Medizin: Ein Bluttest für das Chronische Erschöpfungssyndrom?
Das Chronische Erschöpfungssyndrom (CFS, von "chronic fatigue syndrome") gibt Ärzten und Forschern nach wie vor zahlreiche Rätsel auf: Die Betroffenen fühlen sich dauerhaft körperlich und mental abgeschlagen, finden keinen erholsamen Schlaf, können selbst alltägliche Dinge wie das Ausräumen der Spülmaschine kaum noch bewältigen – und physische oder psychische Anstrengung machen das Ganze nur noch schlimmer. Die Ursache des Krankheitsbilds ist weitestgehend unbekannt, vor allem aber fällt es in der Praxis oft schwer, das Syndrom von anderen körperlichen und seelischen Erkrankungen abzugrenzen: Häufig laufen die Betroffenen monatelang von Arzt zu Arzt, bis sie irgendwann einmal eine Erklärung für ihre ständige Müdigkeit haben. Hoffnung auf ein neues Diagnoseinstrument weckt nun eine Studie von Wissenschaftlern um Robert Naviaux von der University of California in San Diego. Dem Team gelang es, eine spezielle chemische Signatur auszumachen, die CFS-Patienten offenbar von gesunden Kontrollprobanden unterscheidet.
Naviaux und seine Kollegen untersuchten insgesamt 612 Zwischenprodukte von verschiedenen Stoffwechselprozessen im Blutplasma von 45 Probanden mit und 39 Probanden ohne CFS. Dabei entdeckten sie, dass bei Teilnehmern, die an chronischer Müdigkeit litten, in rund 20 Stoffwechselprozessen Auffälligkeiten zu beobachten waren. In den meisten Fällen befanden sich bei ihnen weniger Metabolite im Blut als bei gesunden Kontrollpersonen – was den Forschern erlaubte, mit über 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit vorherzusagen, wer zu den Betroffenen gehörte und wer nicht. Außerdem stellten sie fest, dass das chemische Profil jenem Zustand ähnelt, der bei manchen Lebewesen einsetzt, wenn sie unter schlechten Bedingungen überleben müssen. Dabei wird der Stoffwechsel verlangsamt, um den Zelltod zu verhindern. Bei Menschen mit CFS könnte das in Schmerzen und Abgeschlagenheit resultieren, vermuten die Forscher.
Die Wissenschaftler hoffen, dass sich so eines Tages die Diagnose des chronischen Erschöpfungssyndroms verbessern lässt. Im nächsten Schritt muss sich Naviaux' Signatur dazu aber erst einmal bei größeren Patientengruppen beweisen. Außerdem merken sie an, dass nur etwa 25 Prozent der Stoffwechselunterschiede zwischen den Probanden mit CFS in Verbindung standen. Die anderen 75 Prozent seien individuelle Schwankungen von Teilnehmer zu Teilnehmer gewesen – die aber möglicherweise Hinweise darauf liefern, wie eine ideale, personalisierte Behandlung eines Tages aussehen könnte. Bislang sind die Therapiemöglichkeiten bei dem Syndrom eher begrenzt und befinden sich vielfach noch im experimentellen Stadium. So testen Wissenschaftler etwa derzeit, ob das Krebsmedikament Rituximab bei manchen Betroffenen die Beschwerden zu lindern vermag.
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