Schnelle Radioausbrüche: Ein himmlisches Mysterium
So etwas hatte kein Astronom jemals zuvor gesehen. Und kein Theoretiker vorhergesagt. Aber es gab keinen Zweifel: Am 24. August 2001 wurde die Erde fünf Millisekunden lang von einem heftigen Radiowellenausbruch bestrahlt – ausgesendet von einer unbekannten Quelle, die vermutlich Milliarden von Lichtjahren entfernt war.
"Der Ausbruch war so stark, dass wir ihn nicht ignorieren konnten", sagt Duncan Lorimer, einer der Entdecker. Der Astronom hatte mit seinen Kollegen die Archivdaten des Parkes-Radioteleskops in Australien gesichtet und war dabei auf den Radioausbruch gestoßen. "Aber wir wussten einfach nicht, was wir damit anfangen sollten."
Kurze Radiopulse kommen üblicherweise von Pulsaren, schnell rotierenden Neutronensternen, deren Strahlung mit der Regelmäßigkeit eines Leuchtturmlichts über die Erde streicht. Doch im Gegensatz zu den Radiosignalen von Pulsaren konnte Lorimer, der als Astrophysiker an der West Virginia University in den USA arbeitet, diesen Ausbruch nur ein einziges Mal nachweisen – und er war sehr viel energiereicher als der jedes bekannten Pulsars.
Aber erst, nachdem Lorimer die Daten gemeinsam mit seinem damaligen Chef Matthew Bailes von der Swinburne University of Technology in Melbourne sorgfältig geprüft hatte, dämmerte Lorimer die Bedeutung der Entdeckung: Wenn die Quelle wirklich so weit entfernt war, wie es den Anschein hatte, dann hatte sie in wenigen Millisekunden so viel Energie freigesetzt wie 500 Millionen Sonnen. "Das überzeugte uns davon, dass es sich hier um etwas ziemlich Bemerkenswertes handelt."
Doch die anfängliche Begeisterung wandelte sich in Zweifel, als sie keine weiteren derartigen Ausbrüche fanden. Radioastronomen haben gelernt, mysteriösen Signalen ihrer Detektoren gegenüber misstrauisch zu sein. Die vermeintlichen astronomischen Ereignisse können allzu leicht von Signalen des Mobilfunknetzes, reflektierten Radarstrahlen, seltenen Wetterphänomenen und schlicht von Instrumentenfehlern stammen. Erst in jüngster Zeit, nachdem Beobachter am Parkes Observatory und anderen Radioteleskopen ähnliche Signale registriert hatten, wurde der "Lorimer-Ausbruch" langsam als echtes astronomisches Ereignis akzeptiert. Heute gilt der Ausbruch von 2001 als erste Entdeckung einer neuen und äußerst seltsamen Klasse von astronomischen Strahlungsquellen, den schnellen Radioausbrüchen ("fast radio bursts", kurz FRBs) – die immer noch eines der verblüffendsten Rätsel der Astronomie sind.
Worum auch immer es sich bei diesen Objekten handelt, die neuen Beobachtungen lassen vermuten, dass sie häufig sind: Alle zehn Sekunden sollte irgendwo am Himmel ein FRB aufleuchten. Aber eine Erklärung für das Phänomen gibt es bislang nicht. Theoretiker haben als Quellen verdampfende Schwarze Löcher, kollidierende Neutronensterne und gewaltige magnetische Eruptionen vorgeschlagen. Doch selbst die besten Modelle sind nicht in der Lage, alle Beobachtungen zu erklären, sagt Edo Berger, Astronom an der Harvard University in Cambridge, Massachusetts, der die Lage als "wirres Durcheinander" bezeichnet.
