Synästhesie: Echtes Mitgefühl
Viele Menschen zucken innerlich zusammen, schlägt sich vor ihren Augen ein Kind den Ellbogen auf: Beim einen mehr, beim anderen weniger Mitgefühl steckt in jedem von uns. Manche jedoch leiden so intensiv mit, als wären sie selbst gestolpert - und bieten damit interessante Einblicke in die Welt unserer Gefühle.
Vor Jahren sah ich in einem Open-Air-Kino den Film "König der Fischer". Robin Williams brillierte in Monthy-Python-typischen skurrilen Szenen, das Publikum um mich herum lachte begeistert. Für mich völlig unbegreiflich: Das Leid, der Schmerz des dargestellten Landstreichers Parry hatten mir den Hals zugeschnürt, und ich kämpfte eher mit Tränen des Mitgefühls als des Vergnügens. "Es ist doch nur ein Film", heißt es dann häufiger kopfschüttelnd von anderen. Mir hilft das nicht, und noch heute bekomme ich Gänsehaut, wenn ich an den Roten Ritter mit seinem feuerspeienden Pferd denke.
Dabei ist es ganz normal, dass wir selbst – mehr oder weniger stark – eine Art Schmerz empfinden, wenn wir andere beobachten, die leiden. Verschiedene neurobiologische Studien haben gezeigt, dass dabei im Gehirn des Zuschauers dieselben Regionen aktiviert werden, die sich auch bei eigenen Schmerzen regen. Diese Empathie – die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen und ihnen nachzuempfinden –, ist nun einmal fest in uns verdrahtet und sicherlich eine der Grundlagen sozialen Miteinanders.
Schmerzhaftes Mitgefühl
Für manche Menschen geht jedoch das Mitgefühl weit über ein Zusammenzucken hinaus. Das Leiden anderer kann für sie selbst zur Qual werden: weil sie den Schmerz tatsächlich am eigenen Leib spüren. Allein schon den Anblick, wie ein anderer gestreichelt wird, löst bei ihnen eine Reaktion ihres Tastsinns aus, als seien sie selbst berührt worden. Solche Kombinationen, bei denen ein Reiz immer mit der Reaktion eines anderen Sinnes verknüpft ist, fassen Wissenschaftler unter dem Begriff Synästhesie zusammen – wenn also bestimmte Worte oder Zahlen beispielsweise unauslöschlich mit genau zugeordneten Farben oder auch Geschmäckern verknüpft sind. Oder eben Gesehenes mit körperlich tatsächlich Gefühltem.
Zehn solcher Probanden konnten Michael Banissy und Jamie Ward vom University College London nun auffinden. Drei von ihnen empfanden eine körperliche Berührung sogar dann, wenn sie das Betasten eines Objektes verfolgten. Im Falle eines menschlichen Gegenübers gab es zwei unterschiedliche Reaktionen: Das durch Synästhesie ausgelöste Empfinden einer Berührung war deckungsgleich mit der beobachteten Stelle – also beispielsweise beide Male die rechte Hand – oder spiegelverkehrt.
Verräterische Fehler
Diese Teilnehmer setzten die Forscher vor einen Monitor, auf dem ein Gegenüber an einer Wange oder an einem Handrücken berührt wurde. Gleichzeitig wurden die Probanden selbst dort oder auf der gegenüber liegenden Seite gestupst. Als die Synästhetiker anschließend sagen sollten, wo sie die Berührung gespürt hatten, machten sie im Vergleich zu Kontrollpersonen weit mehr Fehler – womit sie zunächst einmal bestätigten, dass die betrachtete Berührung bei ihnen selbst tatsächlich eine Reaktion des Tastsinns hervorgerufen hatte. So beschrieben sie häufiger, sie hätten auf beiden Wangen einen Kontakt gespürt, obwohl sie nur auf der rechten Seite angetippt worden waren – aber das Gegenüber auf dem Bildschirm auf der linken. Stimmten beobachteter und durch Synästhesie angesprochener Berührungspunkt überein, konnten diese Testteilnehmer den Ort weitaus schneller angeben als die Kontrollprobanden.
Doch wie weit erstreckt sich dieses verstärkte Mitgefühl? Einem Test zur emotionalen Intelligenz zufolge reagieren Berührungs-Synästhetiker schlicht viel gefühlsbetonter als andere Synästhetiker oder die Kontrollpersonen. Je stärker sie synästhetisch ausgelöste Berührungen als tatsächlich erfahrene Kontakte empfanden – je mehr Fehler sie also in den vorherigen Experimenten gemacht hatten –, desto höher schnitten sie auf der Skala emotionaler Reaktionen ab. Sie zeigten jedoch keine Unterschiede im kognitiven Erfassen des Gemütszustandes eines Gegenübers und den sozialen Fähigkeiten, den anderen beiden sonst angeführten Standbeinen der emotionalen Intelligenz. In einer früheren Einzeluntersuchung hatten die Forscher zudem in einem Einzelfall beobachtet, dass Berührungs-Synästhesie mit einer Hyperaktivität in jenen Hirnregionen einhergeht, die sich beim Beobachten der Berührung anderer auch bei Kontrollpersonen rührt, wenn auch deutlich schwächer.
Aufmerksamer für die Gefühle anderer
"Es ist schon sehr ungewöhnlich, dass manche Menschen eine Berührung am eigenen Körper spüren, obwohl sie nur sehen, wie jemand anders gestreichelt oder geschlagen wird. Doch könnte dies schlicht ein übersteigerter Hirnmechanismus sein, den wir alle bis zu einem gewissen Grad in uns tragen", erklärt Jamie Ward. Empathie sei den Ergebnissen zufolge auch mehr als nur eine übereinstimmend gespiegelte Reaktion, da sie offenbar aus mehreren unabhängigen Komponenten zusammengesetzt ist.
