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Eiernde Neutronensterne: Wenn der Pulsar austickt

Pulsare rotieren präzise und schneller als ein Hubschrauberrotor. Doch hin und wieder kommt es zum »Glitch«. Die Aussetzer erlauben den Blick ins Innere der exotischen Objekte.
Künstlerische Darstellung eines Pulsars

Pulsare sind so etwas wie die kosmischen Taktgeber. Diese extrem dichten und kompakten Sternleichen rotieren mit einer unglaublichen Genauigkeit, mitunter vergleichbar mit der Präzision von Atomuhren. Pulsare entstehen als Überreste schwerer Sterne, wenn diese ihren Treibstoff aufgebraucht haben und in einer Supernova explodieren. Der Zentralbereich des ausgebrannten Sterns kollabiert zu einem Neutronenstern, dessen Inneres dann nicht mehr aus normalen Atomen, sondern aus Kernmaterie besteht. Die äußeren Hüllen des Vorgängersterns werden bei der Supernova ins All gesprengt.

Da sich beim Kollaps großer Sterne die innere Materie mitsamt der in solchen Sternen befindlichen Magnetfelder auf ein winziges Volumen zusammenzieht, erreichen Dichte, Temperatur, Rotationsgeschwindigkeit und Magnetfeldstärke zumeist Extremwerte. Man kann den Effekt mit Hilfe eines Eisläufers veranschaulichen, der bei einer Pirouette die Arme an den Körper zieht und dadurch seine Rotation beschleunigt – nur dass sich bei einem Neutronenstern mehr als die Masse unserer Sonne in einer Kugel von gerade einmal 20 Kilometer Durchmesser konzentriert.

Die extremen Eigenschaften dieser Sterne machen sie auch für die Grundlagenforschung interessant, denn sie ermöglichen die Beobachtung von Phänomenen, die kein Teilchenbeschleuniger der Welt nachstellen könnte. Was im Innern der Sternleichen vorgeht, lässt sich anhand einiger verräterischer Spuren erschließen. Besonders dafür geeignet sind Pulsare: Neutronensterne, die sehr regelmäßige Radiopulse abstrahlen. Bei ihrer Rotation senden sie wie ein Leuchtturm einen Kegel aus Radiowellen ins All. Überstreicht dieser Kegel die Erde, können Forscher ihn genau vermessen.

Mit einem Abstand von nur etwa 1000 Lichtjahren ist einer der uns am nächsten liegenden Pulsare der Vela-Pulsar im Sternbild des Schiffs. Er ist recht jung und deshalb noch sehr aktiv, weshalb er sich hervorragend als Studienobjekt eignet. Der Vela-Pulsar rotiert rund elfmal pro Sekunde um die eigene Achse – das ist trotz seiner 20 Kilometer Durchmesser deutlich schneller als der Rotor eines Hubschraubers.

© NASA's Chandra X-ray Observatory / Vela Pulsar Jet
Der Vela-Pulsar im Röntgenbereich
Dem Chandra-Röntgenobservatorium gelang diese Aufnahme des Vela-Pulsars, bei der zusätzlich die Radiowellen – und damit die Rotation des Sterns – hörbar gemacht wurden. Der 20 Kilometer große Neutronenstern dreht sich in der Minute 660-mal um die eigenen Achse. Die weißliche Wolke um den eigentlichen Stern im Innern besteht aus den bei der Supernova abgestoßenen äußeren Schichten des Vorgängersterns. Schräg nach rechts oben verlaufend sind Gasstrahlen, so genannte Jets, erkennbar.

Nun rotiert auch der Vela-Pulsar an und für sich mit einer enormen Präzision. Hin und wieder zeigt er aber ein überraschendes Verhalten: Er scheint rasch Schwung aufzunehmen und einen Tick schneller zu werden. Dann bremst er langsam wieder ab. Physiker sprechen hier von »Glitches«. Der Vela-Pulsar hat in den letzten 45 Jahren ganze 19-mal seine Rotation beschleunigt.

