Dark Energy Survey: Die detaillierteste 3-D-Karte des Universums, die je erstellt wurde
Welche Kraft treibt das Weltall immer schneller auseinander? Die Antwort darauf möchte das Team des Dark Energy Survey (DES) liefern. Um herauszufinden, wie sich Masse über Raum und Zeit verteilt, durchmustert die Gruppe seit Jahren ein 5000 Quadratgrad großes Himmelsareal mit Hilfe diverser Teleskope. Nun gibt es erste umfassende Ergebnisse, vorgestellt in einem Online-Briefing und veröffentlicht in nahezu 30 Online-Artikeln.
Die Daten liefern verblüffende Beweise dafür, dass die Dunkle Energie in der gesamten kosmischen Geschichte konstant war. Sie gilt als jene Kraft, welche das Universum zur Beschleunigung seiner Expansion antreibt.
Das DES-Team hat den Himmel zwischen den Jahren 2013 und 2019 mit einer 570-Megapixel-Kamera am Víctor-M.-Blanco-Teleskop am Cerro Tololo Inter-American Observatory in Chile vermessen. Die Durchmusterung deckte einen umfassenden Teil des Südhimmels ab, mehr als 200 Millionen Galaxien sind erfasst. »Es ist ein unglaublich mächtiger Datensatz«, kommentiert Catherine Heymans, Astronomin an der University of Edinburgh, Großbritannien, die Publikation.
Die Forscherinnen und Forscher haben die Galaxien nach Farbe gruppiert, um einen groben Hinweis auf die Entfernung jeder Galaxie von unserer eigenen zu erhalten: Da sich das Universum ausdehnt, erscheinen weiter entfernte Galaxien röter, weil sich ihre Lichtwellen auf größere Wellenlängen ausgedehnt haben. Auf diese Weise konnte das Team eine dritte Dimension zu seiner Karte hinzufügen.
Our webinar describing the DES Year-3 cosmological results is now online! Hear about some of the key points in our huge analysis from several of the DEScientists involved. #DESY3https://t.co/0NEfyl7gER
— Dark Energy Survey (@theDESurvey) May 28, 2021
Verzerrte Galaxien helfen, Dunkle Materie zu untersuchen
Der Blick in die Ferne entspricht zugleich einem Blick in die Vergangenheit. Die kosmische 3-D-Karte erzählt damit etwas über die Geschichte des Universums. Indem die Kosmologinnen und Kosmologen verfolgen, wie sich Galaxien im Lauf der Zeit ausbreiten, können sie indirekt die dafür verantwortlichen Kräfte messen. Dazu gehört die Anziehungskraft der Dunklen Materie, die etwa 80 Prozent der Masse des Universums ausmachen und beeinflussen soll, wie sich Galaxien und Galaxienhaufen bilden.
Um Dunkle Materie aufzuspüren, hat das DES-Team die Formen von 100 Millionen der weiter entfernten Galaxien analysiert. Da die Schwerkraft den Raum krümmt, wollen die Kosmologen große Konzentrationen Dunkler Materie in den näheren Regionen des Universums abgebildet haben, indem sie sahen, wie ihre Schwerkraft die Bilder von weiter entfernten Galaxien zusammendrückt. Dieses Phänomen wird auch als schwacher Gravitationslinseneffekt bezeichnet. »Wir beobachten, dass unsere Bilder von Hintergrundgalaxien leicht verzerrt sind«, erklärt DES-Mitglied Alexandra Amon vom Kavli Institute for Particle Astrophysics and Cosmology in Kalifornien in einem Online-Briefing.
Die Kartierung von Galaxien und Dunkler Materie in 3-D ermöglicht es Forschern zudem, Dunkle Energie zu untersuchen. Sie gilt als jene Kraft, welche die Expansion des Universums beschleunigt. Die Natur dieser mysteriösen Kraft ist eine der größten offenen Fragen der Kosmologie. Bisher deutete alles darauf hin, dass sie in Raum und Zeit gleichförmig ist – das DES hat die Hypothese gestärkt.