Doch schon bald könnten neue Beobachtungen Klarheit schaffen. Überall auf der Welt werden Teleskope technisch aufgerüstet, um nach den schnellen Radioausbrüchen zu suchen. Eines von ihnen, das Canadian Hydrogen Intensity Mapping Experiment CHIME, sollte bis zu einem Dutzend FRBs pro Tag registrieren, wenn es Ende 2017 in Betrieb geht. "Dieses Forschungsgebiet steht kurz davor zu explodieren", sagt Bailes voraus.
Seltsamer und immer seltsamer
Vielleicht hätten viele Astronomen schon eher Vertrauen in den Lorimer-Ausbruch gehabt – wäre da nicht 2010 die Entdeckung von Sarah Burke-Spolaor gewesen. Sie war gerade dabei, ihre Doktorarbeit an der Swinburne University zu beenden, als sie in den alten Parkes-Daten auf 16 weitere Signale stieß, die das Vertrauen in den Lorimer-Ausbruch erheblich erschütterten.
In vielerlei Hinsicht ähnelten diese Signale dem Lorimer-Ausbruch: Wie dieser zeigen sie eine Dispersion, ihre hochfrequenten Anteile erreichten den Detektor also jeweils wenige hundert Millisekunden vor den niederfrequenten Anteilen. Diese Dispersion war für Lorimer und Bailes das wichtigste Indiz dafür, dass der Ausbruch seinen Ursprung außerhalb der Milchstraße hatte. Elektronen in interstellaren Wolken aus ionisiertem Gas beeinflussen niederfrequente Radiostrahlung stärker als hochfrequente. Das führt zu einer geringfügigen Verzögerung der niederfrequenten Anteile eines Signals – eben zur Dispersion. Im Falle des Lorimer-Ausbruchs war diese Verzögerung so groß, dass das Signal durch mehr Gas hindurchgegangen sein muss, als es allein in der Milchstraße möglich wäre.
Doch zur Beunruhigung von Lorimer und Bailes kamen die von Burke-Spolaor aufgespürten Signale aus allen möglichen Richtungen – nicht nur aus der Richtung, in die das Teleskop zeigte. Damit war klar, dass diese nach einem Fabelwesen "Perytons" getauften Signale keineswegs von außerhalb der Erde kamen. Vielleicht, so spekulierten die Forscher, entstehen sie durch Blitze bei Gewittern oder durch menschliche Technik.
Lorimer entschied, die Erforschung der FRBs eine Weile ruhen zu lassen. "Ich hatte noch keine Festanstellung", erläutert er, "deshalb musste ich mich wieder mehr um Projekte kümmern, die im allgemeinen Trend lagen, um meine Forscherkarriere voranzubringen." Bailes und sein Team gaben jedoch nicht auf und verbesserten die zeitliche Auflösung und die Frequenzauflösung des Parkes-Detektors. Viele Kollegen anderer Institute zweifelten jedoch an einer astronomischen Ursache der FRBs – nicht zuletzt, weil bislang alle FRBs ausschließlich mit dem Parkes-Teleskop entdeckt worden waren. "Ich hoffte deshalb inständig, dass jemand anders diese Ausbrüche mit einem anderen Teleskop finden würde", so Bailes.
Dieser Wunsch ging 2014 in Erfüllung. Ein Team unter der Leitung von Laura Spitler am Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn veröffentlichte Beobachtungen eines schnellen Radioausbruchs mit dem Arecibo-Teleskop. "Ich war überglücklich", erinnert sich Bailes.
Die Arecibo-Entdeckung überzeugte schließlich die meisten Forscher, dass es sich bei den FRBs doch um echte astronomische Erscheinungen handelt, so Emily Petroff vom niederländischen Institut für Radioastronomie in Dwingeloo. Doch die unerklärlichen Burke-Spolaor-Signale warfen weiterhin einen Schatten des Zweifels auf die schnellen Radioausbrüche. "Bei jedem Vortrag über FRBs gab es jemanden, der die Frage aufwarf: Was ist mit den Perytons?", sagt Petroff. Deshalb begann sie 2015, damals noch Doktorandin an der Swinburne University, ein Projekt, um den Ursprung der Perytons endlich zu entlarven.
