News: Ein Gen für exzellente Leistungen
Ihre Forschungsarbeit befaßte sich mit einem Enzym namens Angiotensin Converting Enzyme (ACE). Dies tritt in zwei Varianten auf: entweder als "D" oder "I". Die Anweisungen für die Herstellung dieser beiden Typen sind in zwei entsprechenden Versionen (Allelen) desselben Gens codiert. Jede Person trägt von den meisten Genen zwei Allele in sich, so auch vom ACE-Gen. Daher kann ein Mensch entweder ein Paar "D"-Allele ("DD") oder ein Paar "I"-Allele ("II") besitzen – in diesem Fall wäre er "homozygot". Alternativ dazu könnte man eines von beiden tragen und wäre dann "heterozygot" ("ID").
ACE ist besonders für Mediziner interessant, die sich mit Hypertonie, also hohem Blutdruck, befassen. Eine der Funktionen von ACE im Kreislauf ist nämlich, die Verengung der Blutgefäße zu fördern. Patienten, die an Hyptertonie oder einer dadurch verursachten Krankheit (wie Herzversagen) leiden, werden häufig Medikamente verabreicht, deren Wirkstoffe die Aktivitäten von ACE stören. Wie viele Beschwerden, hat auch Hyptertonie einen genetischen Hintergrund. Es gibt Hinweise, daß Menschen mit zwei "D"-Allelen (dem "DD"-Genotyp) mit höherer Wahrscheinlichkeit Merkmale von Herzmuskelvergrößerung aufweisen, die sie für spätere Herzprobleme empfänglich machen könnten. Medikamente, die auf ACE wirken, haben interessante, wohltuende und unerklärliche Nebenwirkungen, wie zum Beispiel die Verbesserung der Trainingsfähigkeit von Herz-Patienten.
Montgomery und seine Kollegen fragten sich, ob die ACE-Genetik nicht nur Auswirkungen auf das Herz, sondern auch auf die Skelettmuskulatur hat. Um dies zu erforschen, haben die Wissenschaftler 123 weiße, männliche Armeerekruten untersucht. Sie überprüften, ob deren Ausdauer sich nach einem zehnwöchigen Trainingsprogramm verbesserte. Die Rekruten wurden vor und nach der Trainingsperiode untersucht, indem gemessen wurde, wie oft sie eine Hantel von 15 kg stemmen konnten. Die Ergebnisse verglichen die Wissenschaftler mit dem ACE-Genotyp, den sie anhand von DNA aus Abstrichen der Mundschleimhaut bestimmt haben. Die Ausdauer der Rekruten mit den Genotypen "II" und "ID" verbesserte sich wesentlich stärker als bei Soldaten mit Genotyp "DD". Der Trainingseffekt war bei den "II"-Rekruten sogar elfmal so groß wie bei Soldaten vom Typ "DD".
Fitness oder Zufall? – Die Forscher untersuchten eine andere Gruppe von Menschen, die sich durch körperliche Leistung auszeichnet – eine Elitegruppe von Hochgebirgsbergsteigern, die regelmäßig ohne Sauerstoff auf über 7 000 m gestiegen waren. Verglichen mit einer Kontrollgruppe von 1 906 abgehärteten Briten ohne Herzerkrankung wiesen die 25 Bergsteiger mehr "I"s als "D"s auf. Unter den 15 Bergsteigern, die über 8 000 m geklettert waren, war kein einziger vom Typ "DD" (es gab neun "ID"s und sechs "II"s). Tatsächlich war der beste Kletterer, der fünf Aufstiege über 8 000 m hinter sich hatte, ein "II"-Homozygote.
Natürlich sagen diese Ergebnisse mehr über Korrelationen als über Kausalzusammenhänge aus. Und es könnte jede Menge Gründe – oder auch keine – geben, warum die "I"-Allele von ACE mit körperlicher Ausdauer zusammentreffen. Wenn es aber einen Grund gibt und man sich selbst testen lassen könnte, würde ein "ID"- oder "II"-Genotyp diejenigen unter uns ermutigen, die verzweifelt versuchen, fit zu werden. All jene unter uns mit einem "DD" könnten sich damit trösten, daß sie (endlich!) eine Entschuldigung haben, warum sie erst gar nicht versuchen, das unerreichbare Ideal von Fitness anzustreben und stattdessen die Mitgliedsbeiträge für das Sportstudio sparen.
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