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News: Ein Gen verursacht Krämpfe

Die Arbeitsgruppen von Ortrud Steinlein vom Institut für Humangenetik der Universität Bonn und Thomas Jentsch vom Zentrum für Molekulare Neurobiologie der Universität Hamburg (ZMNH) haben das Gen identifiziert, welches für die familiären Neugeborenenkrämpfe, eine spezielle Form der Epilepsie, verantwortlich ist. Die Entdeckung wird in Science vom 16. Januar 1998 mitgeteilt. Ein zweites, sehr ähnliches Gen von allerdings untergeordneter Bedeutung für die Entstehung der familiären Neugeborenenkrämpfe wurde ebenfalls gefunden.
Die Suche nach dem Gen hat insgesamt 9 Jahre gedauert; bereits 1989 waren erste Hinweise auf seine Existenz gefunden worden. Unabhängig von den deutschen Arbeitsgruppen wurden dieselben Gene auch von amerikanischen Wissenschaftlern entdeckt, deren Veröffentlichungen zeitgleich in Nature Genetics erscheinen.

Epilepsie tritt bei jedem 50. Menschen zumindest zeitweise auf und ist damit eine Krankheit mit erheblicher sozialmedizinischer Bedeutung. Steinlein und Jentsch konnten in dem auf Chromosom 20 lokalisierten Gen, das den Eiweißbaustein eines bisher unbekannten Kaliumkanals determiniert, eine genetische Veränderung aufdecken. Kaliumkanäle dienen dem Transport von Kalium durch die Zellmembran und sind somit an der Weiterleitung elektrischer Ströme durch Nervenzellen beteiligt. Eine Analyse des genetisch veränderten Kanals ergab, daß die Funktion beeinträchtigt ist. Dies erhöht vermutlich die elektrische Erregbarkeit von Nervenzellen. Die Entdeckung wurde durch die Kooperation mit dem Neurologen Sam Berkovic aus der Neurologischen Klinik der University Melbourne, Australien möglich.

Der Arzt hatte eine große Familie gefunden, in der mehrere Personen von Neugeborenenkrämpfen betroffen waren. Mit der jetzt beschriebenen Mutation konnte die Ursache für die Anfälle in dieser Familie gezeigt werden.

Die familiären Neugeborenenkrämpfe können in den ersten Lebensmonaten eines Kindes auftreten. Betroffene vererben den Gendefekt an durchschnittlich 50% ihrer Nachkommen. Als familiäre Erkrankung sind die Neugeborenenkrämpfe in der Allgemeinbevölkerung selten. Es handelt sich um eine meist gutartige Form eines Anfallsleidens. In der Regel bildet sich die Erkrankung spontan zurück. In den späteren Lebensjahren können sich jedoch auch andere Formen von Anfällen entwickeln. Diese Tatsache könnte auf Gemeinsamkeiten in den Ursachen gewisser Formen von Anfallsleiden (Epilepsien) hindeuten.

Die Entdeckung erlaubt unerwartete Einblicke in die Ursachen von Epilepsien und eröffnet der Therapieforschung neue Möglichkeiten.

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