Donanemab: Neues Alzheimer-Medikament hilft am besten im Frühstadium
Ein experimentelles Medikament kann das Fortschreiten der Alzheimerkrankheit bei denjenigen verlangsamen, die mit der Einnahme beginnen, wenn sich die Krankheit noch in einem frühen Stadium befindet. Das Medikament, ein monoklonaler Antikörper namens Donanemab, lindert die Symptome nicht. Aber bei 47 Prozent der Patienten, die mit dem Mittel zu Beginn der Krankheit behandelt worden waren, war nach einem Jahr mit Blick auf manche Parameter keine Verschlechterung des Gesundheitszustandes festzustellen, verglichen mit 29 Prozent der Betroffenen, die ein Placebo eingenommen hatte. Für Patienten mit fortgeschrittener Alzheimerdemenz und einer bestimmten Genmutation, die das Krankheitsrisiko erhöht, ist der Nutzen des Medikaments hingegen nicht so groß.
Die Ergebnisse seien sehr ermutigend, sagt die Neurologin Reisa Sperling von der Harvard Medical School in Boston, Massachusetts, insbesondere weil sie denen eines vergleichbaren Medikaments namens Lecanemab ähneln. »Das gibt mir das Gefühl, dass wir auf dem richtigen Weg sind.«
Der Hersteller von Donanemab, Eli Lilly mit Sitz in Indianapolis, Indiana, stellte die Ergebnisse der Studie mit 1736 Teilnehmern am 17. Juli 2023 auf der Alzheimer's Association International Conference (AAIC) in Amsterdam vor und publizierte sie im Fachmagazin »JAMA«. Das Unternehmen hatte bereits im Mai Teilergebnisse veröffentlicht, die aber noch Fragen zur Sicherheit und Wirksamkeit des Medikaments in bestimmten Gruppen aufwarfen.
Wie viele andere neue Alzheimermedikamente ist Donanemab ein monoklonaler Antikörper, der auf Beta-Amyloid abzielt, ein Protein, das die Nervenzellen schädigen kann und sich im Gehirn von Alzheimerpatienten in großen Mengen ansammelt. Donanemab kann wie Lecanemab und das verwandte Medikament Aducanumab zu so genannten »amyloid-related imaging abnormalities« (ARIA) führen, zu unerwünschten Veränderungen der Amyloid-Ablagerungen, die bei einem MRT-Scan sichtbar werden. Manchmal lösen diese Veränderungen potenziell tödliche Hirnblutungen oder Krampfanfälle aus. Etwa ein Viertel der Teilnehmer an der Phase-III-Studie von Eli Lilly entwickelten ARIA, und drei der Patienten starben schließlich. ARIA traten am häufigsten bei Studienteilnehmern auf, die Träger der Genvariante APOE4 sind, die das Alzheimerrisiko erhöht.
Phasen klinischer Studien
Wird ein neues Medikament entwickelt, durchläuft es fünf klinische Phasen. Um eine Studie in einer höheren Phase durchführen zu können, müssen alle vorhergehenden Phasen erfolgreich abgeschlossen worden sein.
Phase-0-Studie: Die ersten Versuche am gesunden Menschen finden statt. Etwa 10 bis 15 Personen erhalten subtherapeutische Dosen, auch Microdosing genannt. Dabei wird vor allem untersucht, wie sich der Wirkstoff im Körper verhält.
Phase-I-Studie: Etwa 20 bis 80 Personen erhalten eine Dosis, die für die spätere therapeutische Anwendung relevant sein könnte. Es wird geprüft, wie verträglich und sicher das Mittel ist.
Phase-II-Studie: Mit etwa 50 bis 200 Personen überprüfen die Hersteller das Therapiekonzept und legen eine geeignete Dosis fest. Zu diesem Zeitpunkt sollten bereits positive Effekte der Therapie sichtbar sein.