Zunächst nutzten Petroff und ihre Kollegen den verbesserten Parkes-Detektor, um zu bestimmen, wann die Perytons genau auftraten – wie sich zeigte, stets zur Mittagszeit. "Mir war sofort klar, dass es sich nicht um ein Wetterphänomen handeln konnte", so Petroff. Als ein weiteres Peryton mit einer verdächtig vertrauten Frequenz eintraf, begann das Team mit Experimenten in der Küche des Observatoriums. Wie sich zeigte, entstanden die Perytons, wenn jemand die Mikrowelle während des laufenden Betriebs öffnete. Doch der ursprüngliche Lorimer-Ausbruch war gerettet: Aufzeichnungen zeigten, dass das Teleskop zum Zeitpunkt dieses Signals so ausgerichtet war, dass etwaige Mikrowellenausbrüche aus der Küche nicht hätten empfangen werden können.
"Das kann keine Mikrowelle sein"Matthew Bailes
"Nun machte ich mir Sorgen, dass es am Arecibo-Observatorium vielleicht eine andere Mikrowelle als Ursache gab", sagt Bailes, dessen Team bis dahin 14 einzelne FRBs registriert hatte. Erst 2015 konnte er sich endgültig entspannen, als an einem weiteren Instrument, dem Green Bank Telescope in den USA, ebenfalls ein schneller Radioausbruch nachgewiesen wurde. Und dieser Ausbruch zeigte weitere Eigenschaften, die für einen extragalaktischen Ursprung sprachen: Seine Wellen drehten sich spiralförmig. Dazu kommt es, wenn die Strahlung ein magnetisches Feld durchquert. Zudem zeigten sie eine Streuung, die typisch für die Erzeugung in einem dichten Medium ist. Bailes war beruhigt: "Das kann keine Mikrowelle sein."
Ein Ausbruch von Ideen
Bleibt die Frage, worum es sich bei den schnellen Radioausbrüchen astrophysikalisch handelt. Die extreme Kürze der Signale – gerade einmal fünf Millisekunden – deutet auf kompakte Quellen, die nicht größer als einige hundert Kilometer sein können. Stellare Schwarze Löcher kommen in Frage, ebenso Neutronensterne. Diese kompakten Quellen müssen in dieser kurzen Zeit eine immense Menge an Energie abstrahlen, sonst könnten die Teleskope auf der Erde die Ausbrüche nicht registrieren. Die Liste möglicher Phänomene ist lang – sie reicht von verschmelzenden Schwarzen Löchern bis zu Eruptionen auf Magnetaren, seltenen Neutronensternen mit Magnetfeldern, deren Magnetfeld hundertmillionenfach oder gar milliardenfach stärker ist als das der Sonne.
Einen wichtigen Hinweis lieferte erst in diesem Jahr Spitlers Team: In den Arecibo-Daten fand sich ein FRB, der nicht nur einmal, sondern mehrfach aufleuchtete. Tatsächlich handelt sich sogar um eine ganze Serie von Ausbrüchen über einen Zeitraum von zwei Monaten, von denen einige nur wenige Minuten auseinanderliegen. Die Beobachtungen konnten mit dem Green Bank Telescope bestätigt werden, an dem das Signal in einem anderen Frequenzband nachgewiesen werden konnte. Vorher war jeder FRB nur ein einziges Mal beobachtet worden – ein Hinweis auf katastrophale Ereignisse als Ursache, Kollisionen oder Explosionen, bei denen die Quellen zerstört werden. Doch ein sich wiederholender FRB bedeutet, dass die Quelle den Ausbruch überlebt, so Petroff. Und aus diesem Grund, so erläutert sie weiter, "nehme ich an, dass die Ausbrüche etwas mit Neutronensternen zu tun haben". Denn Neutronensterne zählen zu den wenigen Objekten, von denen man weiß, dass sie Strahlungspulse aussenden können, ohne sich dabei zu zerstören.
