Verhaltensforschung: Eigensinnige Karriere
Zu den großen Opernsängern gehören Zebrafinken nicht gerade. Doch auch ihre kurzen Strophen, abgekupfert vom Vater oder anderen Erwachsenen, wollen erlernt sein. Wie so oft, führen hier viele Wege zum Ziel.
Wenn Wan-chun Liu morgens sein Labor betritt, dürften ihm die Ohren zwitschern. Schließlich beherbergt er zig Familien von Zebrafinken (Taeniopygia guttata), jede für sich in einem eigenen, geräumigen Käfig – und zwar nicht als Hobby-Vogelhalter, sondern weil die kleinen, lebhaften, bunten Vögel den Wissenschaftler eines lehren sollen: Wie sie ihren Gesang erlernen.
Zunächst einmal gilt bei ihnen offenbar das Motto: Was beim Vater funktioniert hat, kann dem Sohne nur bestes Vorbild sein – also schmettern junge Zebrafinken auf Brautsuche die bewährten und in- und auswendig bekannten Strophen ihres Erzeugers. Manchmal schmücken sie ihre klangvolle Werbung auch mit Melodie-Schnipseln anderer erwachsener Tiere, die ihnen in ihrer Jugend ebenfalls ständig in den Ohren lagen. Denn Zebrafinken brüten in Kolonien von hunderten Tieren – mit einem entsprechenden Geräuschpegel, aber auch mit reicher zu Gehör gebrachter Vielfalt kleiner, aber feiner Differenzen.
Nur – wie wird aus Erlauschtem selbst Produziertes? Zebrafinken, die einzeln in schalldichten Käfigen mit einem technischen Vatervorbildaufgezogen werden, greifen einzelne Melodie-Sequenzen auf und wiederholen und variieren diese so lange, bis sie die Vorlage täuschend genau treffen – wie ein Kind, das ein neues Wort begeistert immer wieder nachplappert.
Liu und seinen Kollegen allerdings fehlte bei diesen Studien ein wichtiger Aspekt: das intensive Familienleben ihrer Probanden. Wenn der Vater schon als Vorbild dient, könnten dann nicht auch die Geschwister eine Rolle spielen? Oder etwas allgemeiner gefragt: Läuft der Gesangsunterricht nach einem mehr oder weniger starren Schema bei allen gleich ab, oder gehen einzelne Individuen auch eigene Wege?
Auffällig dabei aber war, dass jedes Geschwister seinen eigenen Weg wählte: Bevorzugte der ältere Bruder die Element-Wiederhol-Methode, präferierte der jüngere Sprössling das Gesamt-Motiv als Vorlage. Offenbar wollten sich die Tiere irgendwie von ihren geschwisterlichen Nestgenossen absetzen – vielleicht allein schon, um ihr eigenes Gehörtes in dem ganzen Tumult überhaupt wahrnehmen zu können. Denn so strikt wie im brüderlichen Wettbewerb sind die Vögel an sich nicht: Werden die Zöglinge nach drei Wochen – also mit Familienerfahrung und Gesangseindrücken, aber noch vor dem eigenen Gesangsstudium – wiederum in Einzelkabinen gesetzt, proben sie ihre Kunst durchaus auch in einem Mix aus Nachahmung von Einzelelementen und Gesamtwerk.
Verblüffend, wie die Ergebnisse wieder einmal an Kinder erinnern, die sprechen lernen: Auch sie nutzen ein persönliches Mischmasch aus immer wieder nachgeplapperten Begriffe und der Wiederholung ganzer Sätze, teils mit, teils ohne Pausen zwischen den Worten. Ob also nur ein Gramm Hirnmasse oder tausend – es sei doch immer wieder höchst erstaunlich, so die Forscher, wie ähnlich Prozesse bei Mensch und Zebrafink ablaufen, trotz der unterschiedlichen evolutionären Geschichte und heutigen Lebensweisen.
