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E-Fuels: Zu schade für Autos

E-Fuels wecken Hoffnung bei manchen Autofans. Doch sie sind teuer und werden es noch lange bleiben. Dennoch gibt es sinnvolle Anwendungen für sie – zum Beispiel in der Luftfahrt.
Ein Zapfhahn steckt in einem Auto.
E-Fuels wären klassischen fossilen Kraftstoffen so ähnlich, dass sich die bisherigen Verbrennungsmotoren mit ihnen weiterbetreiben lassen. Einen nicht ganz unerheblichen Unterschied gäbe es allerdings: den Preis.

Es klingt endgültig: Ab dem Jahr 2035 dürfen in der Europäischen Union keine Autos mit Verbrennungsmotor mehr verkauft werden. Darauf hatten sich die Mitgliedsstaaten bereits im Oktober 2022 geeinigt. So soll der Treibhausgasausstoß im Verkehr reduziert werden. Immerhin, noch 2021 machte der Sektor in Deutschland ein Fünftel aller Emissionen aus – Personenwagen sind daran maßgeblich beteiligt.

Beschlossene Sache also? Keineswegs! Leidenschaftlich wird diskutiert, ob ein solches Verbot der richtige Weg ist. Gerade erst hat die EU die entscheidende Abstimmung über die Maßnahme verschoben. Mit dem Argument der Technologieoffenheit will Verkehrsminister Volker Wissing von der FDP durchsetzen, Ausnahmen zuzulassen, wenn der Wagen statt mit fossilem Sprit mit synthetischen Kraftstoffen betankt wird. Diese auch als E-Fuels bezeichneten Alternativen zu Diesel und Benzin sollen im besten Fall klimaneutral sein. So das Versprechen. Wissing sagte nun, ohne weiteren Kompromiss werde Deutschland die EU-Pläne blockieren. Das ist möglich, denn die EU-Staaten müssen noch final zustimmen. Zudem soll die Vereinbarung 2026 erneut überprüft werden.

Zugleich wird intensiv an E-Fuels geforscht. Nach bisherigem Stand ist allerdings fraglich, ob sie wirklich einen nennenswerten Marktanteil im Individualverkehr erreichen können. Bislang läuft es allenfalls auf Nischenanwendungen hinaus. Denn das Gros der E-Fuels wird für einen anderen Verkehrsträger benötigt, der sich nur bedingt elektrifizieren lässt: das Flugzeug.

Auf dem Papier sehen E-Fuels gut aus

Der Name E-Fuel leitet sich ab vom Englischen »electro fuel«. Es handelt sich um Sprit, der mittels Strom hergestellt wird statt aus Erdöl. Denn letztlich sind fossile Treibstoffe nichts anderes als lange Ketten aus Kohlenstoff und Wasserstoff. Während der Wasserstoff per Elektrolyse erzeugt werden soll, die mit Strom aus Erneuerbaren betrieben wird, könnte der Kohlenstoff klimafreundlich als Kohlenstoffdioxid (CO2) aus der Luft geholt werden. Die Direct-Air-Capture-Technologie ist aber noch nicht besonders weit entwickelt und recht teuer. Realistischere Kohlenstofflieferanten sind Biomasse oder die Abgase von Industrieprozessen – man denke nur an die Herstellung von Zement, bei der massenhaft CO2 anfällt. Für die Produzenten hätte das sogar Vorteile, denn es wird zunehmend teurer, Treibhausgase in die Atmosphäre zu blasen.

Auf dem Papier sieht die Klimabilanz dieser Treibstoffe gut aus. Doch in der Praxis gibt es erhebliche Probleme. Erstens kommt der Ausbau der erneuerbaren Energien nur sehr schleppend voran. In Deutschland machen sie derzeit knapp die Hälfte der Stromproduktion aus, jedoch wird der Bedarf in den kommenden Jahren kräftig steigen – etwa für die angestrebte Umrüstung auf Wärmepumpen im Gebäudebestand und viele andere stromintensive Anwendungen. Zweitens ist die Herstellung der E-Fuels bisher kaum über den Labormaßstab hinausgekommen; die Verfahren müssen weiterentwickelt werden, damit sie zuverlässig große Mengen liefern können. Und drittens geht bei der Umwandlung viel Energie verloren. Um ein Auto klimaneutral mit E-Fuels anzutreiben, braucht es rund fünfmal so viel Strom aus Erneuerbaren wie für ein batterieelektrisches Fahrzeug. Das erklärt auch, warum synthetische Kraftstoffe heute zirka fünfmal teurer sind als herkömmlicher Sprit und warum die Kosten vermutlich nie unter die für den Betrieb von Elektroautos sinken werden.

