Analoge Quantencomputer: Ein Durchbruch für die Quantensimulation
In den letzten Monaten machten Quantencomputer häufig Schlagzeilen: Sei es wegen Qubit-Rekorden, neuen Mechanismen, um Fehler zu korrigieren, oder weil wieder einmal ein Meilenstein erreicht wurde. Dabei ging es stets um »digitale« Quantencomputer, also solche, die wie gewöhnliche Rechner jede Art von Berechnung mit logischen Operationen durchführen. Ein anderer – und ebenfalls viel versprechender Ansatz – sind so genannte »analoge« Quantencomputer. Diese Art von Maschinen hatte bereits der renommierte Physiker Richard Feynman Anfang der 80er Jahre erdacht. Dabei handelt es sich um maßgeschneiderte Systeme, die ein bestimmtes Quantensystem imitieren und es ermöglichen, dessen Eigenschaften genau zu untersuchen. »Die Natur ist nicht klassisch, verdammt, und wenn man eine Simulation der Natur machen will, muss man sie quantenmechanisch machen«, sagte Feynman damals.
Die Idee hinter analogen Quantencomputern besteht darin, ein komplexes Quantensystem durch ein anderes, gut steuerbares Quantensystem zu simulieren. Möchte man zum Beispiel untersuchen, wie komplexe Moleküle (etwa bei der Arzneimittelherstellung) miteinander wechselwirken, kann man einige der Reaktionen mit Hilfe von Qubits modellieren. Die Gleichungen, die das Verhalten der Qubits beschreiben, stimmen mit denen des zu simulierenden Quantensystems überein. »Quantensimulation erlaubt die Erforschung komplexer Quantensysteme und -materialien in neuartiger Weise, indem diese unter extrem genauen Bedingungen im Labor nachgestellt werden«, erklärt der Physiker Jens Eisert von der FU Berlin. Eine Herausforderung ist dabei, die korrekte Einstellung der Schaltkreise zu finden. Damit der Ansatz funktioniert, müssen die Eigenschaften des Qubit-Systems richtig ausgelesen werden. Die Arbeitsgruppe um Eisert hat nun eine Methode zur Bestimmung der Quanteneigenschaften in der Fachzeitschrift »Nature Communications« vorgestellt.
Eisert befand sich auf einer Konferenz in Brasilien, als sich das Google-AI-Team, mit dem er in der Vergangenheit schon gearbeitet hatte, bei ihm meldete. Das US-amerikanische Unternehmen wollte den Quantenchip namens Sycamore aus supraleitenden Schaltkreisen nutzen, um damit Quantensimulationen durchzuführen. Dafür muss das Gerät kalibriert werden, und die Fachleute stießen dabei auf Probleme, die sie nicht überwinden konnten.
Quantensysteme werden durch den so genannten Hamilton-Operator charakterisiert. Das ist ein mathematischer Operator, der die Energie eines Systems wiedergibt. Darüber hinaus bestimmt er, wie sich ein Quantensystem zeitlich entwickelt – er ist das zentrale Element der Schrödingergleichung. Damit eine Quantensimulation erfolgreich verläuft, müssen der Hamilton-Operator des Quantensimulators (etwa der supraleitenden Qubits) und der des zu simulierenden Systems (etwa den komplexen Molekülen) übereinstimmen.
»Der Hamilton-Operator wird häufig als bekannt angenommen«, sagt Eisert, »doch diese Annahme ist oft falsch. Denn am Ende des Tages liefern Experimente immer nur Daten.« Deshalb meldete sich das Google-Quantum-AI-Team bei Eisert. Es hatte Probleme, aus den verrauschten Messdaten den Hamilton-Operator des supraleitenden Qubit-Systems abzuleiten. Ohne diese Information lässt sich allerdings nicht sicherstellen, dass ihr analoger Quantencomputer den richtigen Prozess simuliert.
Als Eisert von den Problemen hörte, ging er zunächst davon aus, dass das Problem leicht lösbar sei. Doch es erwies sich als erstaunlich komplex. »Wir haben auf die harte Tour lernen müssen, warum es so wenige Veröffentlichungen dazu gibt«, sagte Eisert gegenüber »Phys.org«. »Es ist einfach sehr schwierig mit praktischen Daten umzusetzen.«
Verrauschte Daten durch Fehler
Um den Hamilton-Operator eines Systems auszulesen, muss man die charakteristischen Frequenzen finden, mit denen die supraleitenden Schaltkreise schwingen, und deren dazugehörige Energien kennen. Doch die Daten des Sycamore-Chips waren durch Fehler so verrauscht, dass eine Rekonstruktion des Hamilton-Operators nicht möglich war. Prinzipiell ist die Fehleranfälligkeit von Qubits eine der größten Hürden bei der Entwicklung von Quantencomputern. »Während in digitalen Quantencomputern kleine Fehler korrigiert werden können, ist es schwierig, analoge Geräte zu korrigieren«, schreiben die Forschenden in ihrer Arbeit. Das macht es schwer, die relevanten Daten in analogen Quantencomputern auszulesen.
»Als die Arbeit begonnen wurde, leisteten wir Pionierarbeit. Inzwischen – drei Jahre später – ist daraus ein eigenständiges Forschungsfeld geworden«Jens Eisert, Physiker
Daher hat das Team um Eisert zunächst eine neue Methode namens »tensorESPRIT« entwickelt, welche die charakteristischen Frequenzen der supraleitenden Schaltkreise besser auflöst. »tensorESPRIT« ist ein Algorithmus, der mittels Fourier-Zerlegung und Tensornetzwerken genauere Werte für die Frequenzen liefert. Mit einem zweiten Ansatz gelang es den Fachleuten, Informationen über die Messfehler in den supraleitenden Qubits zu erhalten. Sie stützen ihre Analyse durch Computersimulationen, welche die Entstehung von Fehlern und deren Auswirkungen auf Quantensysteme modellieren. Indem das Team um Eisert diese beiden Methoden kombinierte, konnte es die Parameter des Hamilton-Operators für 14 gekoppelte supraleitende Qubits auf zwei Google-Sycamore-Prozessoren bestimmen. »Als die Arbeit begonnen wurde, leistete die Vorabveröffentlichung auf ›ArXiv‹ Pionierarbeit«, sagt Eisert. »Nun – drei Jahre später – erscheint der Artikel in ›Nature Communications‹, und aus der Arbeit ist ein eigenständiges Forschungsfeld geworden.«
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