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Hirnforschung: Drogen verändern unsere Reaktion auf süße Babys

Der Anblick niedlicher Kleinkinder aktiviert eigentlich das Belohnungssystem im Gehirn. Doch Opiatabhängige scheint das Kindchenschema kaltzulassen.
Schlafendes Baby mit Mütze und Stofftier

Große Augen, eine hohe Stirn, ein kleines Kinn – Babys sind aufs Niedlichsein quasi genetisch programmiert. Ihre speziellen Gesichtsproportionen aktivieren unter anderem das Belohnungszentrum im Gehirn Erwachsener und sorgen so dafür, dass wir sie schützen und umsorgen wollen – und zwar umso mehr, je stärker ihre Züge dem perfekten Kindchenschema entsprechen, wie Studien in der Vergangenheit zeigen konnten. Mindestens eine Gruppe von Menschen scheint allerdings von der Reaktion auf diese Schlüsselreize ausgenommen zu sein, wie ein Team um Daniel Langleben von der University of Pennsylvania nun berichtet: Bei Personen, die abhängig von Opiaten und Opioiden wie etwa Morphin, Kodein oder Heroin sind, schweigt das Belohnungssystem im Gehirn offenbar beim Anblick süßer Babys.

Die Forscher präsentierten 47 Opiatabhängigen und 25 Kontrollprobanden im Hirnscanner Bilder von Kleinkindern, deren Gesichter mal mehr, mal weniger dem Kindchenschema entsprachen. Das Gehirn der Abhängigen reagierte dabei nicht auf die typische Weise darauf. Im Anschluss an das Experiment begannen die drogenabhängigen Teilnehmer eine Therapie mit dem Opioid-Antagonisten Naltrexon, der im Körper die gleichen Bindungsstellen wie die Rauschmittel besetzt und unterstützend beim Entzug zum Einsatz kommen kann. Zehn Tage später untersuchten Langleben und sein Team die Probanden noch einmal. Auf Opioidentzug, so entdeckten die Forscher, begann nun auch die Belohnungsreaktion der drogenabhängigen Probanden beim Anblick der perfekten Babyproportionen zurückzukehren: Ihre Hirnaktivität glich nun wieder mehr jener von gesunden Probanden ohne Drogenprobleme.

Die Wissenschaftler schlussfolgern daraus, dass Opiate und Opioide offenbar unsere Reaktion auf das Kindchenschema verändern – und damit möglicherweise auch die Motivation, aus der heraus wir für andere sorgen. Ob das ganz konkrete Auswirkungen darauf hat, wie sich die Betroffenen im Alltag etwa um ihre Kinder kümmern, ist allerdings noch unklar: Im Hinblick auf die Frage, wie "niedlich" sie die gezeigten Kinder fanden, unterschieden sich Drogenabhängige und Kontrollprobanden nämlich zumindest im Versuch nicht. Die Ergebnisse bestätigen damit in erster Linie, was Forscher schon in anderen Versuchen herausfanden: dass das Gehirn Opiatabhängiger grundsätzlich gegenüber natürlichen Belohnungsreizen abzustumpfen scheint.

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