Synästhetin Jane jedenfalls ist mit ihrer besonderen Eigenschaft ganz zufrieden: "Ich denke, es macht mich aufmerksamer für die Gefühle anderer." Und sie habe noch nie verstehen können, warum sich Menschen an blutrünstigen Filmen erfreuen oder über schmerzhafte Missgeschicke anderer lachen können. Das werden allerdings auch manche bestätigen, ohne Synästhetiker zu sein.
Dabei ist es ganz normal, dass wir selbst – mehr oder weniger stark – eine Art Schmerz empfinden, wenn wir andere beobachten, die leiden. Verschiedene neurobiologische Studien haben gezeigt, dass dabei im Gehirn des Zuschauers dieselben Regionen aktiviert werden, die sich auch bei eigenen Schmerzen regen. Diese Empathie – die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen und ihnen nachzuempfinden –, ist nun einmal fest in uns verdrahtet und sicherlich eine der Grundlagen sozialen Miteinanders.
Schmerzhaftes Mitgefühl
Für manche Menschen geht jedoch das Mitgefühl weit über ein Zusammenzucken hinaus. Das Leiden anderer kann für sie selbst zur Qual werden: weil sie den Schmerz tatsächlich am eigenen Leib spüren. Allein schon den Anblick, wie ein anderer gestreichelt wird, löst bei ihnen eine Reaktion ihres Tastsinns aus, als seien sie selbst berührt worden. Solche Kombinationen, bei denen ein Reiz immer mit der Reaktion eines anderen Sinnes verknüpft ist, fassen Wissenschaftler unter dem Begriff Synästhesie zusammen – wenn also bestimmte Worte oder Zahlen beispielsweise unauslöschlich mit genau zugeordneten Farben oder auch Geschmäckern verknüpft sind. Oder eben Gesehenes mit körperlich tatsächlich Gefühltem.
Zehn solcher Probanden konnten Michael Banissy und Jamie Ward vom University College London nun auffinden. Drei von ihnen empfanden eine körperliche Berührung sogar dann, wenn sie das Betasten eines Objektes verfolgten. Im Falle eines menschlichen Gegenübers gab es zwei unterschiedliche Reaktionen: Das durch Synästhesie ausgelöste Empfinden einer Berührung war deckungsgleich mit der beobachteten Stelle – also beispielsweise beide Male die rechte Hand – oder spiegelverkehrt.
Verräterische Fehler
Diese Teilnehmer setzten die Forscher vor einen Monitor, auf dem ein Gegenüber an einer Wange oder an einem Handrücken berührt wurde. Gleichzeitig wurden die Probanden selbst dort oder auf der gegenüber liegenden Seite gestupst. Als die Synästhetiker anschließend sagen sollten, wo sie die Berührung gespürt hatten, machten sie im Vergleich zu Kontrollpersonen weit mehr Fehler – womit sie zunächst einmal bestätigten, dass die betrachtete Berührung bei ihnen selbst tatsächlich eine Reaktion des Tastsinns hervorgerufen hatte. So beschrieben sie häufiger, sie hätten auf beiden Wangen einen Kontakt gespürt, obwohl sie nur auf der rechten Seite angetippt worden waren – aber das Gegenüber auf dem Bildschirm auf der linken. Stimmten beobachteter und durch Synästhesie angesprochener Berührungspunkt überein, konnten diese Testteilnehmer den Ort weitaus schneller angeben als die Kontrollprobanden.
Doch wie weit erstreckt sich dieses verstärkte Mitgefühl? Einem Test zur emotionalen Intelligenz zufolge reagieren Berührungs-Synästhetiker schlicht viel gefühlsbetonter als andere Synästhetiker oder die Kontrollpersonen. Je stärker sie synästhetisch ausgelöste Berührungen als tatsächlich erfahrene Kontakte empfanden – je mehr Fehler sie also in den vorherigen Experimenten gemacht hatten –, desto höher schnitten sie auf der Skala emotionaler Reaktionen ab. Sie zeigten jedoch keine Unterschiede im kognitiven Erfassen des Gemütszustandes eines Gegenübers und den sozialen Fähigkeiten, den anderen beiden sonst angeführten Standbeinen der emotionalen Intelligenz. In einer früheren Einzeluntersuchung hatten die Forscher zudem in einem Einzelfall beobachtet, dass Berührungs-Synästhesie mit einer Hyperaktivität in jenen Hirnregionen einhergeht, die sich beim Beobachten der Berührung anderer auch bei Kontrollpersonen rührt, wenn auch deutlich schwächer.
Aufmerksamer für die Gefühle anderer
"Es ist schon sehr ungewöhnlich, dass manche Menschen eine Berührung am eigenen Körper spüren, obwohl sie nur sehen, wie jemand anders gestreichelt oder geschlagen wird. Doch könnte dies schlicht ein übersteigerter Hirnmechanismus sein, den wir alle bis zu einem gewissen Grad in uns tragen", erklärt Jamie Ward. Empathie sei den Ergebnissen zufolge auch mehr als nur eine übereinstimmend gespiegelte Reaktion, da sie offenbar aus mehreren unabhängigen Komponenten zusammengesetzt ist.
Synästhetin Jane jedenfalls ist mit ihrer besonderen Eigenschaft ganz zufrieden: "Ich denke, es macht mich aufmerksamer für die Gefühle anderer." Und sie habe noch nie verstehen können, warum sich Menschen an blutrünstigen Filmen erfreuen oder über schmerzhafte Missgeschicke anderer lachen können. Das werden allerdings auch manche bestätigen, ohne Synästhetiker zu sein.
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