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Domestikation: Gehirn von Hunden ist außergewöhnlich normal

Seit Jahrtausenden lassen Hunde den Menschen für sich mitdenken. Das entspannt den Selektionsdruck. Und nun ist ihr Gehirn viel kleiner als das eines Wolfs. Zufall?
Hund auf dem Bett
Seitdem es sich Hunde bei uns gemütlich gemacht haben, müssen sie viel weniger ums Überleben kämpfen. Ließ das ihr Gehirn schrumpfen?

Seitdem sich Wölfe bei uns Menschen eingerichtet haben, müssen sie sich um viel weniger selbst kümmern als noch ihre wilden Vorfahren: Fresschen, Partnerwahl, Gefahrenabwehr, für all das ist meist gesorgt. Im Zuge dessen soll ihr Gehirn sukzessive geschrumpft sein. Der Selektionsdruck, der ihren wölfischen Verwandten abverlangte, immer auf Habacht zu sein, ließ nach – und mit ihm die Notwendigkeit für ein energetisch kostspieliges Gehirn.

Ähnliches hat man auch bei anderen Haustieren beobachtet. Doch László Zsolt Garamszegi vom Zentrum für Umweltforschung im ungarischen Vácrátót und Niclas Kolm von der Universität Stockholm zweifeln an der Richtigkeit dieser Hypothese. In einer neuen Publikation im Fachblatt »Biology Letters« schreiben sie dazu: Wäre die Domestikation wirklich ein so starker Faktor wie behauptet, müsste der Haushund in der Gehirngrößenstatistik deutlich herausstechen. Das tut er jedoch nicht.

Zwar ist sein Gehirn in der Tat merklich kleiner ist als das eines heutigen Wolfes (mehr als 24 Prozent laut den Autoren der Studie). Doch Berechnungen zeigten, dass das Gehirnvolumen des Haushunds ungefähr dem entspricht, was man von einem Tier seiner Körpergröße erwarten würde, wenn man, wie die beiden Forscher, dafür den Vergleich mit 25 anderen Mitgliedern der Hundefamilie (Canidae) zugrunde legt.

Ein Gehirn, das tatsächlich aus dem Rahmen fällt, erkennen sie dagegen beim Marderhund. Er ist der Einzige in der Familie der Hunde, der Winterschlaf hält. Die lange Zeit der Ruhe, in der er allein von seinen gespeicherten Reserven leben muss, sei eher geeignet, die Hirngröße evolutionär zu beeinflussen als die Domestikation, sind sie überzeugt.

Das Hirnvolumen heutiger Haushunde könnte eher durch die Merkmale bestimmt worden sein, die die ersten Züchter vor Jahrtausenden bevorzugten. Auch seien heutige Wölfe vielleicht kein gutes Beispiel für jene Tiere, aus deren Reihen die ersten Hunde abstammten.

Angesichts hunderter Hunderassen variieren Körper- und Hirngröße der Tiere heutzutage extrem. Garamszegi und Kolm legten darum die entsprechenden Werte von elf ursprünglichen Hunderassen zugrunde, die am ehesten die bevorzugten Eigenschaften der ersten domestizierten Haushunde tragen dürften. Zu diesen Rassen zählen etwa Schlittenhunde aus Grönland und Alaska, der japanische Akita Inu, der chinesische Shar-Pei und einige Windhunde.

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  • Quellen
Biology Letters, 10.1098/rsbl.2024.0336, 2024

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