Molekularelektronik: Ein Antrieb aus einem Molekül
Für gewöhnlich fließt mechanische Energie in physikalischen Systemen vom Großen zum Kleinen – bis hinein in die thermische Bewegung einzelner Moleküle und Atome. Christian Lotze von der FU Berlin und seine Kollegen kehren diesen Verlauf nun um: In ihrem Experiment bringt ein zuckendes Wasserstoffmolekül einen makroskopischen Oszillator zum Schwingen. Nach demselben Prinzip sollte sich auch Energie aus anderen rauschbehafteten Systemen gewinnen und beispielsweise in einer molekularen Maschine nutzen lassen.
Die Wissenschaftler montierten die Spitze eines Rastertunnelmikroskops an eine der beiden Balkenfedern einer winzigen Stimmgabel aus Quarz. Zwischen der Mikroskopspitze und einer Kupferoberfläche platzierten sie dann ein einzelnes Wasserstoffmolekül. Legte das Team anschließend eine elektrische Spannung zwischen der Spitze und dem Kupfer an, bewegte sich das Molekül durch den elektrischen Stromfluss zufällig zwischen zwei verschiedenen Positionen – nur einige zehn Pikometer voneinander entfernt – hin- und her.
Die anziehende Kraft zwischen Molekül und Spitze unterscheidet sich leicht in den beiden Zuständen. Auf diese Weise kann das Wasserstoffmolekül in jedem Zyklus etwas Energie auf die Stimmgabel übertragen und bringt sie damit zum Schwingen. Trotz des stochastischen Molekülverhaltens bewegt sich die Stimmgabel dabei periodisch mit ihrer Resonanzfrequenz auf und ab. Das Team um Lotze stellte die Spannung nun gerade so ein, das Oszillator und das zufällige Molekülzucken miteinander gekoppelt sind und sich so gegenseitig beeinflussen. Erst durch dieses Phänomen, das als stochastische Resonanz bezeichnet wird, kann Energie effizient vom zuckenden Molekül zur Stimmgabel fließen. Im Experiment gibt es immerhin rund zehn Millielektronenvolt pro Zyklus ab, wodurch der Oszillator Amplituden von einigen Zehntel Nanometern erreicht – und damit die Größe des Wasserstoffmoleküls übertrifft [1]. "Dies bedeutet, dass das kleinstmögliche Molekül, das Wasserstoffmolekül, eine 1019-mal größere Masse in Schwingung versetzen kann", fasst Koautor José Ignacio Pascual zusammen.
Es sei eine wichtige Fertigkeit, Energie aus dem Kleinen hin zum Großen übertragen zu können, schreibt Marc Bockrath von der University of California in Riverside in einem begleitenden Artikel, etwa wenn man chemische oder andere Energieformen "ernten" wolle, um funktionelle Nanostrukturen mit Energie zu versorgen [2]. Die Arbeit von Lotze und seinen Kollegen ist ein erster Schritt in diese Richtung. So könnten sich die Wissenschaftler vorstellen, mit ihrem Ansatz die Energieübertragung in künstlichen molekularen Motoren zu verbessern, indem stochastische Bewegungen in eine gerichtete Bewegung umgewandelt werden.
Zudem möchte die Gruppe weitere Quellen molekularen Rauschens finden, um die Effizienz der Energieübertragung auf den mechanischen Oszillator zu optimieren. Denkbar wären neben dem zufälligen Zucken eines Moleküls etwa elektronische oder magnetische Fluktuationen. Ebenso könnten sich Lotze und seine Kollegen auch andere Anregungsmechanismen vorstellen, statt elektrischem Strom beispielsweise Licht.
In der Natur ist dieses Prinzip, also Energie durch stochastische Resonanz aus rauschbehafteten Systemen zu extrahieren, indes schon weit verbreitet – etwa bei sogenannten Motorproteinen in Zellen oder im Rahmen der Fotosynthese.
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