Physik: Ein Ende der Protonkrise?
Seit dem Jahr 2010 ist ein kleiner Teil der Physik in Aufruhr. Damals veröffentlichte ein Team um den Deutschen Randolf Pohl einen brisanten Messwert für die Größe des Protons. Protonen sind die Bausteine von Atomkernen; in unserer Welt sind sie allgegenwärtig. Entsprechend wichtig ist es aus Sicht von Physikern, die genauen Eigenschaften der Teilchen zu kennen.
Pohls Messung weckte den Verdacht, dass man das Proton doch nicht so gut verstanden hatte, wie man bis dahin dachte: Der von ihm und seinen Kollegen ermittelte Messwert fiel um 4,5 Prozent kleiner aus als die in Lehrbüchern vermerkte Referenz. Statt 0,88 billiardstel Meter schien der Radius des Protons lediglich 0,84 billiardstel Meter zu betragen.
Die Gruppe hatte eine neue Methode für die Messung verwendet, die mit so genannten Myonen arbeitet – den beleibten Geschwistern des Elektrons. Die Forscher analysierten die Energieniveaus, die es in einem Atom aus Myon und Proton gibt. Daraus konnten sie dann ableiten, wie groß der Bereich sein müsste, in dem sich die Ladung des Protons ballt. Dem Ergebnis schlug allerdings einige Skepsis entgegen: Hatten der Deutsche und sein Team etwas übersehen?
Neue Messdaten, die in den Fachmagazinen »Nature« und »Science« veröffentlicht wurden, lassen dies unwahrscheinlicher denn je erscheinen: Sie stützen den kleineren Protonradius.
Und das, obwohl sie auf zwei gänzlich verschiedenen Messmethoden basieren. Zum einen werteten die Forscher die Energieniveaus von einem System aus einem Proton und einem Elektron aus. Zum anderen feuerten sie Elektronen auf Protonen und schauten, wie die Ladungsträger genau abgelenkt werden. Beides sind Standardmethoden bei der Ermittlung des Protonradius, die in der Vergangenheit die größere Ausdehnung des Protons zu belegen schienen.
Aus Sicht von Experten ist es noch zu früh, um die Krise endgültig für beendet zu erklären: Nach wie vor verstehe man nicht, wieso andere Teams bis zuletzt größere Radien ermittelt haben, schreiben Jean-Philippe Karr und Dominique Marchand vom französischen Kernforschungszentrum CNRS in einem ebenfalls in »Nature« erschienenen Kommentar. Aber zweifellos handele es sich um einen wichtigen Fortschritt in der Debatte.
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