Gitter-Lichtscheiben-Mikroskop: Dreidimensionale Filme aus dem Innern der Zelle
Wenn Biologen zu Weihnachten einen Wunschzettel schreiben, dann steht oft eines ganz weit oben: ein Mikroskop, das alles kann, was die anderen Mikroskope im Labor nicht können. Im Zweifelsfall soll es eine möglichst hohe Auflösung liefern, um auch subzelluläre Strukturen noch scharf abbilden zu können. Zugleich sollte es schnell genug sein, um rasche Zellvorgänge einfangen zu können. Mikroskope mit diesen beiden Eigenschaften benötigen aber eine sehr starke Beleuchtung. Diese wiederum kann den Metabolismus von Zellen stören und gerade diejenigen Proteine außer Gefecht setzen, deren Wirken man eigentlich untersuchen will. Ein neuer Mikroskoptyp könnte nun jedoch diese drei einander widerstreitenden Eigenschaften unter einen Hut bringen.
Ein internationales Team von Wissenschaftlern unter Leitung des Nobelpreisträgers Eric Betzig vom Howard Hughes Medical Institute in Ashburn hat erste Prototypen des so genannten Gitter-Lichtscheiben-Mikroskops entwickelt und an zwanzig verschiedenen biologischen Systemen getestet. Den Forschern gelang es, unterschiedlichste Strukturen auf verschieden langen Zeitskalen einzufangen: von der Entwicklung von Mikrotubuli bei der Zellteilung über die Bildung immunologischer Synapsen bis hin zur Embryonalentwicklung von Fadenwürmern und Taufliegen.
2014 hatte das Nobelpreiskomitee in Stockholm die beiden US-Amerikaner Eric Betzig und William E. Moerner gemeinsam mit dem Deutschen Stefan Hell für die Entwicklung der höchstauflösenden Fluoreszenzmikroskopie mit dem Chemienobelpreis ausgezeichnet. Diese Mikroskopietechniken, die genau im spannenden Grenzbereich zwischen Physik, Chemie und Biologie arbeiten, liefern ganz neue Einblicke in die Funktionsweise von Zellen. Dank ihnen lassen sich heute Vorgänge jenseits der Beugungsgrenze abbilden, von denen man früher annahm, sie wären mit Lichtmikroskopen nicht scharf darstellbar. So ermöglichen es diese Mikroskope, das Uhrwerk des Lebens zu entschlüsseln.
Gitter statt scharfem Strahl
Der neue Mikroskoptyp reiht sich in diese Entwicklung. Er basiert auf der Idee, ein Objekt nicht mit einem scharfen Strahl abzutasten. Dies würde zu viel Energie in die Probe bringen und das biologische System stören. Stattdessen wählten die Wissenschaftler einen aufgefächerten Strahl mit speziellen Welleneigenschaften, einen so genannten Bessel-Strahl. Diesen modulierten sie mit einer komplizierten Optik so, dass der Strahl gitterförmig das Objekt durchrasterte. Mit Hilfe einer speziellen Software werteten die Forscher dann die Bilder aus und erhielten so dreidimensionale Darstellungen der Zellvorgänge. Indem sie die Durchrasterung schnell wiederholten, konnten sie sogar dreidimensionale Filme drehen.
Der spezielle Trick lag aber nicht allein in der Wahl der Bessel-Strahlen, sondern auch darin, diese in bis zu sieben Unterstrahlen zu teilen, die die Probe schichtweise durchrasterten. Dadurch brachten diese punktweise weniger Energie in die Probe als ein einzelner Strahl. Dies verringerte nicht nur die Belichtungsschäden deutlich, sondern erhöhte zudem die Abtastrate.
Auch wenn das Mikroskop nicht so scharf wie die mit dem Nobelpreis gewürdigten Entwicklungen abbildet, ist es doch präzise, schnell und vor allem nichtinvasiv genug, um viele Vorgänge einzufangen, die sich bislang der Beobachtung entziehen. »Es erlaubt dreidimensionale Aufnahmen bei so hohen Geschwindigkeiten, dass man dynamische Prozesse in Zellen als kontinuierliche Ereignisse sieht und nicht als einzelne Schnappschüsse«, erklärt Betzig. Auf dem einen oder anderen Wunschzettel von Biologen mag also schon bald die subzelluläre Gitter-Lichtscheiben-3-D-Kamera stehen.
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