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Aktuelles Stichwort: EHEC: Wie behandelt man das hämolytisch-urämische Syndrom (HUS)?

Etwa einer von zehn mit EHEC infizierten Patienten entwickelt das hämolytisch-urämische Syndrom (HUS). Diese schwere Erkrankung schädigt Nieren und andere Organe.
Darmbakterium Escherichia coli
Seit den frühen 1980er Jahren ist die Verbindung zwischen shigatoxinproduzierenden Escherichia coli und dem hämolytisch-urämischen Syndrom bekannt. In etwas über der Hälfte dieser Fälle ist der Serotyp O157:H7 (O bezeichnet die Klasse der Lipopolysaccharide in der äußeren Zellmembran, H den Typ der Flagellen) für HUS verantwortlich. Den Rest machen andere Serotypen aus, zu denen auch der jetzt grassierende EHEC O104:H4 zählt.

Wenn sich eine Person mit EHEC infiziert hat, ist es je nach Serotyp unterschiedlich wahrscheinlich, dass sich daraus ein HUS entwickelt, im Fall des klassischen O157:H7 geschieht das in etwa 15 Prozent der Fälle. Laut entsprechender Studien ist die Wahrscheinlichkeit bei anderen Serotypen geringer, im Fall des EHEC O104:H4 wohl unter zehn Prozent.

Ob es sinnvoll ist, den Erreger EHEC mit Antibiotika zu bekämpfen, diskutieren Mediziner seit Jahren kontrovers. Das Bakterium selbst ist gegen eine ganze Reihe gängiger Antibiotika resistent, und Studien zeigten vor Jahren, dass nicht-tödliche Antibiotikadosen den Erreger stimulieren, mehr Shigatoxine abzugeben. Daten eines Ausbruchs in Japan 1996 legen nahe, dass Antibiotika HUS unter bestimmten Umständen verhindern können, neuere Untersuchungen aus den USA ergaben jedoch das Gegenteil. Dagegen gilt als belegt, dass Pharmazeutika gegen Durchfall, die die Darmbewegung einschränken, das Risiko von HUS deutlich erhöhen. Deswegen rät auch die neu erschienene Behandlungsleitlinie der DEGAM (pdf) dringend davon ab, bei EHEC-bedingtem Durchfall diese Medikamente (z.B. Loperamid) einzunehmen.

Gekaperte Darmzellen | Diese Aufnahme zeigt sehr schön, wie fest sich die EHEC-Bakterien (rot) an die Darmzellen binden und nach unten regelrechte "Säulenstrukturen" ausbilden, die so genannten Pedestals (grün). Darauf können sich die Bakterien dann auch auf der Oberfläche der Zelle bewegen. Das von den EHEC produzierte Gift gerät zudem sehr direkt und schnell mit den Darmzellen in Kontakt und schädigt diese, was zu den massiven Durchfällen bei Erkrankten führt.
Das HUS selbst ist durch eine Triade von Symptomen gekennzeichnet, die mit geeigneten Maßnahmen separat bekämpft werden können. Das gravierndste Symptom von HUS ist das akute Nierenversagen, ausgelöst von den Shigatoxinen, die die Endothelzellen der Nierengefäße absterben lassen: Die Ausscheidung von Stoffen wie Wasser und Kreatinin geht drastisch zurück, und in zwei Dritteln aller Fälle müssen die Patienten zeitweilig an die Dialyse. Dabei fließt das Blut über eine halbdurchlässige Membran und gibt Wasser und niedermolekulare Substanzen ab. Mit diesem Verfahren lässt sich die ausgefallene Nierenfunktion vorübergehend ersetzen. Zusätzlich zur Dialyse reguliert man den Elektrolyt- und Flüssigkeitshaushalt sowie den Blutdruck, die ebenfalls von der Niere kontrolliert werden. Seit effektive Dialyseverfahren weithin verfügbar sind, hat sich die Langzeitprognose für HUS-Patienten deutlich verbessert.

Neben den Nierengefäßen nehmen bei HUS auch Blutzellen Schaden. Deswegen kontrollieren Ärzte regelmäßig den Hämoglobin- und Hämatokritwert – Blutarmut, ausgelöst durch Zerstörung der roten Blutkörperchen, ist ein typisches Symptom von HUS und schwächt den Körper weiter. Fällt der Hämoglobinwert unter eine gewisse Schwelle, kann eine Transfusion roter Blutkörperchen notwendig werden. Wenn übermäßig viel des roten Blutfarbstoffs Hämoglobin abgebaut wird, kann der Metabolit Bilirubin eine vorübergehende Gelbsucht auslösen. Auch der Abbau der Blutplättchen kann bei HUS drastische Ausmaße annehmen; von einer Transfusion dieser Zellen sieht man jedoch meistens ab, es sei denn eine Operation oder eine blutende Verletzung machen es erforderlich, dass die Blutgerinnung einwandfrei funktioniert.

Shigatoxine greifen einerseits direkt bestimmte Zelltypen an, wie die Endothelzellen der Blutgefäße, daneben jedoch aktivieren sie das körpereigene Komplementsystem, eine Kombination mehrerer Plasmaproteine, die Krankheitserreger bekämpfen. Im Verlauf einer schweren HUS wird außerdem das Komplementsystem überaktiviert – es beginnt die Endothelzellen der Blutgefäße und andere Gewebe anzugreifen. Dieser Mechanismus ist besonders bei den schwersten Verläufen von HUS beteiligt, zum Beispiel wenn das Zentralnervensystem angegriffen wird.

Der Angriff auf das Zentralnervensystem äußert sich in Lethargie und Reizbarkeit, in schwereren Fällen auch durch Lähmungserscheinungen, Koma und Hirnödeme. Etwa drei bis fünf Prozent aller HUS-Patienten sterben an dem Syndrom, und in fast allen Fällen daran, dass die Krankheit das Zentralnervensystem betrifft. In solchen Fällen, insbesondere wenn die Erkrankung lebensbedrohliche Ausmaße annimmt, tauscht man gelegentlich das mit Shigatoxinen und Proteinen des Komplementsystems beladene Blutplasma gegen Spenderplasma aus, um den Organismus zu entlasten.

Forschungen an atypischem HUS, das nicht mit EHEC zusammenhängt, haben in der Vergangenheit gezeigt, dass der monoklonale Antikörper Eculizumab, der sich gegen das Komplementsystem richtet, die Schäden durch die Erkrankung deutlich reduzieren kann. Da das Komplementsystem auch bei EHEC-induzierter HUS beteiligt ist, scheint sich hier eine neue Therapiemöglichkeit insbesondere für sehr schwere Krankheitsfälle aufzutun: Ärzte berichteten am 25. Mai von drei Fällen, in denen Ärzte mit Eculizumab drei Patienten retten konnten, die auf gängige Therapieverfahren nicht ansprachen. Ob diese Möglichkeit hält, was sie verspricht, ist jedoch noch völlig unklar.
  • Quellen
Scheiring, J. et al.: Treatment and Outcome of Shiga-toxin-associated hemolytic-uremic syndrome (HUS), Pediatr. Nephrol. 23, S. 1749 – 1760, 2008.

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