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Sonnensystem: Sterbender Asteroid mit zwei Staubschweifen

Der rund fünf Kilometer große Asteroid Gault rotiert in nur etwa zwei Stunden – so schnell, dass er dabei ist, sich selbst zu zerstören, wie zwei lange Staubschweife verraten. Schuld daran ist der YORP-Effekt.
Der Asteroid (6478) Gault mit zwei Staubschweifen (Aufnahme des Weltraumteleskops Hubble)

Mit dem Weltraumteleskop Hubble wurde der Asteroid (6478) Gault kürzlich genauer untersucht, als Anfang Januar 2019 bei der ATLAS-Himmelsdurchmusterung aufgefallen war, dass der Himmelskörper einen langen, schmalen Schweif entwickelt hatte. Kurze Zeit später wurde sogar ein zweiter Schweif sichtbar. Die neuen Aufnahmen von Hubble zeigen nun zwei deutlich ausgeprägte Staubschweife. Bislang war der Asteroid Gault, welcher die Sonne zwischen den Bahnen von Mars und Jupiter umrundet, nicht durch ein besonderes Verhalten aufgefallen. Seine Größe wird auf vier bis neun Kilometer geschätzt, am wahrscheinlichsten ist ein Durchmesser von fünf Kilometern.

Der Asteroid (6478) Gault mit zwei Staubschweifen | Mit dem Weltraumteleskop Hubble wurde der Asteroid (6478) Gault aufgenommen, wobei zwei lange Staubscheife deutlich hervortreten, die in unterschiedliche Richtungen weisen. Der längere Staubschweif erstreckt sich über rund 800 000 Kilometer, fast der doppelte Abstand Erde-Mond und hat eine Breite von 4800 Kilometern. Der kürzere Schweif zieht sich über rund 200 000 Kilometer. Sie gehen auf zwei unterschiedliche Staubfreisetzungen zurück, die um den 28. Oktober und den 30. Dezember 2018 auftraten. Letzterer erzeugte den kürzeren Schweif. Die kurzen Striche sind Sterne, die bei der Belichtung auseinandergezogen wurden, da das Weltraumteleskop auf den Asteroiden ausgerichtet war.

Zunächst dachten die Astronomen, dass der Asteroid Gault ein Hauptgürtelkomet sein könnte, von denen mittlerweile mehr als ein Dutzend im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter bekannt sind. Untersuchungen zeigten aber, dass der Himmelskörper keinerlei Gas freisetzt, der Staub mit ins All reißen könnte. Eine weitere Möglichkeit wäre eine Kollision mit einem kleineren Objekt im Asteroidengürtel gewesen, bei dem dann Material aus Gault herausgesprengt worden wäre. Solche Kollisionsereignisse wurden schon mehrfach beobachtet, aber in diesem Fall gab es keine Hinweise darauf. Zudem wäre es äußerst unwahrscheinlich, dass es in so kurzer Zeit zu gleich zwei Kollisionen kommt, bei denen je ein Schweif entsteht. Die Untersuchung der Schweife zeigt, dass sie aus Staub und gröberen Partikeln bestehen, aber kein Gas enthalten. Die Partikelgröße bewegt sich zwischen wenigen hunderstel Millimetern bis hin zu Zentimetern.

Aber wie kam es nun zur Entstehung der Schweife? Ein Forscherteam um Jan T. Kleyna vom Institute of Astronomy in Honolulu, Hawaii, macht dafür den YORP-Effekt verantwortlich. Dieser nach den Astronomen Yarkovsky, O’Keefe, Radzievskii und Paddack benannte Effekt wird von der Sonnenstrahlung verursacht und führt zur Rotationsbeschleunigung eines Asteroiden. Ein natürlicher Himmelskörper hat keine völlig homogene Oberfläche, so dass die Wärmestrahlung der Sonne nicht überall gleich absorbiert und wieder abgestrahlt wird. Die Wärmefreisetzung erfolgt unregelmäßig, so dass sich dadurch ein geringes Drehmoment aufbauen kann.

Der Effekt ist zwar sehr gering, aber über lange Zeiträume von Hunderttausenden bis Millionen Jahren hinweg, kann es doch zu beträchtlichen Beschleunigungen und der Erhöhung des Drehmoments kommen. Schließlich rotiert der Körper so schnell, dass an seinem Äquator die Fliehkraft die geringe Anziehungskraft des Himmelskörpers übersteigt. Dann löst sich Material von der Oberfläche und fliegt auf Nimmerwiedersehen in den Weltraum. Tatsächlich rotiert der Asteroid Gault mit nur zwei Stunden sehr schnell für ein Objekt seiner Größe. Daher kann sich Material auf seiner Oberfläche in Richtung zum Äquator verschieben, wobei es auch zu Erdrutschen kommen kann. Davon gelangt dann Material ins All und ein Staubschweif entsteht. Nach und nach kann sich durch den YORP-Effekt ein Asteroid völlig auflösen, besonders wenn er ein eher lose gepackter Geröllhaufen wie beispielsweise der Asteroid Bennu ist. Somit muss man den Asteroiden Gault als einen sterbenden Asteroiden auffassen, dem nur noch eine vergleichsweise kurze Lebensdauer vergönnt ist.

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