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Eileiterschwangerschaft: Zur rechten Zeit am falschen Ort

Hin und wieder wächst ein Embryo außerhalb der Gebärmutter weiter, am häufigsten im Eileiter. Wie entsteht eine Eileiterschwangerschaft? Welche Folgen hat sie für die Betroffenen?
Eine Ärztin erklärt einer Patientin Ultraschallaufnahmen
Schwangerschaften außerhalb der Gebärmutter kann man im Ultraschall sehen, aber das Ergebnis ist manchmal nicht eindeutig. Letzte Sicherheit bringt nur die Bauchspiegelung.

»Dienstagmittag bekam ich einen Anruf von meiner Gynäkologin: ›Sie essen und trinken jetzt mal nichts mehr. Ich möchte Sie für eine Bauchspiegelung ins Krankenhaus überweisen‹«, berichtet Elena Fischer*. Seit einem halben Jahr hatte sie mit ihrem damaligen Mann versucht, schwanger zu werden. Nun, im Sommer 2016, hielt ihre Periodenblutung bereits zehn Tage an. »Da dachte ich: Das ist aber ungewöhnlich lange«, erzählt Fischer.

Zwar blieb die Ultraschalluntersuchung bei ihrer Gynäkologin unauffällig, im Blut hingegen war das Schwangerschaftshormon beta-hCG erhöht. »In dem Moment sind wir von einer Fehlgeburt ausgegangen«, erinnert sich Fischer. Doch am folgenden Wochenende hatte sie erneut starke Blutungen, und auch nachdem diese stoppten, stieg das Schwangerschaftshormon weiter an. Der Verdacht der Frauenärztin: eine Eileiterschwangerschaft.

Manchmal nistet sich ein Embryo im Eileiter einer Frau ein, statt in ihrer Gebärmutter, und wächst dort weiter. Dann spricht man von einer Eileiterschwangerschaft. Sie fällt meist auf, wenn die nächste Periode ausbleibt. Einige Patientinnen berichten zusätzlich über Unterbauchschmerzen oder Schmierblutungen.

Dauerhaft kann der Embryo im Eileiter nicht überleben; das schlauchförmige Organ bietet ihm weder Platz noch Nährstoffe. Platzt der Eileiter infolge des wachsenden Embryos, wird es für die Frau lebensgefährlich. Fachleute schätzen, dass von 100 Schwangerschaften eine bis zwei außerhalb der Gebärmutter entstehen. Trotzdem ist die Eileiterschwangerschaft vielen Frauen kein Begriff – und auch Ärztinnen und Ärzte fällt es mitunter schwer, sie sofort zu erkennen.

Falsch eingenistet

Die Eileiterschwangerschaft ist die mit Abstand häufigste extrauterine Schwangerschaft. Damit sind Schwangerschaften gemeint, die außerhalb der Gebärmutter stattfinden. Fachleute sprechen auch von einer ektopen Schwangerschaft. Seltener nistet sich die befruchtete Eizelle im Eierstock oder im Gebärmutterhals, in der Bauchhöhle oder im Bereich einer Kaiserschnittnarbe ein.

Das höchste Risiko für eine Eileiterschwangerschaft haben Patientinnen nach vorausgegangenen Operationen oder längeren, unbemerkten Entzündungen im Genitalbereich. Auch eine Sterilisation kann Eileiterschwangerschaften begünstigen: Wie Forschende im Fachjournal »Fertility and Sterility« berichten, verdoppelte sich das Risiko von Frauen nach 5 bis 15 Jahren, wenn sie sich vor dem 28. Lebensjahr sterilisieren ließen.

»All das kann zu Schädigungen am Eileiter führen und damit den Transport vom Embryo in Richtung Gebärmutter behindern, so dass er sich im Eileiter einnistet«, erklärt der Gynäkologe Sebastian Häusler von der KUNO Klinik St. Hedwig in Regensburg. Der Mediziner arbeitet derzeit mit Kolleginnen und Kollegen an einer Leitlinie zur Früherkennung und Behandlung von extrauterinen Schwangerschaften, die Ende 2022 fertig gestellt werden soll.

Weitere Risikofaktoren für eine Eileiterschwangerschaft

Raucherinnen sowie Frauen mit Endometriose und wechselnden Sexualpartnern sind häufiger betroffen. Auch Kinderwunschbehandlungen, eine Sterilisation oder eine vorausgegangene Eileiterschwangerschaft können eine Einnistung des Embryos außerhalb des Uterus begünstigen. Außerdem haben Frauen ab 40 Jahren ein höheres Risiko als jüngere Frauen.

Nicht immer können Ärztinnen und Ärzte eindeutige Auslöser ausfindig machen: Bei bis zu 50 Prozent der betroffenen Frauen ist die Eileiterschwangerschaft nicht durch begünstigende Faktoren in ihrer Vorgeschichte erklärbar. Eventuell laufe bei ihnen die Einnistung auf Molekülebene schief, sagt Häusler.

