Klimawandel: Ein Drittel der Welt könnte 2070 unter Hitze leiden
Wenn die Menschheit den Ausstoß der Treibhausgase nicht mindert, könnten in 50 Jahren 3,5 Milliarden Menschen wegen des Klimawandels unter großer Hitze leiden. Sie würden in Gebieten leben, in der die jährliche Durchschnittstemperatur mehr als 29 Grad Celsius beträgt – so sie denn nicht auswandern. Damit befänden sie sich außerhalb der klimatischen Nische, die der Mensch seit mindestens 6000 Jahren bewohnt, berichten Wissenschaftler um Marten Scheffer von der Universität Wageningen im Magazin PNAS.
»Das Coronavirus hat die Welt in einer Weise verändert, die noch vor wenigen Monaten schwer vorstellbar war, und unsere Ergebnisse zeigen, wie der Klimawandel etwas Ähnliches bewirken könnte«, wird Scheffer in einer Mitteilung seiner Universität und anderer beteiligter Forschungseinrichtungen zitiert. Die Veränderungen würden zwar weniger schnell ablaufen, aber anders als bei der aktuellen Pandemie könne man nicht auf eine Erleichterung in absehbarer Zeit hoffen.
Für ihre Analyse blickten Scheffer und Kollegen zum einen in die Vergangenheit. Anhand vorhandener Datenbanken glichen sie die bevorzugten Siedlungsgebiete des Menschen mit den klimatischen Bedingungen in diesen Regionen ab. Sie fanden einen Höhepunkt der Bevölkerungsdichte bei Jahresdurchschnittstemperaturen von etwa 11 bis 15 Grad Celsius und einen kleineren Peak bei 20 bis 25 Grad Celsius. Diese Verteilung hat sich in den vergangenen 6000 Jahren kaum geändert, weshalb die Forscher diese Temperaturspanne als die »ökologische Nische des Menschen« bezeichnen.
Allein in Indien wären mehr als eine Milliarde Menschen betroffen
Beim Blick in die Zukunft verwendeten die Wissenschaftler eine Klimaprognose aus dem 5. Sachstandsbericht des Weltklimarates (IPCC). Die Prognose basiert auf der Annahme, dass sich die Konzentration der Treibhausgase weitgehend ungebremst wie in den vergangenen Jahrzehnten entwickeln wird. Die Temperaturen werden in den verschiedenen Weltregionen entsprechend steigen. Zudem nutzten die Forscher das sozioökonomische Szenario SSP 3 für die Entwicklung der Weltbevölkerung.
Die Modellrechnungen ergaben, dass sich Gebiete mit einer Jahresdurchschnittstemperatur von mehr als 29 Grad Celsius von jetzt 0,8 Prozent der weltweiten Landfläche – vor allem in der Sahara – bis 2070 auf 19 Prozent ausdehnen werden. Die Gebiete lägen vor allem in Südamerika, Afrika, Indien, Südostasien und Nordaustralien. Allein in Indien wären mehr als eine Milliarde Menschen davon betroffen, in Nigeria, Pakistan, Indonesien und Sudan jeweils mehr als 100 Millionen Menschen.
»Dies hätte nicht nur verheerende direkte Auswirkungen, sondern es wäre für Gesellschaften auch schwieriger, künftige Krisen wie neue Pandemien zu bewältigen«, sagt Scheffer. Solche Temperaturanstiege würden nicht zwangsläufig bedeuten, dass die Menschen aus den betroffenen Gebieten auswandern würden; denn für Migration gebe es ein komplexes Bündel an Gründen. Dennoch sieht Scheffer die Ergebnisse der Studie als Appell an die Weltgemeinschaft an, den Ausstoß an Kohlendioxid (CO2) rasch zu senken. (dpa/asw)
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