Krankheiten: Ein ewig junger alter Begleiter
Mit Thomas Manns "Zauberberg" erlangte sie literarischen Weltruhm, als akute Krankheit hierzulande ist sie dagegen fast vergessen. Dabei piesackt die Tuberkulose uns wohl schon seit den frühesten Tagen der Menschwerdung.
Als der fiktive junge Mann Hans Castorp seinen kranken Vetter Joachim Ziemßen in einem Schweizer Sanatorium nahe Davos besucht, ahnt er noch nicht, dass sich die kurz vor seiner späteren Abreise diagnostizierte harmlose Erkältung mit Husten schließlich als tödlich gefährliche Tuberkulose entpuppt. Doch in jener Zeit der Entstehung und Handlung des Romans war die Krankheit gerade in den armen Schichten der Bevölkerung weit verbreitet – begünstigt durch die miserable Hygiene der Wohn- und Ernährungsverhältnisse der damaligen Unterschichten.
Mycobacterium tuberculosis zählt heute noch immer zu den größten Geißeln der Menschheit, auch wenn sie in hoch entwickelten Ländern zurzeit weit gehend im Griff erscheint: Alljährlich erkranken etwa acht Millionen Personen neu an der vom Volksmund auf den Namen Schwindsucht getauften Krankheit, und etwa drei Millionen sterben daran. Nur wenige andere Seuchen können es mit ihr an Dauerhaftigkeit und Ausbreitung aufnehmen, denn fast ein Drittel der Erdbevölkerung ist von den Erregern dieser chronischen Infektionskrankheit befallen, die in Form der Lungentuberkulose etwa das Atmungsorgan der Menschen schleichend zerstört.
Die verschiedenen, eng miteinander verwandten bakteriellen Erregerstämme der Tuberkulose – darunter auch die Rindertuberkulose Mycobacterium bovis, die über den Verzehr roher Milch auf den Menschen überspringen kann – sind also höchst effektive Plagegeister, und das obwohl sie genetisch eigentlich eher verarmt sind. Wegen ihres Variantenmangels im Erbgut dachte die Forschung daher auch lange, dass die Populationen dieser stets aktuellen Nemesis vor etwa 20 000 bis 35 000 Jahren wahrscheinlich durch einen genetischen Flaschenhals gehen mussten.
Damals stand der Bakterienkomplex anscheinend fast schon auf der Liste der bedrohten Arten, so wenige gab es von ihm. Doch die Spezies als solche überlebte, auch wenn sie einen Großteil ihres Genreichtums dabei einbüßte. Die nachfolgenden Generationen weiteten ihren Bestand dann durch die Bildung von Klonen aus, die sich im Laufe der Zeit immer nur gering durch Mutationen veränderten, sodass ihr Erbgut weltweit relativ einheitlich ist.
Was aber lag vor jener dunklen Phase der Tuberkulose, und wo kam sie her? Dazu betrachtete eine Reihe von Wissenschaftlern um Cristina Guiterrez vom Pariser Pasteur-Institut das Erbgut der Bazillen – und ganz besonders jenes ihres ältesten Stammes Mycobacterium canettii, der in Ostafrika vorkommt und eher selten auftritt. Er unterscheidet sich schon optisch von den meisten anderen Vertretern seiner Gattung, denn er bildet ungewöhnlich glatte Kolonien.
Gefunden und isoliert wurde diese archaische Form von den Forschern auch nur in afrikanischen Patienten. Bestimmungen des Gentyps zeigten, dass die 37 untersuchten Bakterienproben insgesamt acht verschiedenen Klongruppen angehörten, von denen sich wiederum fünf deutlich vom bisher bekannten Mycobacterium canettii und den tausenden anderen Erblinien des Tuberkelbazillus unterschieden – ohne aber eigenen Artstatus zu erreichen –, weil ihnen die so genannte IS1081-Sequenz fehlte.
In einem weiteren Schritt sequenzierten die Forscher dann sechs als Haushaltsgene bezeichnete Erbgutabschnitte und die komplette 16s-rRNA der acht isolierten Gruppen sowie wichtiger Mycobacterium-Einheiten. Zu ihrer Verwunderung erkannten die Wissenschaftler, dass sowohl die urtümlichen Canetti-Linien als auch die im Tuberculosis-Komplex zusammengefassten Bakterien eine einzige Super-Art bilden, die leicht Teile ihres Genoms untereinander tauschen können – ein Prozess, der eine bedeutende Rolle bei der Anpassungsleistung der Krankheitserreger an ihren Wirt spielt.
Die ebenfalls nachgewiesenen mosaikhaften Zusammensetzungen des – wiewohl dennoch verarmten – Erbguts rührt nach Ansicht der Forscher nun von derartigen horizontalen Gentransfers her. Wegen ihrer "bunten Mischung" müssen sie allerdings meist vor der Flaschenhalsphase stattgefunden haben. Denn zumindest die afrikanischen Canetti-Linien gingen direkt aus einer sehr großen und vielgestaltigen Gruppe von Tuberkulose-Erregern hervor, die mittlerweile fast verschwunden ist und nach dem Bestandsengpass von den genetisch eher eintönigen Verwandten ersetzt wurde.
