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Das aktuelle Stichwort: Doping

Zum 92. Mal rollt die Tour de France. Spätestens seit dem großen Skandal von 1998 fährt der Dopingverdacht immer mit. Wie viele Fahrer wirklich dopen, weiß keiner. Womit sie es (möglicherweise) tun, dagegen schon.
Am 13. Juli 1967 stürzt der britische Profi Tom Simpson beim Anstieg zum Mont Ventoux entkräftet vom Rad und stirbt vor laufenden Kameras. In seinem Blut weisen Ärzte später einen ganzen Cocktail von Amphetaminen nach.

Leistung ohne Grenzen?

Amphetamine gehören zur chemisch heterogenen Gruppe der Stimulanzien und ähneln in ihrer Struktur dem körpereigenen Botenstoff Adrenalin. Wie dieses erhöhen sie Blutdruck, Herzfrequenz und Körpertemperatur, weshalb sie kurzfristig höhere Leistungen ermöglichen. Gleichermaßen reizvoll wie gefährlich ist, dass bei Amphetaminmissbrauch das Gefühl für die Grenzen der eigenen Belastbarkeit verloren geht, wie der tragische Fall Simpsons zeigt.

"Heute werden Amphetamine sehr gut im Urin nachgewiesen", erklärt Wilhelm Schänzer, Dopingexperte von der Deutschen Sporthochschule in Köln. Er nimmt daher an, dass sie bei der Tour eher keine Rolle mehr spielen. Ebenfalls zu den Stimulanzien zählt Koffein, das aber inzwischen von der Dopingliste genommen wurde.

Seit 1976 tauchen in diesem Katalog die anabolen Steroide, kurz Anabolika, auf. Dabei handelt es sich um Stoffe, die dem männlichen Sexualhormon Testosteron nachempfunden sind, und wie dieses den Muskelaufbau anregen. Begehrt sind sie – beziehungsweise waren sie – in der Tiermast und im Bodybuilding sowie in Disziplinen, bei denen Schnellkraft gefragt ist, wie Sprinten und Gewichtheben. Der Hundertmeterläufer Ben Johnson machte sie mit seinem vermeintlichen Weltrekordlauf bei den Olympischen Spielen 1988 einer breiteren Öffentlichkeit bekannt: Er hatte seine Muskelberge mit Hilfe des Steroids Stanozol aufgebaut. Auch bei den beiden jüngst vom Konföderationen-Pokal nach Hause geschickten mexikanischen Fußballern handelt es sich um Anabolika-Sünder – sie waren mit Nandrolon gedopt.

Anabolika zeitigen gravierende Nebenwirkungen. Im männlichen Körper etwa wandeln sich die Substanzen zu einem Teil in das weibliche Sexualhormon Östrogen um. Die Körper der Athleten verweiblichen, Brustwachstum und Unfruchtbarkeit sind mögliche Folgen. Außerdem wächst bei Anabolikaeinnahme der Herzmuskel sehr stark – nicht aber die diesen versorgenden Blutgefäße, weshalb die Gefahr eines Herzinfarkts droht.

Mehr Sauerstoff mit Epo

Die Fähigkeit des Blutes Sauerstoff zu befördern, ist gerade für Ausdauersportarten wie Skilanglauf, Marathon und Radfahren von besonderer Bedeutung. Die O2-Transportkapazität lässt sich durchaus auf legalem Wege steigern, etwa beim Höhentraining. Dabei kompensiert der Körper den geringen Sauerstoffdruck, indem er vermehrt rote Blutkörperchen bildet, die dann entsprechend mehr O2-Moleküle binden können.

Den Gehalt des Blutes an Erythrozyten zu erhöhen, ist auch das Ziel des Dopings mit Erythropoetin – im Jargon Epo genannt. Dieses vor allem in der Niere gebildete Peptidhormon kurbelt die Produktion roter Blutkörperchen an. Per Gentechnik lässt sich das menschliche Protein auch in Tieren herstellen und kann dann den Sportlern gespritzt werden. Anfangs war es schwierig, den Missbrauch nachzuweisen. So kam der Epo-Skandal bei der Tour 1998 erst durch eine Razzia ans Licht, als Fahnder die Präparate im Gepäck des Festina-Teams aufspürten.

Überwachungslücken im Vorfeld

Seit 2000 steht jedoch eine Nachweismethode zur Verfügung. Diese unterscheidet in Tieren produziertes von körpereigenem Epo anhand verschiedener Zuckermoleküle, die dem Molekül bei seiner Biosynthese angeheftet werden. Die Injektion von fremdem Epo ist so noch nach einigen Tagen zu belegen. Schänzer hält daher den EPO-Missbrauch während der Tour selbst für unwahrscheinlich: "Dieser müsste dann schon im Vorfeld in Abwesenheit von Kontrollen geschehen."