Was ist Dunkle Energie?
Der Begriff »Dunkle Energie« (englisch: dark energy) stammt aus den 1990er Jahren, das dahinterliegende Konzept ist aber bereits 100 Jahre alt. Es spielte eine Rolle bei der Entwicklung von Albert Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie, der bis heute vorherrschenden Theorie von Raum, Zeit und Schwerkraft. 1917 sah sich Einstein gezwungen, einen Zusatz in seine Gleichungen aufzunehmen, die kosmologische Konstante.
Einstein wollte damit den Zusammensturz des Universums verhindern. Forscher hielten es damals für ein statisches Gebilde. Doch damit müsste das All früher oder später unter seiner eigenen Schwerkraft kollabieren, folgerte Einstein – und ersann die kosmologische Konstante. Sie verkörperte einen nach außen gerichteten Gegendruck, der dem Kollaps Einhalt gebietet. Doch als in den 1920er Jahren klar wurde, dass der Kosmos nicht statisch ist, sondern expandiert, verwarf Einstein die Idee wieder. Stattdessen setzte sich das Konzept des Urknalls durch, der dem All den nötigen Schwung für die Ausdehnung mitgab.
1998 erkannten Kosmologen jedoch, dass das Universum seit rund sieben Milliarden Jahren an Geschwindigkeit zulegt; die Expansion beschleunigt sich. Erklären lässt sich das mit der Dunklen Energie, die wie eine Art Antigravitation wirkt. Während gewöhnliche Materie, Dunkle Materie und elektromagnetische Strahlung mit wachsendem Volumen ausdünnen, scheint ihre Menge in einem Kubikmeter Weltall konstant zu bleiben – so wie es auch bei Einsteins kosmologischer Konstante der Fall war.
Das Ergebnis sei ein »Triumph« für das Standardmodell der Kosmologie, so Ofer Lahav, ein führendes DES-Mitglied am University College London. Damit werde es für Kosmologen schwieriger, alternative Modelle zu unterstützen, in denen die Dunkle Energie ein »greifbares Medium« ist, das in Zukunft verkümmern könnte.
Glatter als erwartet
Das DES-Team hat zudem Hinweise darauf gefunden, dass die Materie im Universum möglicherweise gleichmäßiger verteilt ist als lange angenommen. Das Universum ist demnach »smoother«, so wie es bereits DES-Ergebnisse aus dem Jahr 2017 vermuten ließen.
Neben dem DES haben zwei weitere große Projekte ähnlich rätselhafte Messungen gemeldet – das Hyper Suprime-Cam Survey auf Hawaii und das Kilo-Degree Survey in Chile, geleitet von Heymans. Alle drei Durchmusterungen zeigen weniger Auswirkungen der Linseneffekte – und damit etwas geringere Konzentrationen von Dunkler Materie –, als laut dem vorherrschenden Modell der Kosmologie zu erwarten ist.
Beziehen Teams die experimentellen Unsicherheiten mit ein, sind die Messungen immer noch weitgehend mit dem Standardmodell vereinbar. Heymans sagt, es werde interessant sein, die Ergebnisse der drei Durchmusterungen in einer Analyse zu kombinieren. Das Ziel: die mögliche Abweichung noch genauer zu bestimmen.
Derweil sind weitere Veröffentlichungen der DES-Gruppe zu erwarten. Denn die aktuellen Ergebnisse basieren auf den ersten drei Jahren von insgesamt sechs Jahren Datenerfassung. Ab dem nächsten Jahr wird die Kosmologie um zwei neue Observatorien reicher: das Vera-Rubin-Observatorium in Chile und das Euclid-Weltraumteleskop der Europäischen Weltraumorganisation. Beide sollen die Studien des schwachen Gravitationslinseneffekts in noch nie da gewesener Tiefe durchführen – »am gesamten Himmel«, sagt Heymans.
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