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Hirnforschung: Effizienter verwesentlichen

In unseren optischen Kurzzeitspeicher passt erbärmlich wenig - drei bis vier Dinge gleichzeitig kann er sich höchstens merken. Schadet gar nichts - wenn es immer die richtigen vier sind, wird Kompliziertes umso schneller übersichtlich.
Die Maxime unseres Kurzzeitspeicher im Kopf ist simpel: Entscheidend ist nicht, immer alles mitzubekommen, sondern besser alles Unwichtige gar nicht. Also passiert sämtliches Gesehene im hinteren Bereich unseres Kopfes zunächst einen sehr engen neuronalen Flaschenhals, bevor es in unser Bewusstsein dringen kann. Dabei scheidet sich – nach Maßgabe von zuvor justierten Filtern – Wichtiges und Unwichtiges; nur Ersterem ist dann der Zutritt zu den höheren Regionen des Geistes erlaubt.

Wie eng der Flaschenhals wirklich ist, konnten vor gut eineinhalb Jahren unter anderem Forscher um Edward Vogel und Maro Machizawa von der Universität von Oregon ausloten. Sollen wir uns gesehene Objekte kurzfristig merken, so die Erkenntnis, dann gelingt uns dies bei dreien oder vieren – fünf Gegenstände auf einmal überblickt niemand schnell auf Dauer. Verantwortlich dafür ist ein kleines Areal im Scheitellappen: Hier hinein – in den mit der Verarbeitung räumlicher Wahrnehmung betrauten posterioren Parietalkortex – gelangen noch alle optischen Informationen, heraus aber kommen nur strikt begrenzte Informationsbits.

Kurzzeitgedächtnis | Das visuelle Kurzzeitgedächtnis sitzt im posterioren Parietalcortex des Scheitellappens.
Und hier, so folgerten Hirnforscher, liegt auch das Bandbreitenproblem, das die visuellen Verarbeitungsfähigkeit von Homo sapiens beschränkt. Merkwürdig nur, das diese Beschränkung bei allen Menschen – vom veritablen Gedächtniskünstler bis zum chronisch vertrottelten Alles-Vergesser – nahezu identisch fest verdrahtet zu sein scheint. Woran macht sich dann überhaupt noch die Leistungsfähigkeit von Menschen mit besser arbeitendem visuellem Kurzzeitspeicher fest?

Personen mit besserer Merkfähigkeit, die schneller memorierte Dinge auch effizienter wieder aufrufen und verknüpfen können, schälten sich auch aus dem Teilnehmerfeld von Vogels neuester Studien heraus. In diesem Experiment wollten die Forscher herausfinden, welche Mechanismen das visuelle Kurzzeitgedächtnis der Leistungsfähigen schärft.

Im Versuch maßen die Wissenschaftler die Hirnströme von Probanden, während sich diese auf Muster von blauen und roten Rechtecken konzentrierten. Die Versuchspersonen sollten sich die kurz aufleuchtenden Rechteck-Arrangements einprägen und knapp eine Sekunde später entscheiden, ob die Lage der rotgefärbten Rechtecke des eingeprägten Musters mit der in einem zweiten gezeigten Muster identisch war. Schnell wurde allen Probanden während dieses Tests klar, dass es auf die blauen Rechtecke in den Mustern überhaupt nicht ankommt – wer diese ausblenden konnte, tat sich bei der abschließenden Musterbeurteilung leichter.

Im Experiment verrät das EEG Gedächtnisstarke und -schwache | Im Gedächtnisstest sollten sich die Teilnehmer auf rote Rechtecke konzentrieren und blaue ausblenden. Gelang ihnen das gut, dann erkannten sie ein später präsentiertes, identisches Muster auch effizienter. Starke Kandidaten merkten sich tatsächlich nur die relevanten, schwächere dagegen teilweise auch die irrelvanten blauen Rechtecke, wie an den ereigniskorrelierten Potenzialen zu erkennen war.
Genau dies aber gelang längst nicht jedem der Teilnehmern gleich gut, fanden Vogel und Co. Sie schließen dies aus der Auswertung der so genannten ereigniskorrelierten Potenziale im Elektroencephalogramm (EEG): Diese grob im Kurzzeitgedächtnis lokalisierbaren Spannungsänderungen flackern immer dann auf, wenn ein Muster beim Wiedererkennungsversuch aus dem Kurzzeitspeicher gekramt wird. Dabei war bei allen Personen der Ausschlag umso höher, je mehr sie sich anstrengen mussten, also je mehr Objekte sie gleichzeitig zu erinnern versuchten. Bei hochkomplexen Mustern erreichen die Potenzialhöhen schließlich stets eine Sättigung – ab diesem Punkt, an dem der Speicher überfüllt war, ist an ein Wiedererkennen der Muster nicht mehr zu denken.

Spannendes ergab sich für die Forscher nun aus dem Vergleich von Personen, denen die Aufgaben leicht fielen und solchen, die sich beim Erkennen schwer taten. Letztere zeigten schon bei relativ wenig komplexen Mustern mit wenigen Rechtecken relativ starke Ausschläge der ereigniskorellierten Potenziale – und erreichten damit den Sättigungswert und das Leistungslimit ihres visuellen Kurzzeitgedächtnisses recht früh.

Dies lag allerdings nicht an einer generell schlechteren Merkfähigkeit, lesen die Forscher aus den Kurven. Vielmehr belegten die Kurzzeitgedächtnis-Schwachen beim Merken von "zwei roten" und "zwei blauen" Rechtecken etwa genauso viel Speicherplatz, wie beim Memorieren von "vier Rechtecken". Viel effizienter lösten dies die Gedächtniskünstler unter den Teilnehmern. Wie an ihren weniger stark an den Grenzschwellenwert heranragenden Potenzialen zu erkennen ist, merkten sie sich in derselben Situation nur halb soviel – nämlich die beiden relevanten roten Rechtecke – und übersahen schlicht die unwichtigen blauen Objekte.

Die Leistung unseres visuellen Kurzzeitgedächtnisses hängt also zunächst einmal nicht von seiner Größe oder Kapazität ab, schlussfolgert Vogels Team – vielmehr ist entscheidend, wie effizient unwichtige Informationen ausgeblendet werden können, bevor sie überhaupt wertvolle Bereiche des raren Arbeitsspeicher belegen. Irgendwie auch ein beruhigendes Ergebnis für alle, die sich in die Gruppe der Allesvergesser einreihen müssen: Ausblenden zu trainieren dürfte leichter sein, als sich einen neuen Speicherriegel einzubauen. Auf also zum nächsten Memoryspiel!

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