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WIMPs: Schon wieder keine Teilchen der Dunklen Materie

Ein hochgenaues Experiment zur Suche nach Teilchen der Dunklen Materie stellt einen neuen Rekord auf. Doch erneut geriet keines der hypothetischen Schwergewichte namens WIMPs in die Fänge des gigantischen Detektors LUX-ZEPLIN.
Illustration einer Punktmenge
Niemand weiß bisher, wie Dunkle Materie aussieht. Immerhin weiß man aber immer besser, wie sie nicht aussieht.

Wo steckt der übergroße Teil der Materie im Universum? Diese Frage ist eines der wichtigsten ungelösten Rätsel der Astrophysik. Laut dem kosmologischen Standardmodell schwirren rund 85 Prozent der Masse des Weltalls in Form unsichtbarer Teilchen umher. Doch diese ließen sich bislang partout nicht aufspüren, selbst mit extrem ausgeklügelten Experimenten. Verschiedene Kandidaten kommen in Frage, unter anderem gelten hypothetische Partikel namens WIMPs (weakly interacting massive particles) als viel versprechend. Sie sollten sich in gigantischen, hochempfindlichen Detektoren bemerkbar machen. Aber bei keiner von mehreren internationalen Suchkampagnen tauchten WIMPs auf – auch nicht bei der neuesten und bislang empfindlichsten in den USA. Das hat das Team des Experiments LUX-ZEPLIN während zweier Konferenzen am 26. August 2024 in Chicago und in São Paulo bekannt gegeben.

Bei dem Versuchsaufbau LUX-ZEPLIN (kurz LZ) an der Sanford Underground Research Facility in South Dakota befinden sich sieben Tonnen flüssiges Xenon in einem riesigen Behälter tief unter der Erde – und damit gut abgeschirmt von allen möglichen irdischen und außerirdischen Strahlungsquellen. Hier sollen nur noch die extrem seltenen Lichtblitze übrig bleiben, die entstehen, wenn ein kosmisches WIMP durch den Xenontank flitzt und dort auf einen Atomkern des flüssigen Edelgases stößt. Die nun veröffentlichten Ergebnisse stammen aus den ersten 280 Tagen des seit Ende 2021 laufenden Experiments. Nach Angaben des für LZ zuständigen Lawrence Berkeley National Laboratory verstecken sich jenseits einer Masse von 9 GeV/c2 (für Gigaelektronvolt, eine in der Teilchenphysik übliche Masseneinheit) keine WIMPs. Das entspricht etwa der neunfachen Masse eines Protons, des Kerns des Wasserstoffatoms.

Insgesamt soll LZ 1000 Tage lang nach WIMP-Signalen Ausschau halten. Das Ende des Experiments ist für das Jahr 2028 geplant. Parallel laufen andere Messungen auf der Suche nach WIMPs, etwa bei XENONnT in Italien, das nach dem gleichen Prinzip funktioniert. Die XENONnT-Forschungsgruppe hatte im Juli 2023 erste Ergebnisse veröffentlicht (gleichzeitig hatte das LZ-Team von seinen ersten 60 Tagen der Datennahme berichtet). Weitere Konzepte setzen bei der Suche nach WIMPs auf alternative Messstrategien, in der Hoffnung, so Teilchen bei anderen Wechselwirkungen aufzuspüren, die den großen Xenon-Experimenten entgehen.

In Ungnade gefallen

Aus theoretischer Sicht galten WIMPs lange Zeit als Favoriten für Dunkle Materie. Angesichts der andauernden Negativmeldungen der immer empfindlicheren – und damit zunehmend aufwändigeren und teureren – WIMP-Messkampagnen laufen inzwischen verstärkt Suchen nach weiteren Dunkle-Materie-Kandidaten wie den so genannten Axionen. Sie könnten im Gegensatz zu WIMPs Leichtgewichte sein. Zahlreiche Ideen konkurrieren um eine Antwort auf die Frage, woraus Dunkle Materie besteht. Fachleute haben selbst bestimmte Arten von Schwarzen Löchern diskutiert. Diese stellen sich aber als zunehmend unwahrscheinliche Erklärung heraus. Nach Jahrzehnten der Suche nach Dunkler Materie lässt sich so bloß eines immer besser eingrenzen: was sie nicht ist.

Vielleicht gibt es sie sogar überhaupt nicht. Dunkle Materie wurde postuliert, weil sich mit Hilfe ihrer Schwerkraft die Bewegungen und Strukturen, die wir im Universum beobachten, am besten beschreiben lassen. Wenn allerdings die Gravitation auf galaktischen Skalen anders funktionieren würde als gedacht, dann wäre möglicherweise keine Dunkle Materie zur Erklärung nötig. Doch auch bei solchen radikalen Ansätzen bleiben noch viele Fragen offen. Bevor sich die Mehrheit der physikalischen Community von der Dunklen Materie abwendet und komplett mit ihrem Weltbild bricht, braucht es überzeugendere Konzepte. Bis dahin wird die Suche nach den unsichtbaren Teilchen weitergehen.

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