Dem gegenüber stehen die Vorteile der synthetischen Kraftstoffe. Mit ihnen lässt sich problemlos fossiler Sprit ersetzen, da sie chemisch nahezu identisch sind, und zunächst beigemischt oder später ausschließlich über das vorhandene Tankstellennetz verteilt werden können. Das würde die Umstellung auf klimafreundliche E-Mobilität deutlich vereinfachen. Denn der Aufbau von Ladesäulen hier zu Lande stockt wegen fehlendem Material und Personal. Bei synthetischen Kraftstoffen wäre es ohnehin wirtschaftlicher, sie in besonders sonnigen oder windigen Gegenden herzustellen und anschließend zu importieren. »Gerade flüssige Kohlenwasserstoffe lassen sich gut transportieren«, sagt Falko Ueckerdt vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). »Es ist ziemlich sicher, dass sich ein globaler Markt für klimafreundliche kohlenstoffbasierte Rohstoffe entwickeln wird, so wie der heutige Öl- und Gasmarkt.«

Bisher gibt es nur einzelne Anlagen

Ueckerdt untersucht die Transformation des Energiesystems und hat unter anderem im Jahr 2021 einen Übersichtsartikel zu E-Fuels im Fachmagazin »Nature Climate Change« veröffentlicht. Bereits damals zeichneten sich Probleme wie hohe Kosten und eine zu langsame Technologieentwicklung ab. »Mittlerweile hat sich die Evidenz erhärtet, dass E-Fuels für Autos keine oder allenfalls eine untergeordnete Rolle spielen werden«, sagt er. Die Kraftstoffproduktion werde nicht schnell genug wachsen, um einen relevanten Beitrag zu den Klimaschutzzielen zu leisten. »Dann ist es sinnvoll, wenn die Politik das Signal gibt: Es lohnt sich nicht, wir brauchen einen Antriebswechsel, nämlich den Elektromotor.«

»Mittlerweile hat sich die Evidenz erhärtet, dass E-Fuels für Autos keine oder allenfalls eine untergeordnete Rolle spielen werden«Falko Ueckerdt, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung

Bisher gibt es weltweit nur einzelne Pilotanlagen, eine davon ist »Haru Oni« im chilenischen Punta Arenas. Betreiber ist ein Konsortium, an dem unter anderem Porsche beteiligt ist. Eröffnet wurde sie Ende Dezember 2022. Zunächst sollen 130 000 Liter E-Fuel pro Jahr hergestellt werden. Auch andere Unternehmen wollen diesen Markt erschließen, etwa Norsk e-Fuel, dessen größter Anteilseigner Sunfire aus Dresden ist. Im norwegischen Mosjøen soll es ab 2024 losgehen, in einer ersten Ausbaustufe ist eine Produktion von 12,5 Millionen Liter jährlich vorgesehen – allerdings E-Kerosin. Für Ueckerdt eine wesentlich sinnvollere Anwendung des Prinzips.

Auf Grund der geringen Energiedichte in Batterien bleibe der Flugverkehr auf absehbare Zeit angewiesen auf flüssige Treibstoffe. »Hier ebenso wie in der Chemieindustrie sind E-Fuels geeignet, um von fossilen Rohstoffen wegzukommen«, sagt er. Im Straßenverkehr sieht der Forscher allenfalls eine Nische bei Lastwagen, die viel Masse über weite Strecken bringen müssen. »Aber auch hier sind wir auf einem guten Weg, Batterien und Lademöglichkeiten so zu entwickeln, dass ein 40-Tonner viereinhalb Stunden lang autonom fahren kann.« Zudem seien Brennstoffzellen eine Option, um schwere Fahrzeuge anzutreiben.

Ebenfalls aus Sicht von Roland Dittmeyer vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) können synthetische Kraftstoffe eine sinnvolle Ergänzung zur Elektromobilität sein. »Wenn alles elektrisch fahren soll, müssen wir das Netz erheblich ausbauen und genügend grünen Strom erzeugen«, sagt er. Entlastung könnte beispielsweise E-Diesel für Lastwagen bringen, der als Nebenprodukt bei der Herstellung von E-Kerosin anfällt.

E-Fuels können eine sinnvolle Ergänzung sein

Daran arbeiten er und viele weitere Forscherinnen und Forscher unter anderem im Kopernikus-Projekt P2X, das erneuerbaren Strom in andere Energieformen umwandelt, etwa in Kraft- und Kunststoffe, in Wärme und Gase oder in chemische Rohstoffe.

Am KIT entsteht derzeit eine Forschungsanlage, die 200 Liter synthetischen Kraftstoff pro Tag erzeugen soll: Das CO2 wird aus der Luft gewonnen und in einem Tank zwischengespeichert. Unter Zugabe von Wasserdampf erzeugt ein leistungsfähiger Hochtemperatur-Elektrolyseur ein Synthesegas, das in einem neuartigen Reaktortyp zu einem synthetischen Öl umgewandelt wird. Im vierten und letzten Schritt wird das »syn crude« zu E-Kerosin.