Bevor der Embryo sich überhaupt in der Gebärmutter einnisten kann, muss er das Organ erst einmal erreichen. Dafür sorgt der Eileiter selbst: Seine Organwand enthält Muskelfasern, die sich rhythmisch zusammenziehen und den Embryo vom Eierstock zur Gebärmutter bewegen. Zusätzlich helfen spezialisierte Zellen mit: »Die Schleimhaut im Eileiter besitzt Zellen mit Härchen, die in Richtung Uterus schlagen. Dadurch entsteht eine Flüssigkeitsbewegung«, sagt der Mediziner Gottfried Dohr, emeritierter Professor für Embryologie an der österreichischen Universität Graz.

Manchmal ist dieser Bewegungsablauf gestört, etwa wenn der Eileiter sich entzündet und verklebt. »Dann bleibt der frühe Embryo in einer Schleimhautnische hängen und kann nicht weitertransportiert werden.« Auch Arzneien können den Embryo an seiner Weiterreise hindern, erklärt Dohr. Dazu gehöre unter anderem die »Pille danach«, ein progesteronhaltiges Verhütungsmittel. In diesem Fall nistet sich der Embryo ebenfalls manchmal im Eileiter ein. Dafür ist das Organ aber ungeeignet. »Deswegen wird ein eingenisteter Embryo dort nicht lange überleben können und Probleme machen«, sagt der Mediziner Dohr.

Hinweise im Blut

Eine Eileiterschwangerschaft wird meist zwischen der sechsten und neunten Woche diagnostiziert; andere ektope Schwangerschaften fallen teilweise später auf, weil die Frauen weiterhin menstruieren. Die Ärztinnen und Ärzte untersuchen zunächst, ob das Schwangerschaftshormon humanes Choriongonadotropin, kurz beta-hCG, im Blut der Frau erhöht ist. Steigt es nicht so stark an wie bei einer herkömmlichen Schwangerschaft, hat sich der Embryo wahrscheinlich außerhalb der Gebärmutter eingenistet. Anschließend suchen die Mediziner in einer Ultraschalluntersuchung nach dem Embryo. Nicht immer gelingt es ihnen dabei, ihn zu finden: Abhängig vom Alter des Embryos, dem Ultraschallgerät und der Erfahrung des Untersuchers ist das Ergebnis bei fünf bis zehn Prozent der Patientinnen uneindeutig.

Einen anderen Stoff im Blut, der die Diagnose eindeutig belegt, gibt es nicht. Obwohl Fachleute diverse Moleküle auf ihr Potenzial als Biomarker getestet haben, hat sich noch keines von ihnen bewährt. Zum Beispiel galt das Sexualhormon Progesteron als viel versprechender Kandidat; laut einer im Fachmagazin »British Medical Journal« erschienen Metaanalyse kann man damit jedoch nur feststellen, ob eine Schwangerschaft in einer Fehlgeburt endet. Wo sich der Embryo befindet, verrät das Hormon nicht.

»Das Problem ist aber, dass 10 bis 18 Prozent der Schwangerschaften inadäquat weiterwachsen und dann Probleme wie Blutungen und Schmerzen hervorrufen können«Sebastian Häusler, KUNO Klinik St. Hedwig

Trotzdem suchen Forschende weiterhin nach geeigneten Biomarkern. So berichtete eine Arbeitsgruppe im Journal »Fertility and Sterility« von dem Protein Calponin 2, das bei Frauen nach einer ektopen Schwangerschaft höher konzentriert war als bei Patientinnen nach einer Fehlgeburt oder einer physiologischen Schwangerschaft. Allerdings untersuchten die Fachleute zunächst nur Blut- und Gewebeproben von 84 Frauen. Weitere Studien müssen zeigen, ob die Ergebnisse in einer größeren Stichprobe wiederholbar sind und ab welchem Zeitpunkt das Eiweiß im Blut nachweisbar ist.

Ganz genau können Fachleute die extrauterine Schwangerschaft nur mit der Bauchspiegelung feststellen. Dieser operative Eingriff dient zugleich auch der Behandlung der Patientinnen. Manchmal reicht es aber, zunächst abzuwarten: Die meisten Schwangerschaften, die sich nicht richtig einnisten, würden von allein in einer Fehlgeburt enden, sagt Gynäkologe Häusler: »Das Problem ist aber, dass 10 bis 18 Prozent der Schwangerschaften inadäquat weiterwachsen und dann Probleme wie Blutungen und Schmerzen hervorrufen können.« Dann müssen Ärztinnen und Ärzte handeln.

Die Fruchtbarkeit erhalten

Noch am Abend ihrer Einweisung ins Krankenhaus wurde Elena Fischer operiert. Der Verdacht ihrer Gynäkologin bestätigte sich: Bei Fischer bestand eine Eileiterschwangerschaft, vermutlich war sie seit vier bis sechs Wochen schwanger. Der Eingriff verlief erfolgreich: Die Ärzte entfernten die embryonalen Gewebereste, ohne den betroffenen Eileiter herausnehmen zu müssen. »Nach der Operation sagte mir der Arzt: ›Das hätte man nicht später machen dürfen‹«, erinnert sie sich.

