Hochtemperatur-Supraleitung: Dreißig Meter Zukunft
Der Bedarf an Strom nimmt immer weiter zu - mancherorts so sehr, dass die herkömmlichen Leitungen aus Kupfer an ihre Grenzen geraten. Abhilfe könnte ein neuer Typ von supraleitenden Stromkabeln schaffen. In den USA kommt er nun erstmals zum Einsatz.
In den Stromleitungen von Amerikas Metropolen wird es eng. Jahrzehntealte Kabelleitungen sind Flaschenhälse für den wachsenden Stromhunger der Ballungszentren. Weil die Wegerechte für neue Leitungen teuer sind, wollen die Energieversorger die Engpässe aufweiten, ohne mehr Platz zu verbrauchen. Was paradox klingt, könnten Kabel aus so genannten Hochtemperatur-Supraleitern tatsächlich schaffen.
Diese Materialien leiten Strom bei der Temperatur von flüssigem Stickstoff – minus 196 Grad Celsius – verlustfrei. Bei gleichem Querschnitt transportieren Supraleiterkabel drei bis fünfmal mehr Strom als ein herkömmliches Kupferkabel. Doch die Wunderleitungen sind teuer, denn bisher enthalten sie Silber.
Eine neue Generation von supraleitenden Drähten kommt jetzt allerdings ohne das Edelmetall aus. Zuvor in unzähligen Labortests bewährt, versorgt seit Anfang Januar 2008 eines der neuen Kabel erstmals Haushalte und Betriebe in Albany im US-Bundesstaat New York. "Es funktioniert bislang ohne Probleme", berichtet Trudy Lehner vom Hersteller Superpower.
Die Hersteller füllen Silberröhrchen mit pulverförmigem BSCCO und formen sie dann zu flexiblen Drähten um. Die Drähte fügen sie zu kilometerlangen Strängen zusammen. Diese kommen in eine schlauchähnliche, isolierte Ummantelung, die von flüssigem Stickstoff durchspült wird. Ohne die Stickstoff-Kühlung würde das Kabel seine widerstandsfreie Leitfähigkeit verlieren.
Der Stromfluss bricht auch dann zusammen, wenn die Stromstärke einen von der Querschnittsfläche des Drahtes abhängigen kritischen Wert überschreitet. BSCCO-Drähte halten Stromdichten von der Größenordnung 10 000 Ampere pro Quadratzentimeter aus. Verglichen mit dem Material, aus dem die Drähte der zweiten Supraleiterkabel-Generation bestehen ist das recht bescheiden.
Die YBCO genannte Keramik aus den Elementen Yttrium, Barium, Kupfer und Sauerstoff verträgt hundertmal mehr Strom pro Querschnittsfläche als BSCCO. Allerdings lassen sich YBCO-Drähte bislang nur als wenige tausendstel Millimeter dünne Schicht auf flexible Bänder einer Nickellegierung aufbringen. Der Querschnitt dieser Bänder ist daher viel kleiner als der der BSCCO-Drähte. "Deshalb ist der kritische Strom pro Draht niedriger als bei Drähten der ersten Generation", erklärt Frank Schmidt vom Kabelhersteller Nexans. Dieser Nachteil lasse sich aber ausgleichen, indem man mehr Drähte in ein Kabel einbaue.
Industrielle Massenfertigung findet aber noch nicht statt, weswegen YBCO-Kabel noch über fünfzig Euro pro Meter kosten und somit etwa dreimal so teuer sind wie die Kabel der ersten Generation. "Die Preise können aber in den nächsten drei Jahren noch auf zehn Euro pro Meter sinken", schätzt Heinz-Werner Neumüller vom Industriekonsortium Conectus, das Anwendungen der Supraleiter fördert. "Das wäre vergleichbar mit dem heutigen Preis einer Stromleitung aus Kupfer."
Obwohl die Supraleiterkabel vermutlich bald günstiger sein werden als herkömmliche Kabel, wäre ihr Einsatz nicht überall sinnvoll. Zwar verlieren die Kabel dank ihrer widerstandsfreien Leitfähigkeit keine elektrische Energie beim Transport. Aber die Kühlung kostet Energie, da der Stickstoff ständig verdampft und immer wieder verflüssigt werden muss.
