Tierische Waffen: Durchschlagende Verteidigung
Ob Hund, Katze oder Maus - wer versucht, ein Tier gegen dessen Willen festzuhalten, erntet so manchen Kratzer durch Zähne und Krallen. Frösche hingegen verlassen sich eher auf giftige Abwehr. Es sei denn, es geht um einen Langfinger: Der schlägt mit einer Knochenkralle tiefe, blutige Wunden.
1900 berichtet der Naturforscher George Albert Boulenger, damals am Natural History Museum in London, dessen Amphibiensammlung er katalogisieren sollte, von einer merkwürdigen Beobachtung an den Füßen verschiedener Langfingerfrösche (Arthroleptidae): Deren Zehenknochen seien krallenartig gekrümmt und zugespitzt, und sie hatten offenbar die Haut durchstoßen. Wohl ein Artefakt der Präparation oder vielleicht auch krankhaft, schließt der bedeutende Herpetologe. 30 Jahre später notiert auch sein amerikanischer Kollege Gladwyn Kingsley Noble diese Eigenheit. Er spekuliert, die Tiere hätten damit vielleicht einen besseren Halt vor dem Sprung.
Das klingt nach einer Einmalwaffe – doch womöglich sind die Tiere sogar in der Lage, diese zu recyclen. So ist die Kralle auch nach dem Austritt noch frei beweglich und könnte sich wieder in den Zeh zurückziehen, wenn auch eventuell nur passiv. Angesichts der bemerkenswerten Wundheilung bei Amphibien halten es Blackburn und seine Kollegen daher durchaus für denkbar, dass sich die Langfinger – bei erfolgreicher Verteidigung – nach kurzer Zeit bereits erneut blutig zur Wehr setzen können. Der lebende Beweis dafür steht allerdings noch aus.
Warum aber stellen dann kamerunische Jäger den Fröschen, die sie als Grillgut schätzen, mit überdimensionalen Dreizacken oder Macheten nach? 1954 liefert Gerald Durrell, ein erfahrener britischer Tierfänger, die Erklärung: Wer es wagt, die Tiere mit bloßen Händen anzufassen, braucht hinterher Verbandszeug für heftig blutende Wunden.
Denn die Krallen, die David Blackburn von der Harvard University und seine Kollegen an Museumsexemplaren nun noch einmal genauer unter die Lupe nahmen, sind vor allem eines: hoch wirksame Waffen. Gerät ein dermaßen ausgestatteter Langfingerfrosch – nicht alle Gattungen besitzen diese Klauen – in die Fänge eines Feindes, beginnt er sich wie wild zu winden und mit den Füßen um sich zu treten. Die dabei zum Vorschein kommenden Spitzen reißen tatsächlich tiefe Kratzer in die Haut des Angreifers, der sicher in so manchem Fall lieber auf die Beute verzichten wird. Zweck der Gegenwehr erfüllt.
Erstaunlich daran ist, dass diese Krallen ganz anders aufgebaut sind als sonst unter Wirbeltieren wie Hund, Katze, Maus oder auch dem Krallenfrosch Xenopus laevis: Ihnen fehlt der typische Hornüberzug, die hautdurchstoßende Spitze besteht aus reinem Knochen. Ein weiterer kleiner, oberhalb liegender Knochensplitter wirkt als Verriegelung – er ist über Bindegewebe fest an der Haut verankert und hält seinerseits über Kollagenfasern die Kralle in ihrer Ruheposition. Boulenger hatte ihn noch als Ablagerung überschüssigen Kalziums interpretiert.
Fährt nun der Frosch die Krallen aus, reißen diese Kollagenfasern, die Knochenkralle durchschlägt die Haut – und gegebenenfalls auch die des Gegenübers. Die knöcherne Verankerung hingegen bleibt an Ort und Stelle.
Das klingt nach einer Einmalwaffe – doch womöglich sind die Tiere sogar in der Lage, diese zu recyclen. So ist die Kralle auch nach dem Austritt noch frei beweglich und könnte sich wieder in den Zeh zurückziehen, wenn auch eventuell nur passiv. Angesichts der bemerkenswerten Wundheilung bei Amphibien halten es Blackburn und seine Kollegen daher durchaus für denkbar, dass sich die Langfinger – bei erfolgreicher Verteidigung – nach kurzer Zeit bereits erneut blutig zur Wehr setzen können. Der lebende Beweis dafür steht allerdings noch aus.
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