Exoplaneten: Ein fernes Sonnensystem mit bis zu sieben Planeten
Ein dicht mit Planeten bestücktes Sonnensystem spürte ein europäisches Forscherteam um Christophe Lovis am Genfer Observatorium auf. Der Stern HD 10180 im südlichen Sternbild Kleine Wasserschlange (Hydrus) ist von mindestens fünf Trabanten umgeben, deren Mindestmassen zwischen 12 und 25 Erdmassen betragen. Damit ähneln sie dem äußersten Planeten Neptun mit einer Masse von 17 Erdmassen. Sie umrunden ihr Zentralgestirn auf recht kreisförmigen Bahnen in Abständen zwischen 0,06 und 1,4 Astronomischen Einheiten (AE). Eine AE ist der mittlere Abstand zwischen der Erde und der Sonne und beträgt 149,6 Millionen Kilometer.
Zudem haben die Forscher Hinweise auf zwei weitere Planeten bei HD 10180. Einer von ihnen könnte 65 Erdmassen aufweisen (zwei Drittel der Masse von Saturn) und seinen Stern in rund sechs Jahren in einem Abstand von 3,4 AE umrunden. Interessant ist ein weiterer Himmelskörper mit einer Masse von rund 1,4 Erdmassen, der HD 10180 in 0,02 AE in nur 1,2 Tagen umkreist. Sollte er wirklich existieren, so wäre er der Exoplanet mit der kleinsten bekannten Masse bei einem sonnenähnlichen Stern. Allerdings ist er für Leben gänzlich ungeeignet, wegen seiner extremen Nähe zum Zentralgestirn betragen seine Oberflächentemperaturen viele hundert Grad Celsius.
Die Forscher nutzten für ihre Messungen den ultrapräzisen Spektrografen HARPS am 3,6-Meter-Teleskop der Europäischen Südsternwarte ESO auf dem Berg La Silla in Chile über einen Zeitraum von mehr als sechs Jahren. Die Beobachtungen von HD 10180 sind Teil eines Langzeit-Forschungsprogramms, bei dem rund 400 Sterne der Spektralklassen F, G und K auf Planeten untersucht wurden.
Der HARPS-Spektrograf wurde speziell für die Suche nach Exoplaneten konstruiert und nutzt das Radialgeschwindigkeitsverfahren. Dabei nimmt HARPS das Spektrum des Sterns über längere Zeiträume hinweg mit hoher Präzision auf, wobei auf feinste Verschiebungen der Spektrallinien geachtet wird.
Wenn ein oder mehrere Planeten einen Stern umrunden, bewegen sich sowohl die Planeten als auch der Stern um den gemeinsamen Schwerpunkt. So scheint sich der Stern periodisch auf uns zu und wieder von uns weg zu bewegen, wodurch sich die Spektrallinien wegen des Dopplereffekts geringfügig mal ins Blaue und dann wieder ins Rote verschieben. Diese Veränderungen werden von HARPS registriert.
Umkreisen mehrere Planeten den Stern, so überlagern sich ihre Bewegungen und der Stern durchläuft ein komplexes Bewegungsmuster um den Schwerpunkt des Systems. Dieses Muster zu enträtseln, erfordert einen hohen Aufwand bei der Auswertung der Daten.
Mit bis zu sieben Planeten auf kreisähnlichen Bahnen ähnelt HD 10180 von allen Exoplanetensystemen unserem Sonnensystem am meisten. Allerdings ist es im Bereich zwischen 0,02 und 1,4 AE mit sechs Planeten sehr viel dichter bestückt. In unserem Sonnensystem befinden sich in einem Abstand von bis zu 1,52 AE nur die erdähnlichen Planeten Merkur, Venus, Erde und Mars, die zusammen zwei Erdmassen in sich vereinigen. Das System von HD 10180 enthält in diesem Bereich dagegen mindestens 96 Erdmassen, was der Masse des Ringplaneten Saturn entspricht. Es finden sich keine Hinweise auf einen weiter außen befindlichen Riesenplaneten mit der Masse von Jupiter im Bereich von bis zu zehn AE Abstand zum Zentralgestirn. Damit befindet sich im System von HD 10180 mit 160 Erdmassen deutlich weniger planetare Masse als in unserem Sonnensystem mit insgesamt rund 450 Erdmassen.
Das Zentralgestirn HD 10180 ist ein sonnenähnlicher Stern des Spektraltyps G1 (Sonne G2), der rund 127 Lichtjahre von uns entfernt ist. Er weist eine Masse von 1,06 Sonnenmassen auf und leuchtet 1,5 Mal heller als unser Tagesgestirn. Der Stern ist nach der Auswertung seiner spektralen Signatur etwa 4,3 Milliarden Jahre alt und damit geringfügig jünger als unsere Sonne mit rund 4,5 Milliarden Jahren.
HD 10180 enthält jedoch nur etwa ein Zehntel des solaren Gehalts an Elementen schwerer als Wasserstoff und Helium. In der Astrophysik werden alle chemischen Elemente mit Atommassen größer als diejenige des Heliums vereinfachend als Metalle bezeichnet. Die Angabe des Metallgehalts wird als Metallizität bezeichnet. Durch den Vergleich mit anderen Exoplanetensystemen, deren Zentralgestirne unterschiedliche Metallizitäten aufweisen, zeichnet sich ein Trend ab: Planetensysteme von metallreichen Sternen enthalten mehr Masse in größeren Planeten als die Systeme um metallarme Systeme. Unsere Sonne gehört zu den metallreichen Sternen, HD 10180 zu den metallarmen.
Wegen der dichten Ausstattung von HD 10180 mit Planeten stellt sich aufgrund der relativen Nähe der Trabanten zueinander die Frage, ob das Planetensystem auf längere Sicht über Milliarden von Jahren hinweg stabil ist, denn die Planeten sollten wegen ihrer Gezeitenkräfte miteinander wechselwirken. Das Forscherteam simulierte daher im Computer das Verhalten des Planetensystems von HD 10180 über einen längeren Zeitraum und stieß auf keine markanten Instabilitäten. Allerdings zeigte sich, dass das System vollbesetzt ist und keine weiteren Planeten bis zu einem Abstand von 1,4 AE zum Zentralgestirn mehr möglich sind.
Tilmann Althaus
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