Die meisten betroffenen Frauen werden operiert. Währenddessen versuchen die Ärztinnen und Ärzte, den Embryo zu entfernen, ohne den bereits vorgeschädigten Eileiter weiter zu verletzen. »Je mehr ich am Eileiter operiere, desto höher ist das Risiko für Folgeschäden und für eine erneute Eileiterschwangerschaft«, erklärt Häusler. Das ist bei 10 bis 25 Prozent der Betroffenen der Fall.

Gerade in der Reproduktionsmedizin werde aber auch die Ansicht vertreten, dass vorgeschädigte Eileiter lieber entfernt werden sollten, um die Erfolgschancen für eine Schwangerschaft zu steigern, sagt Häusler: »Einerseits möchte man organerhaltend operieren. Andererseits ist nicht 100-prozentig klar, dass das der medizinisch sinnvollste Ansatz ist.« Der Gynäkologe und sein Team vergleichen derzeit für die Leitlinie Daten darüber, welche Vorgehensweise tatsächlich am effektivsten ist.

Hat eine Frau nur mäßige Beschwerden, kann die Eileiterschwangerschaft alternativ mit Medikamenten beendet werden. Wenn Mediziner den Embryo nicht operativ entfernen können, verschreiben sie häufig Methotrexat. Das Präparat wird sonst in der Krebsbehandlung eingesetzt. »Chemotherapien wirken auf sich schnell teilende Zellen. Der Embryo besteht aus sich schnell teilenden Zellen. Insofern kann man versuchen, das Schwangerschaftsgewebe wie eine Art Tumor zu bekämpfen«, erklärt Häusler. Das Medikament werde den Frauen aber in viel geringerer Dosis verabreicht als bei einer klassischen Chemotherapie üblich. Trotzdem dürfen Frauen nach der Behandlung mit Methotrexat erst nach sechs bis zwölf Monaten wieder schwanger werden: Ein Teil der verstoffwechselten Substanz wird mehrere Monate im Körper gespeichert und kann beim Embryo zu Fehlbildung führen.

Die Geschehnisse hallen nach

Einfach abschließen konnte Elena Fischer nicht. »Nach dem Eingriff lag ich im Bett und habe die Ärztin gefragt, ob es eine Videoaufzeichnung oder ein Ultraschallbild gibt«, erinnert sich Elena Fischer. Doch die gab es nicht. Für Fischer eine nicht greifbare Situation. »Ich hätte gerne gesehen: Da ist etwas, das nicht mehr da ist und ich nie gesehen habe. Das war für mich an der Stelle ganz schwer.«

Rund 15 Stunden nachdem sie die Klinik betreten hatte, wurde Elena Fischer wieder entlassen. Körperlich ging es ihr schnell wieder gut – Zeit zum Innehalten blieb kaum. Wenige Monate später war sie wieder schwanger. Die Schwangerschaft verlief ohne Komplikationen, Fischers Sohn wird mittlerweile fünf Jahre alt. »Vielleicht habe ich die Eileiterschwangerschaft dadurch verdrängt«, überlegt sie. Vier Jahre später kam das Erlebte wieder hoch: »Ich habe mich immer gefragt: Warum ist das passiert? Was war das wohl für ein Wesen? Das beschäftigt mich bis heute, mal mehr, mal weniger.«

Viele Betroffene beschäftigt ihre Eileiterschwangerschaft noch lange. Einige entwickeln in der Folge psychische Erkrankungen. Das berichten Forschende in einer an Londoner Krankenhäusern durchgeführten Studie, die im »American Journal of Obstetrics & Gynecology« erschienen ist. Über mehrere Monate fragten die Wissenschaftler betroffene Frauen nach deren Befinden. Von ihnen hatten 116 eine extrauterine Schwangerschaft erlebt. Auch nach einem Dreivierteljahr erfüllten noch 21 Prozent von ihnen die Kriterien für eine posttraumatische Belastungsstörung, 23 Prozent für eine Angststörung und 11 Prozent zeigten Anzeichen einer Depression. Die Studienautoren fordern deshalb ein Screening-Angebot für Frauen nach einer Fehlgeburt oder ektopen Schwangerschaft, um den Patientinnen bei Bedarf rechtzeitig entsprechende Hilfe anbieten zu können.

Elena Fischer hat sich Unterstützung gesucht. Im Jahr 2021 konnte sie in einer Psychotherapie auch über ihre Eileiterschwangerschaft sprechen – fast fünf Jahre später. Im Nachhinein hätte sie sich die psychologische Unterstützung schon früher gewünscht. Mittlerweile konnte sie das Erlebte aufarbeiten: »Ich habe für mich meinen Frieden gefunden. Es ist vielleicht meine Aufgabe, damit umzugehen.«

*Anm. d. Red.: Der Name wurde von der Redaktion geändert.

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