EarthCARE: Neuer Erdbeobachtungssatellit soll Atmosphäre scannen
Unser Wissen über die Erdatmosphäre ist lückenhaft. Wie wechselwirkt die Sonne mit den verschiedenen Schichten dieser schützenden Hülle? Wie verändert sich die Zusammensetzung der Atmosphäre zeitlich? Welche Auswirkungen haben Aerosole und Wolken auf die Strahlungsintensität? Eine neue Satellitenmission der Europäischen Weltraumorganisation ESA und der japanischen Raumfahrtagentur JAXA will solchen Fragen auf den Grund gehen und das Verständnis von Klima- und Wetterphänomenen maßgeblich verbessern. Der Start des neuen Erdbeobachtungssatelliten EarthCARE ist für den 29. Mai 2024 um 0.20 Uhr MESZ geplant.
Obwohl bekannt ist, dass Wolken eine äußerst wichtige Rolle bei der Erwärmung und Abkühlung der Atmosphäre spielen, sind sie nach wie vor eine der größten Unsicherheiten in unserem Verständnis, wie die Atmosphäre das Klimasystem antreibt. Der Einfluss von Wolken ist nicht nur viel stärker als der von Treibhausgasen wie Kohlendioxid, sondern auf Grund ihrer komplizierten Struktur auch viel komplexer. Außerdem hängt der Lebenszyklus von Wolken von der Temperatur, der Feuchtigkeit und der Dynamik der Atmosphäre ab.
Mit der EarthCARE-Mission soll erstmals ein 3-D-Modell der Atmosphäre im gesamten Höhenprofil erstellt werden, um bessere Klimamodelle und Wettervorhersagen entwickeln zu können. »Das hat sonst keiner«, sagt Nicolaus Hanowski von der ESA-Direktion für Erd- und Umweltbeobachtung in Frascati bei Rom. »EarthCARE ist einer der aufwändigsten Erdbeobachtungssatelliten, die wir weltweit haben.« Ziel sei es, physikalische und chemische Eigenschaften der Atmosphäre zu erfassen, zu ermitteln, wie sie sich zeitlich verändert, und schließlich die dynamische Bewegung der Atmosphäre zu verstehen. Das könne man zwar auch mit einem Wetterballon machen, jedoch bekomme man damit nur ein punktuelles Bild, quasi eine Säule. »Wir machen die Säule dreidimensional, indem wir die komplette Erdoberfläche untersuchen«, sagt der ESA-Spezialist über die bislang gut 500 Millionen Euro teure Mission.
Bessere Wettervorhersagen
Wenn seine Solarpanele ausgeklappt sind, ist der Orbiter rund 17 Meter lang, 2,5 Meter breit und 3,5 Meter hoch. Die vier Instrumente an Bord von EarthCARE (Earth Cloud Aeorosol and Radiation Explorer) bieten einen ganzheitlichen Blick auf das Zusammenspiel von Wolken, Aerosolen und Strahlung. Das Wolkenprofilradar des Satelliten liefert Informationen über die vertikale Struktur und die interne Dynamik von Wolken, das Atmosphären-Lidar-Gerät liefert Informationen über die Wolkenobergrenze und Profile von dünnen Wolken und Aerosolen, der Multispektralbildgeber bietet einen umfassenden Überblick über die Szene in mehreren Wellenlängen und das Breitbandradiometer misst die reflektierte Sonnenstrahlung und die ausgehende Infrarotstrahlung. Die Tatsache, dass diese verschiedenen Messungen alle gleichzeitig durchgeführt werden, ermöglicht es den Wissenschaftlern, die Strahlungsbilanz der Erde besser zu verstehen.
»Die Daten, die da gesammelt werden, werden von verschiedenen Organisationen genutzt, um Wettervorhersagen konkret zu optimieren«, sagt Nicolaus Hanowski. So könnten voraussichtlich auch Unwetter wie die Flutkatastrophe 2021 im Kreis Ahrweiler besser vorhergesagt werden. Kurzfristige Warnungen vor derartigen Ereignissen seien indes auch mit den neuen Daten nicht möglich. Es gehe darum, die Vorhersagen zu verbessern, und dazu sei ein Verständnis für die Dynamik von Wolken, Tiefdruckgebieten und der Atmosphäre nötig. »Wir wissen zu wenig über die Wechselwirkung zwischen Sonneneinstrahlung und den verschiedenen Schichten der Atmosphäre.« Mit aus den Daten gewonnenen Klimamodellen könnten vielleicht auch drohende Dürren prognostiziert werden.
Bis zum Start an Bord einer Falcon-9-Rakete des US-Raumfahrtkonzerns SpaceX im kalifornischen Vandenberg bereitet sich der Leiter des ESA-Kontrollzentrums in Darmstadt, Simon Plum, mit seinen Teams auf diesen Moment vor. Ihm zufolge gibt es drei Schritte, die auf dem Weg dorthin klappen müssen: zum einen der Start selbst, dann die Ausrichtung der Solarpanele zur Sonne und schließlich das Herstellen der Kommunikation mit dem rund zwei Tonnen schweren Satelliten. Im Notfall müssen schnell Entscheidungen getroffen werden, damit es am Ende auch tatsächlich heißt: »We have a mission« (»Mission geglückt«). (dpa/kmh)
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