Zunächst einmal gilt bei ihnen offenbar das Motto: Was beim Vater funktioniert hat, kann dem Sohne nur bestes Vorbild sein – also schmettern junge Zebrafinken auf Brautsuche die bewährten und in- und auswendig bekannten Strophen ihres Erzeugers. Manchmal schmücken sie ihre klangvolle Werbung auch mit Melodie-Schnipseln anderer erwachsener Tiere, die ihnen in ihrer Jugend ebenfalls ständig in den Ohren lagen. Denn Zebrafinken brüten in Kolonien von hunderten Tieren – mit einem entsprechenden Geräuschpegel, aber auch mit reicher zu Gehör gebrachter Vielfalt kleiner, aber feiner Differenzen.
Nur – wie wird aus Erlauschtem selbst Produziertes? Zebrafinken, die einzeln in schalldichten Käfigen mit einem technischen Vatervorbildaufgezogen werden, greifen einzelne Melodie-Sequenzen auf und wiederholen und variieren diese so lange, bis sie die Vorlage täuschend genau treffen – wie ein Kind, das ein neues Wort begeistert immer wieder nachplappert.
Liu und seinen Kollegen allerdings fehlte bei diesen Studien ein wichtiger Aspekt: das intensive Familienleben ihrer Probanden. Wenn der Vater schon als Vorbild dient, könnten dann nicht auch die Geschwister eine Rolle spielen? Oder etwas allgemeiner gefragt: Läuft der Gesangsunterricht nach einem mehr oder weniger starren Schema bei allen gleich ab, oder gehen einzelne Individuen auch eigene Wege?
Daher setzte Liu auf Familienpolitik und verfolgte die gesangliche Entwicklungen der kleinen Zöglinge im trauten Umfeld. Und siehe da: Plötzlich zeigten die Meistersinger-Anwärter höchst unterschiedliche Lernmethoden. Die einen verfolgten die schon bekannte Strategie, sich ein einzelnes Element herauszupicken und dieses immer und immer wieder bis zur Perfektion zu üben und abzuwandeln. Andere jedoch schmetterten das gesamte ihnen bekannte Motiv nach, teils mit, teils ohne die enthaltenen Pausen zwischen den Elementen. Das klang am Anfang reichlich falsch und daneben, doch mit der Zeit verbesserte sich das Ergebnis. Egal, welche Methode, der Erfolg stellte sich jedenfalls bei allen nach zwei Monaten fast gleichzeitig ein – ein für Zebrafinken-Damen offenbar betörender Gesang.
Auffällig dabei aber war, dass jedes Geschwister seinen eigenen Weg wählte: Bevorzugte der ältere Bruder die Element-Wiederhol-Methode, präferierte der jüngere Sprössling das Gesamt-Motiv als Vorlage. Offenbar wollten sich die Tiere irgendwie von ihren geschwisterlichen Nestgenossen absetzen – vielleicht allein schon, um ihr eigenes Gehörtes in dem ganzen Tumult überhaupt wahrnehmen zu können. Denn so strikt wie im brüderlichen Wettbewerb sind die Vögel an sich nicht: Werden die Zöglinge nach drei Wochen – also mit Familienerfahrung und Gesangseindrücken, aber noch vor dem eigenen Gesangsstudium – wiederum in Einzelkabinen gesetzt, proben sie ihre Kunst durchaus auch in einem Mix aus Nachahmung von Einzelelementen und Gesamtwerk.
Verblüffend, wie die Ergebnisse wieder einmal an Kinder erinnern, die sprechen lernen: Auch sie nutzen ein persönliches Mischmasch aus immer wieder nachgeplapperten Begriffe und der Wiederholung ganzer Sätze, teils mit, teils ohne Pausen zwischen den Worten. Ob also nur ein Gramm Hirnmasse oder tausend – es sei doch immer wieder höchst erstaunlich, so die Forscher, wie ähnlich Prozesse bei Mensch und Zebrafink ablaufen, trotz der unterschiedlichen evolutionären Geschichte und heutigen Lebensweisen.
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