Auf den ersten Blick ist dieses Verhalten verwunderlich, denn nach den Gesetzen der Energie- und Impulserhaltung dürfte ein Pulsar höchstens Energie verlieren und seine Rotation verlangsamen. Beispielsweise bremst das Aussenden der starken Radiopulse den Vela-Pulsar um rund zehn milliardstel Sekunden pro Tag. Doch wie kann es zu einer Beschleunigung kommen? Der Zuwachs in der Drehgeschwindigkeit ist in absoluten Zahlen nicht sehr hoch, auf die Erde umgerechnet entspräche er einem um eine Zehntelsekunde verkürzten Tag. Aber bei den extrem exakt rotierenden Pulsaren ist der Effekt dennoch überraschend stark.

Physiker sind sich darin einig, dass Pulsare, um ihre Rotation beschleunigen zu können, ein inneres Reservoir an Rotationsenergie besitzen müssen. Und obwohl sich das Innere von Neutronensternen nicht direkt beobachten lässt, konnten sie mit kernphysikalischen Modellen bereits ein solches Reservoir ausmachen, weit unterhalb der Oberfläche der Sternleiche.

Ultradichte Neutronenflüssigkeit wirkt wie ein Schwungrad

Nach vorherrschender Meinung zeigen Neutronensterne einen zwiebelschalenartigen Aufbau, wobei am ehesten über die Zusammensetzung der oberen Schichten Einigkeit herrscht. Die äußere Kruste besteht aus normaler Materie, die sehr dicht in Kristallform gepackt ist. Weiter unten bestimmen zunehmend Neutronen das Bild. Wie es im Kern von Neutronensternen aussieht, ist noch völlig unklar. Nach einigen Modellen könnte sich dort sogar ein so genanntes Quark-Gluon-Plasma befinden, wie es auch kurz nach dem Urknall vorlag.

Die Neutronen im mittleren Bereich sind zwar extrem dicht gepackt – ein Teelöffel aus Neutronensternmaterie wiegt mehr als der Mount Everest –, doch besitzen die Neutronen dort die Eigenschaft einer Supraflüssigkeit. Sie können also praktisch widerstandsfrei fließen und dabei stabile Wirbel ausbilden.

Das liefert eine interessante Erklärung für die Glitches, wie sie auch beim Vela-Pulsar zu beobachten sind. Denn wenn die Rotationsgeschwindigkeit des Pulsars auf Grund der Energieabstrahlung durch die Radiopulse langsam abnimmt, dann können im Innern die suprafluiden Neutronen mit ihren stabilen Wirbeln die Rotationsenergie wie ein Schwungrad speichern. Erst wenn die äußere Kruste merklich langsamer rotiert als die Wirbel, lösen diese sich teilweise auf und übertragen dabei ihre Rotationsenergie auf die Kruste – so wie bei rohen Eiern, die man in Drehung versetzt und dann ganz kurz anhält.

Forscher um Wynn Ho von der University of Southampton haben dieses Modell nun weiter ausgearbeitet und an neun verschiedenen Pulsaren getestet. Es gelang ihnen, einen Zusammenhang zwischen verschiedenen Größen wie Alter, Temperatur, Masse, Radius und Rotationsgeschwindigkeit herzustellen. Damit lässt sich sogar bei Pulsaren, die als Einzelgänger im Kosmos unterwegs sind, eine Massenbestimmung durchführen. Bislang war dies nur in Doppelsternsystemen möglich, bei denen man die wechselseitige gravitative Anziehung zwischen einem Pulsar und einem Begleitstern messen konnte.

»Wir können die Masse einzelner Pulsare bestimmen, weil wir sie aus kernphysikalischen Modellen ableiten«, sagt Ho. Der Vela-Pulsar hat nach diesen Modellen die etwa anderthalbfache Masse unserer Sonne. Noch sind die systematischen Fehler bei solchen Berechnungen beträchtlich. Die Forscher erwarten aber insbesondere vom neuen Radioteleskopsystem SKA (Square Kilometer Array), das in Südafrika und Australien entsteht, große Fortschritte bei der Suche und Vermessung von Pulsaren.

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