Werk eines »Verrückten«: Edvard Munch versteckte Botschaft in seinem »Schrei«
»Kan kun være malet af en gal Mand!«, schrieb der norwegische Maler auf sein berühmtestes Gemälde »Der Schrei«: »Kann nur von einem Verrückten gemalt worden sein!« Dass Munch höchstpersönlich diese Notiz anbrachte, bestätigen nun Infrarotaufnahmen am Norwegischen Nationalmuseum in Oslo.
Die Inschrift sei schon immer auch für das bloße Auge sichtbar gewesen, meint die zuständige Kuratorin Mai Britt Guleng, allerdings halfen die Infrarotaufnahmen nun, den Schriftzug deutlicher von seinem Hintergrund abzusetzen. Der Vergleich mit der Handschrift des Künstlers habe dann eindeutig die Urheberschaft Munchs bewiesen, erklärt sie in einer Pressemitteilung.
Erstmals war der Schriftzug im Jahr 1904 aufgefallen, elf Jahre nach der Entstehung des Bildes. Damals wurde das Kunstwerk in Kopenhagen ausgestellt. Kritiker nahmen an, ein empörter Betrachter habe das Gemälde verunziert.
Tatsächlich provozierte das expressionistische Werk von Anfang an Diskussionen, bei denen sogar im Beisein Munchs dessen Geisteszustand offen thematisiert wurde. Guleng zitiert den Kunstkritiker und Museumsdirektor Henrik Grosch, der Anfang des 20. Jahrhunderts schrieb, man könne Munch angesichts dieses Bildes »nicht mehr als vernünftige Person mit normalem Hirn betrachten«. Das sei eine verbreitete Meinung gewesen.
Tagebuchaufzeichnungen und Briefe Munchs würden belegen, dass der Künstler unter dieser Zuschreibung gelitten habe. »Munch war auch ganz allgemein wegen Erbkrankheiten besorgt. Sowohl sein Großvater als auch sein Vater litten unter Melancholie, wie man das damals nannte«, sagt Guleng. Auch Munchs Schwester Laura sei zeitweise in der Psychiatrie behandelt worden.
Der »Schrei« wurde erstmals im Oktober 1895 in einer privaten Kunstgalerie in Christiana, dem heutigen Oslo, ausgestellt. Die Notiz auf dem »Schrei« entstand womöglich direkt im Anschluss an die Veranstaltung eines Studentenklubs, bei der die Teilnehmer über das Bild und Munchs geistige Verfassung debattierten. »Die Inschrift kann man als ironischen Kommentar, aber auch als Ausdruck der Verwundbarkeit des Künstlers verstehen«, sagt Guleng. Von dem »Schrei« gibt es insgesamt vier Versionen, nur eine davon enthält den Satz.
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