Spitler stimmt dieser Ansicht zu. Als Beispiel sieht sie den Krebsnebel, Überrest einer Supernova, die im Jahr 1054 am irdischen Himmel aufleuchtete. Sie ließ einen von leuchtendem Gas umgebenen, schnell rotierenden Pulsar zurück. Der Pulsar im Krebsnebel zeigt ab und an extrem helle und kurze Eruptionen im Bereich der Radiostrahlung. Wäre der Krebsnebel in einer fernen Galaxie, so Spitler, und die Energie dieser Ausbrüche stark verstärkt, dann würden sie wie FRBs aussehen.
Wenn eine der FRB-Quellen wiederholt aufleuchten kann, dann ist die einfachste Annahme, dass das auf alle FRBs zutrifft. Diese wiederholten Ausbrüche wurden nur deshalb nicht beobachtet, so Spitler weiter, weil die Teleskope nicht empfindlich genug sind – oder einfach nicht das Glück hatten, zur richtigen Zeit in die richtige Richtung zu blicken. Andere Forscher vermuten allerdings, dass nicht alle, sondern nur einige der schnellen Radioausbrüche sich wiederholen. "Es würde mich nicht wundern, wenn wir am Ende zwei oder gar drei unterschiedliche Arten von Objekten haben", sagt Petroff.
Eine lange Reise
Eine weitere offene – und wichtige – Frage ist, wie weit die Quellen der FRBs entfernt sind. Die 20 bislang beobachten Ausbrüche scheinen zufällig über den gesamten Himmel verteilt zu sein, es gibt also keine auffällige Konzentration in der Ebene der Milchstraße. Das ist für die Astronomen ein Indiz für einen extragalaktischen Ursprung der Radioausbrüche.
Doch wie Avi Loeb, Physiker an der Harvard University, betont, bedeuten solche großen Entfernungen zugleich einen immensen Ausstoß von Energie. "Wenn der Ausbruch sich wiederholen soll, darf aber die Quelle nicht zerstört werden – und deshalb kann nicht zu viel Energie freigesetzt werden", erläutert der Forscher. "Das liefert uns eine obere Grenze für die Entfernung der Quelle." Vielleicht handele es sich bei den FRBs also doch um Neutronensterne in unserer Milchstraße, so Loeb, und die beobachtete Dispersion stamme von bislang unbekannten Elektronenwolken.
Solche Elektronenwolken sollten jedoch in anderen Wellenlängenbereichen sichtbar sein, sagen weitere Wissenschaftler. Shri Kulkarni vom California Institute of Technology in Pasadena hat die Daten einer ganzen Reihe von Teleskopen nach Hinweisen darauf durchforstet – und nichts gefunden. Kulkarni leitet die optischen Sternwarten des Caltech und war ursprünglich davon überzeugt, die FRBs seien galaktischen Ursprungs. Darauf setzte er bei einer Wette mit dem Astronomen Paul Groot von der Radboud Universität im niederländischen Nimwegen sogar 1000 US-Dollar. Inzwischen findet Kulkarni die Beweise für einen extragalaktischen Ursprung der FRBs überzeugend – und stimmte, wenn auch widerwillig, zu, Groot den Betrag auszuzahlen – allerdings "in Ein-Dollar-Scheinen", wie er sagt.
Kulkarni sieht jedoch die Möglichkeit, dass die Heimatgalaxien der FRBs nicht viele Milliarden, sondern maximal eine Milliarde Lichtjahre entfernt sind. Dann würde zwar ein Teil der Dispersion durch Elektronenwolken in der Ursprungsgalaxie der Ausbrüche erzeugt werden müssen. Aber die geringere Entfernung würde andererseits weniger energiereiche Ereignisse zu ihrer Entstehung erfordern. "Damit wären sie nicht mehr unheimlich exotisch, sondern nur noch exotisch", so Kulkarni.