Der Prozess sei besonders effizient dank der modularen Technik und der geschickten Verknüpfung der einzelnen Anlagen, die unter anderem Prozessabwärme effizient nutzen, sagt Dittmeyer. »Von der im erneuerbaren Strom enthaltenen Energie sind noch 50 Prozent im synthetischen Öl.« Der neue Reaktor lasse sich außerdem dynamisch betreiben, er komme daher gut mit schwankenden Leistungen – etwa in einem Windpark – zurecht.

Es gibt noch weitere Forschungskonzepte, die in dieser Hinsicht in Deutschland verfolgt werden. In einem Zementwerk im baden-württembergischen Mergelstetten entwickelt ein Industriekonsortium ein Verfahren, um CO2 effektiv aus dem Abgas abzutrennen und daraus E-Kerosin zu machen. In einem Verbundprojekt der TU München wollen Forscher die Herstellung von Biokraftstoffen mit E-Fuels kombinieren, um aus organischen Reststoffen wie Klärschlamm oder Grünschnitt flüssige Energieträger zu machen. »Deutschland ist in der Erforschung von E-Fuels vorne dran«, sagt Dittmeyer. Mittlerweile interessierten sich ebenso andere Länder dafür, darunter die USA, wo gute Bedingungen für erneuerbare Energien und eine gewisse Entschlossenheit zusammenkämen. »Wir müssen aufpassen, jetzt nicht abgehängt zu werden.«

Auf den Kontext kommt es an

Der KIT-Forscher ist optimistisch, dass Deutschland bereits bis 2030 mindestens 200 000 Tonnen E-Fuels jährlich erzeugen wird. Sie würden aber wahrscheinlich Flugzeugtreibstoffen hinzugefügt, um diese »grüner« zu machen. »Die gesetzlich festgelegte Beimischungsquote für nachhaltigen Flugtreibstoff ab 2030 beträgt zwei Prozent, da kann man die höheren Kosten akzeptieren«, sagt er. »Je größer aber der Anteil an E-Fuels wird, umso größer der Kostendruck.« Dittmeyer sieht die Produktion umfangreicher Mengen daher ebenfalls eher in wind- und sonnenreichen Weltregionen und hier zu Lande eventuell in kleinen, flexiblen Anlagen, die anspringen, wenn gerade zu viel erneuerbare Energie erzeugt wird. Das entlastet die Netze und liefert speicherbare Energie.

»Kosten lassen sich auch senken, indem preiswertere Katalysatoren in den Anlagen verwendet werden«, sagt Matthias Beller, Direktor des Leibniz-Instituts für Katalyse in Rostock, und nennt ein Beispiel: Um Wasserstoff mittels Elektrolyse zu gewinnen, werde noch immer extrem teures Iridium benötigt. »Tausende Forscher arbeiten weltweit daran, dafür geeigneten Ersatz zu finden.« Eine weitere Option bestehe darin, Prozessschritte zu überspringen, was je nach Verfahren »rund zehn Prozent« Energieeinsparung bringen kann. So tüftelten verschiedene Teams daran, Kohlendioxid-Moleküle direkt per Elektrolyse aufzuspalten oder das Treibhausgas unmittelbar für weitere Prozesse zu verwenden anstatt zunächst Synthesegas (CO + H2) herzustellen.

»Man sollte E-Fuels nicht losgelöst betrachten«, sagt Beller. »Gelingt es, bei deren Produktion zugleich höherwertige Chemikalien für die Industrie zu produzieren – etwa so genannte Fettalkohole –, wird das Prinzip wirtschaftlicher und es lassen sich zugleich fossile Rohstoffe in der Chemieindustrie einsparen.« Die entscheidenden Faktoren bleiben seiner Meinung nach die Kosten für den erneuerbaren Strom und die Kohlenstoffquelle. Hier ließe sich noch etwas gewinnen, wenn man vom 100-Prozent-Ziel der Erneuerbaren abrückte. Der Forscher denkt an Reservekraftwerke, etwa betrieben mit Hausmüll. »Sie können relativ preiswert Stromlücken schließen und zugleich CO2 liefern.«

Über längere Zeiträume gedacht, kann sich freilich noch viel tun. Effizienzsteigerungen bei den Erneuerbaren oder klimafreundlich erzeugter Strom aus Fusions- oder fortschrittlichen Kernkraftwerken könnten den Wasserstoff billiger machen. Womöglich braucht es dazu irgendwann gar keinen Strom mehr. Sofern die Forschung zur Fotokatalyse vorankommt und das Gas einfach mittels Sonnenlicht bei Raumtemperatur aus Wasser gewonnen wird. Doch das ist bisher nicht mehr als eine Zukunftsvision. Bis dahin bleiben E-Fuels teure, aber für manche Anwendungen durchaus attraktive Nachfolger der fossilen Treibstoffe.

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