Wegen der Stickstoffummantelung sind überhaupt nur unterirdische Leitungen mit supraleitenden Kabeln sinnvoll. Conectus hat die Energiebilanz von Supraleiter-Kabeln untersucht. "Nur wenn sie hochausgelastet sind, lohnt sich der Einsatz der Kabel", sagt Neumüller. Und das sei fast nur in den Haupttrassen innerhalb großer Ballungszentren der Fall. Dass es solche Strom-Autobahnen auch in Europas Metropolen gibt, weiß Helmut Hölscher von NKT cables.
Auch andere Hersteller haben sich noch nicht von der ersten Kabelgeneration verabschiedet: Auf Long Island beteiligt sich der Nexans am Bau eines 600 Meter langen BSCCO-Demonstrationskabel, das mit einer relativ hohen Spannung von 138 Kilovolt betrieben werden soll. "Nexans ist aber auch an einem EU-geförderten Projekt beteiligt, in dem ein YBCO-Supraleiterkabel entwickelt und getestet wird", berichtet Schmidt.
Experten sehen derweil im YBCO die Zukunft. Denn der Supraleiter hält höhere äußere Magnetfelder aus als BSCCO. Große Magnetfelder herrschen beispielsweise in Generatoren oder Elektromotoren, die in Zukunft ebenfalls mit Supraleitern ausgestattet werden sollen. Denn die widerstandslosen Leiter vermindern die Leistungsverluste solcher Maschinen, sowie ihre Größe und ihr Gewicht.
Die Magnetfeldstabilität des YBCO erleichtert damit deren Betrieb und spart Energie: "Man muss in Gegenwart eines starken Magnetfeldes einen BSCCO-Leiter stärker abkühlen, damit er genauso viel Strom transportieren kann wie ein YBCO-Bandleiter", sagt Hartmut Keune vom Hersteller für supraleitende Schichten Percotech. Der Chemiker glaubt daher an den Siegeszug von YBCO: "Die Leiter der zweiten Generation werden mittelfristig die BSCCO-Leiter verdrängen."
Diese Materialien leiten Strom bei der Temperatur von flüssigem Stickstoff – minus 196 Grad Celsius – verlustfrei. Bei gleichem Querschnitt transportieren Supraleiterkabel drei bis fünfmal mehr Strom als ein herkömmliches Kupferkabel. Doch die Wunderleitungen sind teuer, denn bisher enthalten sie Silber.
Eine neue Generation von supraleitenden Drähten kommt jetzt allerdings ohne das Edelmetall aus. Zuvor in unzähligen Labortests bewährt, versorgt seit Anfang Januar 2008 eines der neuen Kabel erstmals Haushalte und Betriebe in Albany im US-Bundesstaat New York. "Es funktioniert bislang ohne Probleme", berichtet Trudy Lehner vom Hersteller Superpower.
Supraleitende Kabel der ersten Generation werden hingegen schon seit Jahren innerhalb öffentlicher Netze getestet, zum Beispiel in Kopenhagen, wo seit 2001 eine Leitung des Herstellers NKT cables 150 000 Einwohner mit Strom versorgt. Die supraleitenden Drähte bestehen aus einer Keramik, welche die Elemente Bismut, Strontium, Kalzium, Kupfer und Sauerstoff enthält und die Experten kurz BSCCO nennen.
Die Hersteller füllen Silberröhrchen mit pulverförmigem BSCCO und formen sie dann zu flexiblen Drähten um. Die Drähte fügen sie zu kilometerlangen Strängen zusammen. Diese kommen in eine schlauchähnliche, isolierte Ummantelung, die von flüssigem Stickstoff durchspült wird. Ohne die Stickstoff-Kühlung würde das Kabel seine widerstandsfreie Leitfähigkeit verlieren.
Der Stromfluss bricht auch dann zusammen, wenn die Stromstärke einen von der Querschnittsfläche des Drahtes abhängigen kritischen Wert überschreitet. BSCCO-Drähte halten Stromdichten von der Größenordnung 10 000 Ampere pro Quadratzentimeter aus. Verglichen mit dem Material, aus dem die Drähte der zweiten Supraleiterkabel-Generation bestehen ist das recht bescheiden.
Die YBCO genannte Keramik aus den Elementen Yttrium, Barium, Kupfer und Sauerstoff verträgt hundertmal mehr Strom pro Querschnittsfläche als BSCCO. Allerdings lassen sich YBCO-Drähte bislang nur als wenige tausendstel Millimeter dünne Schicht auf flexible Bänder einer Nickellegierung aufbringen. Der Querschnitt dieser Bänder ist daher viel kleiner als der der BSCCO-Drähte. "Deshalb ist der kritische Strom pro Draht niedriger als bei Drähten der ersten Generation", erklärt Frank Schmidt vom Kabelhersteller Nexans. Dieser Nachteil lasse sich aber ausgleichen, indem man mehr Drähte in ein Kabel einbaue.
