trapezförmigen Querschnitt, was die Standfestigkeit erhöhte. Zugleich waren sie an den Seiten und der Standfläche so behauen, dass sich benachbarte Steine ineinander verkeilten und millimetergenau aneinanderpressten. Und zuletzt wurde ihre Oberseite noch so abgeschrägt, dass die Deckplatten plan aufsaßen.

Bei der Planung der Anlage nutzten die Erbauer offenbar auch das Gefälle – nicht nur war der 850 Meter entfernte Steinbruch höher gelegen, auch der Dolmen selbst fällt zu seinem Ausgang hin leicht ab; vielleicht konnten die jungsteinzeitlichen Baumeister so die schweren Decksteine leichter an ihre endgültigen Bestimmungsorte wuchten.

Nach Meinung von Lozano Rodríguez und Kollegen bugsierten die Erbauer die zerbrechlichen Sandsteinplatten auf Schlitten zur Baustelle. Diese Schlitten wiederum dürften über hölzerne Gleitschienen gezogen worden sein. Um die waagrecht transportierten Blöcke aufrecht in die anderthalb Meter ins Felsgestein eingetieften Fundamentlöcher zu stellen, griffen die Schöpfer der Anlage wohl auf ein System aus Seilen und einem beweglichen Gegengewicht zurück. Es saß am hinteren Ende auf dem Stein auf und hielt ihn dadurch in der Waagrechten, selbst wenn sein vorderes Ende bereits weit über die Fundamentgrube ragte. Um den Stein anschließend in die Vertikale zu bringen, verschoben die Erbauer das Steingewicht langsam in Richtung Spitze, was den Stein kontrolliert zum Kippen brachte. So zumindest rekonstruiert das Team diesen Schritt beim Bau der Anlage.

»Ich war immer schon beeindruckt von den Ingenieurfähigkeiten, die für den Bau dieses Dolmens nötig waren«, sagt der Archäologe Michael Parker Pearson vom University College London dem Magazin »Nature News«. »Bei so großen Steinen konnten sie sich keine Fehler leisten. Wäre nur einer der Steine um wenige Zentimeter verrutscht, wäre das schwer zu korrigieren gewesen, sobald er einmal in seiner Grube stand.«

Parker Pearson hat in Großbritannien maßgeblich die Erforschung von Stonehenge geleitet. Erst kürzlich zeigte sich, dass ein zentraler Stein für die im Süden der Insel gelegene Anlage aus dem heutigen Schottland in 750 Kilometer Entfernung herangeschafft worden war. Die Kreisgrabenanlage in England wurde etwa 1000 Jahre später erbaut als der Dolmen von Menga. Beide sind Ausdruck der europäischen Megalithkultur. Dieser Sammelbegriff umfasst diverse jungsteinzeitliche Gemeinschaften, deren gemeinsames Merkmal die Schaffung monumentaler Steinbauten ist; Stonehenge zählt ebenso dazu wie Menhire oder Dolmen im heutigen Frankreich. Dort begann diese Tradition um die Mitte des 5. Jahrtausends v. Chr. Sie endete rund 3000 Jahre später auf den Balearen und dem östlichen Mittelmeer.

Dolmen wie der von Menga dienten möglicherweise als Begräbnisstätten. Von außen betrachtet mussten sie einst jedoch wenig spektakulär gewirkt haben: Sie wurden nach Abschluss der Konstruktionsarbeiten unter einem Hügel verborgen.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.