Phase-III-Studie: Nun entscheidet sich, ob die verantwortlichen Behörden ein Medikament zulassen. An 200 bis 10 000 Personen muss die therapeutische Wirksamkeit des Medikaments nachgewiesen werden. Das gilt ebenso für seine Unbedenklichkeit, eine angemessene pharmazeutische Qualität und ein geeignetes Nutzen-Risiko-Verhältnis.
Phase-IV-Studie: Diese Langzeitbeobachtungen beginnen, nachdem das Medikament zugelassen wurde. Damit sollen beispielsweise sehr seltene Nebenwirkungen festgestellt werden, die erst bei sehr großen Patientenkollektiven sichtbar sind.
APOE4-Träger profitierten auch weniger von Donanemab als Teilnehmer, die diese Variante nicht hatten, wie die vollständigen Daten zeigen. Außerdem wirkt das Medikament offenbar deutlich besser bei Menschen, die weniger Ansammlungen eines anderen Proteins im Gehirn haben: Tau. Die Tau-Werte steigen ebenfalls mit dem Fortschreiten der Alzheimerkrankheit an, wobei die Rolle dieses Proteins noch nicht ausreichend geklärt ist. Bei Menschen mit niedrigen oder mäßigen Tau-Werten, die Donanemab einnahmen, gingen die kognitiven Fähigkeiten im Verlauf von 76 Wochen um 35 Prozent langsamer zurück ab als bei denen, die ein Placebo bekamen. Für Menschen mit hohen Tau-Werten galt das nicht.
Bei Menschen mit relativ geringen kognitiven Beeinträchtigungen verlangsamte sich der kognitive Abbau nach der Einnahme von Donanemab um bis zu 60 Prozent. Außerdem wurden durch das Medikament etwa 90 Prozent des gesamten Amyloids aus dem Gehirn entfernt. Sobald die Amyloidwerte der Patienten nur noch gering waren, stellten die Forscherinnen und Forscher sie ebenfalls auf ein Placebo um. Im Jahr nach der Umstellung bauten diejenigen, die zuvor Donanemab erhalten hatten, weiterhin langsamer ab als die Kontrollgruppe.
Eine frühzeitige Diagnose könnte in Zukunft wichtiger werden
Die Ergebnisse zeigen, dass Menschen mit Alzheimer bessere Chancen haben, wenn die Krankheit frühzeitig diagnostiziert und behandelt wird, erklärt Sperling. In klinischen Studien würde bereits getestet, ob Lecanemab und Donanemab die Krankheit bei Menschen, die noch keine Symptome entwickelt haben, ganz verhindern können.
Bart De Strooper, Alzheimerforscher am University College London, hält die Ergebnisse für historisch. »Alles in dieser Studie sagt uns, dass wir verhindern müssen, dass sich Amyloid im Gehirn ansammelt.« De Strooper gibt jedoch auch zu bedenken, dass das Medikament nur bei Menschen mit bestimmten biologischen Markern der Alzheimerkrankheit getestet wurde und dass es bei anderen möglicherweise nicht wirksam ist.
Der Psychiater Brent Forester von der Tufts University School of Medicine in Boston, Massachusetts, sorgt sich darum, wie Donanemab und andere Medikamente in der klinischen Praxis wirken werden. So ist zum Beispiel unklar, ob Ärzte das Studiendesign kopieren und das Medikament absetzen sollten, sobald die Patienten kein Amyloid mehr im Gehirn haben. Zudem könnte es teuer und schwierig werden, jeden Patienten regelmäßig auf ARIA zu screenen und jene Personen zu identifizieren, die am ehesten von einer Behandlung profitieren würden.
Auf einer Pressekonferenz im Rahmen der AAIC erklärte der leitende medizinische Direktor von Eli Lilly, John Sims, dass das Unternehmen einen Antrag auf Zulassung bei der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA gestellt hat und bis Ende des Jahres mit einer Antwort rechnet. Wie viel die Behandlung im Fall einer Zulassung kosten könnte, ist noch unklar. Die Preise für Lecanemab und Aducanumab liegen bei mehr als 26 000 US-Dollar (rund 23 000 Euro) pro Jahr.
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