Kuipergürtel: Ein Himmelskörper, der auf Wasser schwimmt
Würde man diesen Brocken mit in die Badewanne nehmen, er schwämme oben. Das Objekt aus den Tiefen des Sonnensystems ist – mit Ausnahme des Saturnmonds Tethys – das bislang größte dieser Art, dessen Dichte geringer ist als Wasser. Entsprechend stattliche Ausmaße sollte die Badewanne haben: Sie müsste von London bis nach Frankfurt reichen.
Der rund 650 Kilometer im Durchmesser große Himmelskörper mit dem Namen 2002 UX25 kreist weit jenseits der Planetenbahnen um die Sonne, in einer Region des Sonnensystems, die als Kuipergürtel bezeichnet wird. Hier tummeln sich Zwergplaneten, Kometen und zahllose kleinere, gefrorene Objekte.
Das Problem: Die Kombination aus Dichte und Größe, die jetzt der Planetenforscher Michael Brown vom California Institute of Technology in Pasadena ermittelte [1], steht im Widerspruch zu gängigen Modellen der Entstehung massiver Körper nicht nur im Kuipergürtel, sondern auch im Rest des Sonnensystems.
Wissenschaftler gehen davon aus, dass sich in der abgelegenen Region jenseits der Neptunbahn seit der Frühzeit des Sonnensystems nicht viel getan hat, daher biete sie "die beste Möglichkeit, mehr über den Ablauf der ersten Phasen der Planetenentwicklung in Erfahrung zu bringen", erläutert der Planetenforscher Andrew Youdin von der University of Colorado in Boulder.
Dem führenden Modell zufolge kollidierten Staubkörnchen in der Scheibe miteinander, die die junge Sonne umgab, und wuchsen dadurch zu immer größeren Brocken heran. Aus diesem Prozess heraus entstanden schließlich im Kuipergürtel Zwergplaneten wie Pluto und weiter innen Felsplaneten wie die Erde.
Nicht dicht genug
Sollten im Kuipergürtel größere Objekte aus dem Verschmelzen zweier kleinerer hervorgehen, müsste man annehmen, dass die jeweiligen Dichten der kleinen und großen Objekte miteinander in Beziehung stehen. Aber alle Mitglieder des Kuipergürtels mit Durchmessern unterhalb von 350 Kilometern scheinen eine geringere Dichte als Wasser zu haben, während die mit einem Durchmesser über 800 Kilometer dichter sind.
Eine denkbare Erklärung für diese Diskrepanz ist, dass die kleineren Objekte poröser sind. Bei den größeren Vertretern sorgt hingegen eine stärkere Gravitation dafür, dass Eis und Felsgestein dichter gepackt werden. Damit diese Überlegung aufgeht, müssten allerdings Mittelklasseobjekte mit 600 Kilometern im Durchmesser eine Dichte haben, die auf halber Strecke zwischen der der großen und der der kleinen liegt.
2002 UX25 ist nun das erste Kuipergürtelobjekt dieser Zwischengröße, an dem Forscher eine Dichtemessung vornahmen – und prompt stellt sich heraus, dass es der Erwartung der Forscher widerspricht. Immer vorausgesetzt natürlich, dass 2002 UX25 typisch für die zahlreichen Vertreter dieser Klasse ist.
Die Dichte von 2002 UX25 bestimmte Michael Brown nun auf 0,82 Gramm pro Kubikzentimeter, damit ist der Brocken 18 Prozent leichter als Wasser. Die nötigen Messungen nahm der Forscher mit Hilfe von Teleskopen auf der Erde und im Weltraum vor.
Der geringe Wert legt nahe, dass 2002 UX25 zum größten Teil aus Eis besteht. Das mache es schwieriger zu erklären, wie im Kuipergürtel große Objekte aus der Verschmelzung von kleineren entstünden, meint Brown.
Aus groß wird klein
Eine alternative Theorie, die Youdin gemeinsam mit einem Kollegen vorgeschlagen hat [2], könnte helfen, die neue Beobachtung zu verstehen. Demnach entstanden die größeren Bewohner des Kuipergürtels zuerst – sie bildeten sich vergleichsweise schnell aus kieselsteingroßen Fels- oder Eisbrocken, die in turbulenten Wirbeln innerhalb der Staubscheibe zusammengepresst wurden. Als diese großen Objekte anschließend miteinander kollidierten, platzte ihre eisige Hülle immer weiter ab. Übrig blieben ihre felsigen Kerne – die besonders dichten, großen Objekte – sowie größere und kleinere Absprengsel mit geringer Dichte aus Eis.
Belege für diese alternative Theorie können die Wissenschaftler allerdings nur sammeln, wenn sie noch zahlreiche weitere Brocken und Bröckchen vom Rand des Sonnensystems vermessen, insbesondere natürlich solche der Mittelklasse wie 2002 UX25. Und selbst wenn sich dieser dabei als Ausnahmeerscheinung erweisen sollte, erklärt Youdin, bleibe es dabei, dass seine überraschend geringe Dichte "nicht einfach so von der Hand gewiesen werden kann".
Dieser Artikel erschien unter dem Titel "Astronomers surprised by large space rock less dense than water" in Nature 10.1038/nature.2013.14135, 2013.
Schreiben Sie uns!
1 Beitrag anzeigen