Solche Vergehen in der Trainingsphase sind nie auzuschließen, da die Mittel der Kontrollbehörden wie der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) nicht ausreichen, um eine flächendeckende Überwachung zu gewährleisten. Ein in aller Abgeschiedenheit trainierender Athlet kann also immer noch – abhängig davon, wie strikt sein Team möglichen Missbrauch sanktioniert – die Schlupflöcher im Kontrollsystem ausnutzen. So erregt beispielsweise die Leistungsexplosion von Santiago Botero in diesem Frühjahr viel Skepsis. Nachdem der Zeitfahrweltmeister von 2002 seine zwei Jahre beim Team Telekom in einem gähnenden Leistungsloch verbracht hat, scheint er nun beim schon mehrfach aufgefallenen Phonak-Team wieder zu alter Form gefunden zu haben.

Kaum nachzuweisen ist das so genannte Eigenblutdoping. Bei dieser Methode wird dem Sportler während der Trainingsphase Blut abgezapft. Mit den aufkonzentrierten und konservierten Blutkörperchen können die Athleten dann später im Wettkampf ihr Erythrozytenkontingent aufpäppeln. Diese Betrugstaktik muss der Sportler, beziehungsweise sein Betreuer, aber rechtzeitig planen, denn bis der Körper das bei der Spende verlorene Erythrozytenvolumen wieder vollständig regeneriert, vergehen mehrere Wochen.

Fremdblut nur vom Zwilling

Die Alternative für kurz entschlossene Doper – die Transfusion von Fremdblut, egal ob von Tieren oder Menschen – ist laut Schänzer dagegen gut zu entlarven: "Über spezielle Antigene lassen sich sogar Spenden von Verwandten identifizieren, wenn es sich bei diesen nicht gerade um eineiige Zwillinge handelt."

Als indirekter Nachweis für Blutdoping dient die Bestimmung des Hämatokritwertes. Dieser Parameter gibt den Anteil der zellulären Bestandteile des Blutes wieder. Ein Hämatokrit von etwa 40 Prozent gilt als normal. Ab einem Wert von 50 Prozent erhalten Radsportler Startverbot. Die Sperre erfolgt aus gesundheitlichen Gründen, weil das Blut mit steigendem Hämatokritwert immmer zähflüssiger wird, und damit bei zusätzlichem Wasserverlust das Risiko für Blutgerinnsel steigt.

Des Dopings überführt sind Radfahrer mit unnatürlich hohen Hämatokriten aber nicht – schließlich bestehen große individuelle Unterschiede im Hämatokritprofil. Ein zweifelsfreier Hinweis wären die Werte nur, wenn sie aus langfristig aufgezeichneten persönlichen Parametern herausragen würden. Ein solcher kontrolltechnischer Aufwand ist aber derzeit nicht zu leisten. Selbst bei Wettkämpfen, wird nur ein Teil der Sportler kontrolliert, zumeist die Erstplatzierten und einige zufällig ausgewählte Stichproben. Schänzer schreibt es daher der Zockermentalität einiger Sportler zu, dass sie im Schatten des Siegerpodests immer wieder versuchen, ihr Leistungsvermögen mit nachweisbaren verbotenen Substanzen zu manipulieren.

Viele der Dopingmittel finden übrigens auch einen regulären medizinischen Einsatz: Epo-Präparate helfen Anämien zu behandeln oder das Blut eines Krebspatienten nach der Chemotherapie zu regenerieren. Die Verfügbarkeit solcher Mittel führt die Sportler dann abermals in Versuchung. So lieferte eine positive Probe mit dem Epo-Medikament Darbepoetin bei Olympia 2002 eine schlüssige Erklärung für die plötzlich überragenden Leistungen des für Spanien startenden Skilangläufers Johann Mühlegg. Die kürzlich positiv auf Epo getestete Schweizer Triathlon-Olympiasiegerin Brigitte McMahon gab bei ihrem Geständnis an, das Dopingpräparat in einem schwachen Moment verwendet zu haben, um aus einem körperlichen Tief heraus zu kommen.

Doping der Zukunft

Ein Schlagwort der vergangenen Jahre ist das Gendoping. Wie bei der Gentherapie besteht das Ziel darin, das Erbgut dauerhaft zu verändern. Ein Papier des Niederländischen Antidoping-Zentrums erwähnt auch mögliche nützliche Anwendungen, wie die raschere Therapie von schweren Sportverletzungen. Für das klassische Vorhaben der Leistungssteigerung listet es als aussichtsreichste Kandidaten für Genomveränderungen zusätzliche Gene für Wachstumshormon-Rezeptoren und für an der Muskelentwicklung beteiligte Proteine auf. Derzeit ist das Gendoping aber wie die Gentherapie noch Zukunftsmusik. Für Dopinganalytiker wie Wilhelm Schänzer ist da auch "im Augenblick noch nicht klar, auf was da getestet werden sollte." Daran, dass Gendoping einmal kommt, besteht indes kein Zweifel.

Ein historischer Fall von Leistungssteigerung durch Mutation war übrigens der finnische Skilangläufer Eero Mäntyranta. Er gewann in den 1960er Jahren mehrere olympische Goldmedaillen. Inzwischen weiß man, was er seinen Konkurrenten voraus hatte: Eine Punktmutation im Erythropoetin-Rezeptor.

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