Mit dem aus der Summe gleichbedeutender Nukleotidvarianten in den Haushaltsgenen berechneten Alter von etwa 2,6 bis 2,8 Millionen Jahren könnte also auch bereits der Vorläufer der heutigen Schwindsucht unsere Hominiden-Vorfahren heimgesucht haben: Das Pathogen wäre wesentlich älter als andere Plagen des Homo sapiens wie Pest, Typhus oder Malaria. Für einen gemeinsamen Ursprung in Ostafrika spricht ebenso die im Vergleich zur restlichen Welt immer noch relativ hohe Vielfalt der Tuberkulose-Stämme dort. Mit dem Auszug des Menschen aus Afrika gelangte die Krankheit schließlich – bereits reduziert auf die so einfache wie effektive Tuberculosis-Linie – in jeden Winkel des Planeten und in die Weltliteratur.
Mycobacterium tuberculosis zählt heute noch immer zu den größten Geißeln der Menschheit, auch wenn sie in hoch entwickelten Ländern zurzeit weit gehend im Griff erscheint: Alljährlich erkranken etwa acht Millionen Personen neu an der vom Volksmund auf den Namen Schwindsucht getauften Krankheit, und etwa drei Millionen sterben daran. Nur wenige andere Seuchen können es mit ihr an Dauerhaftigkeit und Ausbreitung aufnehmen, denn fast ein Drittel der Erdbevölkerung ist von den Erregern dieser chronischen Infektionskrankheit befallen, die in Form der Lungentuberkulose etwa das Atmungsorgan der Menschen schleichend zerstört.
Die verschiedenen, eng miteinander verwandten bakteriellen Erregerstämme der Tuberkulose – darunter auch die Rindertuberkulose Mycobacterium bovis, die über den Verzehr roher Milch auf den Menschen überspringen kann – sind also höchst effektive Plagegeister, und das obwohl sie genetisch eigentlich eher verarmt sind. Wegen ihres Variantenmangels im Erbgut dachte die Forschung daher auch lange, dass die Populationen dieser stets aktuellen Nemesis vor etwa 20 000 bis 35 000 Jahren wahrscheinlich durch einen genetischen Flaschenhals gehen mussten.
Damals stand der Bakterienkomplex anscheinend fast schon auf der Liste der bedrohten Arten, so wenige gab es von ihm. Doch die Spezies als solche überlebte, auch wenn sie einen Großteil ihres Genreichtums dabei einbüßte. Die nachfolgenden Generationen weiteten ihren Bestand dann durch die Bildung von Klonen aus, die sich im Laufe der Zeit immer nur gering durch Mutationen veränderten, sodass ihr Erbgut weltweit relativ einheitlich ist.
Was aber lag vor jener dunklen Phase der Tuberkulose, und wo kam sie her? Dazu betrachtete eine Reihe von Wissenschaftlern um Cristina Guiterrez vom Pariser Pasteur-Institut das Erbgut der Bazillen – und ganz besonders jenes ihres ältesten Stammes Mycobacterium canettii, der in Ostafrika vorkommt und eher selten auftritt. Er unterscheidet sich schon optisch von den meisten anderen Vertretern seiner Gattung, denn er bildet ungewöhnlich glatte Kolonien.
Gefunden und isoliert wurde diese archaische Form von den Forschern auch nur in afrikanischen Patienten. Bestimmungen des Gentyps zeigten, dass die 37 untersuchten Bakterienproben insgesamt acht verschiedenen Klongruppen angehörten, von denen sich wiederum fünf deutlich vom bisher bekannten Mycobacterium canettii und den tausenden anderen Erblinien des Tuberkelbazillus unterschieden – ohne aber eigenen Artstatus zu erreichen –, weil ihnen die so genannte IS1081-Sequenz fehlte.
In einem weiteren Schritt sequenzierten die Forscher dann sechs als Haushaltsgene bezeichnete Erbgutabschnitte und die komplette 16s-rRNA der acht isolierten Gruppen sowie wichtiger Mycobacterium-Einheiten. Zu ihrer Verwunderung erkannten die Wissenschaftler, dass sowohl die urtümlichen Canetti-Linien als auch die im Tuberculosis-Komplex zusammengefassten Bakterien eine einzige Super-Art bilden, die leicht Teile ihres Genoms untereinander tauschen können – ein Prozess, der eine bedeutende Rolle bei der Anpassungsleistung der Krankheitserreger an ihren Wirt spielt.
Die ebenfalls nachgewiesenen mosaikhaften Zusammensetzungen des – wiewohl dennoch verarmten – Erbguts rührt nach Ansicht der Forscher nun von derartigen horizontalen Gentransfers her. Wegen ihrer "bunten Mischung" müssen sie allerdings meist vor der Flaschenhalsphase stattgefunden haben. Denn zumindest die afrikanischen Canetti-Linien gingen direkt aus einer sehr großen und vielgestaltigen Gruppe von Tuberkulose-Erregern hervor, die mittlerweile fast verschwunden ist und nach dem Bestandsengpass von den genetisch eher eintönigen Verwandten ersetzt wurde.
Mit dem aus der Summe gleichbedeutender Nukleotidvarianten in den Haushaltsgenen berechneten Alter von etwa 2,6 bis 2,8 Millionen Jahren könnte also auch bereits der Vorläufer der heutigen Schwindsucht unsere Hominiden-Vorfahren heimgesucht haben: Das Pathogen wäre wesentlich älter als andere Plagen des Homo sapiens wie Pest, Typhus oder Malaria. Für einen gemeinsamen Ursprung in Ostafrika spricht ebenso die im Vergleich zur restlichen Welt immer noch relativ hohe Vielfalt der Tuberkulose-Stämme dort. Mit dem Auszug des Menschen aus Afrika gelangte die Krankheit schließlich – bereits reduziert auf die so einfache wie effektive Tuberculosis-Linie – in jeden Winkel des Planeten und in die Weltliteratur.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.