News: Drei neue Affenarten auf Madagaskar
Die kleinsten von ihnen, die Mauslemuren, sind mit etwa 400 Individuen pro Quadratkilometer zwar relativ häufig, die nachtaktiven, scheuen Tiere zeigen sich den neugierigen Wissenschaftler jedoch nur selten. Noch vor wenigen Jahren glaubten die Biologen, dass nur zwei Arten die Insel besiedeln: Der graue Mausmaki Microcebus murinus in den trockenen Wäldern der Westküste und der rote Mausmaki Microcebus rufus in den feuchten östlichen Wäldern. 1992 wurde der inzwischen verschwundene Zwergmausmaki Microcebus myoxinus wiedergefunden. Aufsehen erregten 1998 Wissenschaftler der Tierärztlichen Hochschule Hannover, als sie eine bis dahin völlig unbekannten Art entdeckten: den goldbraunen Mausmaki Microcebus ravelobensis.
Doch damit nicht genug. Im gleichen Jahr fand ein internationales Team von der Universität Hamburg, der University of Antananarivo auf Madagaskar, dem Deutschen Primatenzentrum in Göttingen und vom Field Museum in Chicago vier neue Typen, die sie den bekannten Arten zunächst nicht zuordnen konnten. Die Wissenschaftler hatten Mauslemurpopulationen von zwölf unterschiedlichen Regionen der Insel untersucht. Jetzt verglichen sie Zähne, Schädel und Körpergröße der Tiere, um das Dickicht zu lichten. "Von Museumsexemplaren war klar, dass es eine enorme Anzahl an Variationen bei den Mauslemuren gibt", erinnert sich der amerikanische Forscher Steven Goodman. "Aber vorherige Abschätzungen beruhten auf zu wenigen, weit verstreuten Exemplaren, die oft ihre Farbe verloren hatten und bis zu 150 Jahre alt waren." Unterstützt wurde die Arbeit durch genetische Untersuchungen, welche die Evolutionsbiologin Anne Yoder von der Northwestern University durchführte.
Die jetzt vorliegenden Ergebnisse zeigen, dass sich die Populationen sieben Arten zuordnen lassen, wovon drei wiederum für die Wissenschaft völlig neu sind (International Journal of Primatology vom Dezember 2000). Zu den bereits bekannten Arten Microcebus murinus, Microcebus myoxinus und Microcebus ravelobensis gesellt sich die erst kürzlich wiederentdeckte Art Microcebus griseorufus sowie die drei Neulinge, die nun auf die Namen Microcebus berthae, Microcebus sambiranensis und Microcebus tavaratra hören.
"Es ist unglaublich selten, dass neue Primatenarten entdeckt werden, gar nicht zu sprechen von drei neuen Arten", berichtet Goodman. Die Wissenschaftler müssen sich mit ihren Entdeckungen beeilen, da die Lemuren durch die Abholzung der madegassischen Wälder stark bedroht sind. "Vor unser Arbeit dachten wir, dass Microcebus murinus die einzige Mauslemurenart in ganz Westmadagaskar ist", erzählt der madegassische Forscher Rodin Rasoloarison. "Wir glaubten, die Art sei durch die Zerstörung eines Waldgebietes nicht bedroht, da sie auch woanders vorkommt. Jetzt wissen wir, dass es sich um sehr viele Arten handelt. Das hat entscheidende Bedeutung für den Schutz unserer isolierten Wälder." Es geht dem Wissenschaftler jedoch nicht nur um Natur- und Artenschutz: "Das Verständnis der Biologie und Evolution der Lemuren öffnet uns ein Fenster für die Geschichte der fortgeschrittenen Primaten – einschließlich uns selbst."
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 5.11.1999
"Wie bunt ist die Welt für Lemuren?"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum Ticker vom 21.10.1998
"Neue Affenarten auf Madagaskar entdeckt"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum der Wissenschaft 3/93, Seite 58
"Die Lemuren Madagaskars: Repräsentanten früher Primaten"
(nur für Heft-Abonnenten online zugänglich)
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