Auf diese Weise hat Nexans ein YBCO-Kabel hergestellt, das auf einem Versuchsfeld der Firma in Hannover 1800 Ampere leitete, fast soviel wie das BSCCO-Kabel in Kopenhagen. Das YBCO-Kabel in Albany führt allerdings nur 800 Ampere. Außerdem ist es nur dreißig Meter lang und lediglich ein Teilstück eines 350 Meter langen Supraleiter-Kabels, dessen längeres Ende aus BSCCO besteht. In den dreißig Metern Kabel stecken zehn Kilometer YBCO-Drähte des Herstellers Superpower. "Wir können die Drähte der zweiten Generation routinemäßig in Kilometerlänge fertigen", sagt Lehner.
Industrielle Massenfertigung findet aber noch nicht statt, weswegen YBCO-Kabel noch über fünfzig Euro pro Meter kosten und somit etwa dreimal so teuer sind wie die Kabel der ersten Generation. "Die Preise können aber in den nächsten drei Jahren noch auf zehn Euro pro Meter sinken", schätzt Heinz-Werner Neumüller vom Industriekonsortium Conectus, das Anwendungen der Supraleiter fördert. "Das wäre vergleichbar mit dem heutigen Preis einer Stromleitung aus Kupfer."
Obwohl die Supraleiterkabel vermutlich bald günstiger sein werden als herkömmliche Kabel, wäre ihr Einsatz nicht überall sinnvoll. Zwar verlieren die Kabel dank ihrer widerstandsfreien Leitfähigkeit keine elektrische Energie beim Transport. Aber die Kühlung kostet Energie, da der Stickstoff ständig verdampft und immer wieder verflüssigt werden muss.
Wegen der Stickstoffummantelung sind überhaupt nur unterirdische Leitungen mit supraleitenden Kabeln sinnvoll. Conectus hat die Energiebilanz von Supraleiter-Kabeln untersucht. "Nur wenn sie hochausgelastet sind, lohnt sich der Einsatz der Kabel", sagt Neumüller. Und das sei fast nur in den Haupttrassen innerhalb großer Ballungszentren der Fall. Dass es solche Strom-Autobahnen auch in Europas Metropolen gibt, weiß Helmut Hölscher von NKT cables.
In Amsterdam will die Firma zusammen mit dem niederländischen Energieversorger Nuon ein sechs Kilometer langes Supraleiter-Kabel bauen. Ob sie es mit Drähten der ersten oder der zweiten Generation ausrüsten wollen, haben die Unternehmen noch nicht entschieden, wie Alex Geschiere von Nuon auf Anfrage mitteilte.
Auch andere Hersteller haben sich noch nicht von der ersten Kabelgeneration verabschiedet: Auf Long Island beteiligt sich der Nexans am Bau eines 600 Meter langen BSCCO-Demonstrationskabel, das mit einer relativ hohen Spannung von 138 Kilovolt betrieben werden soll. "Nexans ist aber auch an einem EU-geförderten Projekt beteiligt, in dem ein YBCO-Supraleiterkabel entwickelt und getestet wird", berichtet Schmidt.
Experten sehen derweil im YBCO die Zukunft. Denn der Supraleiter hält höhere äußere Magnetfelder aus als BSCCO. Große Magnetfelder herrschen beispielsweise in Generatoren oder Elektromotoren, die in Zukunft ebenfalls mit Supraleitern ausgestattet werden sollen. Denn die widerstandslosen Leiter vermindern die Leistungsverluste solcher Maschinen, sowie ihre Größe und ihr Gewicht.
Die Magnetfeldstabilität des YBCO erleichtert damit deren Betrieb und spart Energie: "Man muss in Gegenwart eines starken Magnetfeldes einen BSCCO-Leiter stärker abkühlen, damit er genauso viel Strom transportieren kann wie ein YBCO-Bandleiter", sagt Hartmut Keune vom Hersteller für supraleitende Schichten Percotech. Der Chemiker glaubt daher an den Siegeszug von YBCO: "Die Leiter der zweiten Generation werden mittelfristig die BSCCO-Leiter verdrängen."
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