Sternentstehung: Ein Dreifachstern in seiner Wiege
Ein internationales Forscherteam um John J. Tobin von der University of Oklahoma, an dem auch deutsche Astronomen beteiligt sind, nutzte den Teleskopverbund ALMA in Chile, um das rund 750 Lichtjahre von uns entfernte Sternsystem L1448 IRS3B im Sternbild Perseus im Detail zu untersuchen. ALMA beobachtet den Himmel im Bereich der Millimeter- und Submillimeter-Wellenlängen und kann dabei in das Innere dichter Gas- und Staubwolken hineinblicken.
Frühere Beobachtungen hatten bereits gezeigt, dass das System L1448 IRS3B mehrere Protosterne enthalten muss. Mit ALMA fanden sich hier nun insgesamt drei Protosterne, die von einer gemeinsamen Gas- und Staubscheibe umgeben sind. Letztere weist eine ausgeprägte Spiralstruktur auf, die bislang unbekannt war.
Bei Protosternen handelt es sich um gashaltige Himmelskörper, die gerade dabei sind, sich unter ihrer eigenen Schwerkraft zu Sternen zusammenzuziehen. In ihren Zentren reichen Druck und Temperatur noch nicht aus, um die Kernfusion von Wasserstoff zu Helium in Gang zu bringen – die Energiequelle der meisten Sterne. Die Protosterne leuchten daher nur schwach im Infraroten durch die bei der Schrumpfung frei werdende Kompressionswärme. Die Astronomen um Tobin schätzen, dass sie maximal 150 000 Jahre alt sind, also noch ganz am Anfang ihrer Existenz stehen. Man kann daher von Sternen in ihrer Wiege sprechen.
Mit ALMA gelang es nun erstmals, ein zukünftiges Dreifachsternsystem so früh in seiner Entwicklung zu beobachten. Nahe dem Zentrum der Scheibe befinden sich zwei Protosterne: Sie stehen etwa 61 Astronomische Einheiten (AE) auseinander, was dem 61-fachen Abstand Erde–Sonne entspricht beziehungsweise dem Durchmesser der Neptunumlaufbahn. Ein weiterer Protostern befindet sich rund 183 AE vom Zentrum der Scheibe entfernt.
Die Forscher nehmen an, dass sich aus diesen drei Protosternen in wenigen Millionen Jahren ein so genanntes hierarchisches Dreifachssystem entwickeln wird. Dies bedeutet, dass die beiden Protosterne nahe der Scheibenmitte zu einem engen Doppelstern werden, die einander umrunden. Wesentlich weiter außen umläuft dann der dritte Stern den gemeinsamen Schwerpunkt des Gesamtsystems.
Doppel- und Mehrfachsternsysteme sind im Weltall recht häufig, beispielsweise sind rund die Hälfte aller sonnenähnlichen Sterne in unserem Milchstraßensystem Mitglied eines Doppel- oder Mehrfachsterns. Bislang war jedoch nicht genau klar, welche Vorgänge zur Mehrlingsgeburt von Sternen führen. Die neuen Beobachtungen mit ALMA weisen darauf hin, dass sie entstehen, wenn sich in einer dichten Wolke aus Gas und Staub bereits eine langsam rotierende Scheibe gebildet hat. Eigentlich sollte aus dieser schließlich ein einzelner Stern hervorgehen, es kann aber zu Schwerkraftinstabilitäten kommen. Sie führen dazu, dass sich in dieser Scheibe mehrere Klumpen bilden, die einander umrunden. Aus diesen Klumpen werden zunächst Protosterne, aus denen sich dann die Mitglieder eines Mehrfachsternsystems entwickeln. Mit ALMA konnten nun die drei Protosterne noch in ihrer gemeinsamen Staub- und Gasscheibe nachgewiesen werden.
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