Welche der beiden Möglichkeiten korrekt ist, hat große Bedeutung für die Beobachter. Wenn die FRB-Signale lokale Plasmawolken durchquert haben, könnten sie den Forschern eine Art "Wetterbericht" aus Nachbargalaxien liefern. Wenn die FRBs aber aus kosmologischen Entfernungen stammen, könnten sie helfen, ein altes kosmisches Rätsel zu lösen.
Seit Jahrzehnten wissen die Astronomen aus Beobachtungen des frühen Universums, dass der Kosmos mehr normale Materie – die aus Elektronen, Protonen und Neutronen aufgebaut ist – enthält, als in Form von Sternen und Galaxien sichtbar ist. Die Forscher vermuten, dass diese fehlende baryonische Materie sich im kalten intergalaktischen Medium versteckt, wo sie praktisch unsichtbar wäre. Doch die Dispersion der FRBs könnte es jetzt erstmalig möglich machen, die Dichte des intergalaktischen Mediums in jeder beliebigen Richtung zu messen. "Wir können damit also eine Art intergalaktischer Tomografie durchführen", so Kulkarni.
Entdeckungen im Eiltempo
Doch zunächst einmal müssen die Astronomen sehr viel mehr schnelle Radioausbrüche aufspüren und deren Positionen am Himmel möglichst genau bestimmen. "Solange das nicht passiert, tappen wir im Dunkeln", gesteht Berger.
Ein Weg, diesem Ziel näher zu kommen, wäre, die FRBs in Echtzeit aus den von einem Radioteleskop gelieferten Daten zu extrahieren. Dann könnten Wissenschaftler an weiteren Observatorien die Ausbrüche sofort auch in anderen Wellenlängenbereichen beobachten. Am Parkes-Teleskop ist das bereits seit vergangenem Jahr möglich, und Arecibo soll noch in diesem Jahr folgen. Im Februar schien sich die Strategie erstmals auszuzahlen: Einem unabhängigen Team gelang es, bereits zwei Stunden nach der Entdeckung eines FRB am Parkes Observatory die entsprechende Himmelsregion zu beobachten. Die Forscher fanden eine sechs Milliarden Lichtjahre entfernte Galaxie am Ort des Ausbruchs. Weitere Beobachtungen ließen jedoch Zweifel daran aufkommen, dass der Radioausbruch wirklich aus dieser Galaxie stammte. Doch selbst, wenn es in diesem Fall nicht geklappt hat – die Methode ist gut und wird auf jeden Fall künftig funktionieren, sagt Lorimer.
Andere Beobachter setzen ihre Hoffnungen in neue Teleskope. Bereits 2014 schlug die Astrophysikerin Victoria Kaspi vom der McGill University in Montreal vor, CHIME für eine Suche nach FRBs aufzurüsten. Das Teleskop ist eigentlich auf die Untersuchung der Expansion des Weltalls im frühen Kosmos spezialisiert. "Doch mir war schnell klar, dass CHIME auch ein fantastisches Instrument für die Suche nach FRBs wäre", so Kaspi. Zwar besitzen große Parabolantennen wie Arecibo eine hohe Empfindlichkeit, doch sie können immer nur einen winzigen Ausschnitt des Himmels beobachten. Im Gegensatz dazu kann CHIME mit seinen vier jeweils 100 Meter langen, Halfpipes ähnelnden Antennen große Streifen am Himmel abscannen. Nach einer Reihe von Tests sollte CHIME bereits im kommenden Jahr die ersten FRBs sehen, sagt Kaspi, und schließlich über ein Dutzend davon pro Tag finden.
Unterdessen modernisieren Bailes und seine Kollegen im australischen Hoskinstown das bereits in den 1960er Jahren gebaute Mongolo Observatory Synthesis Telescope – seine Halfpipe ist 16-mal länger als die von CHIME, allerdings nur ein Viertel so breit. Das Team hat bereits – noch unveröffentlicht – drei FRBs mit dem Instrument registriert, obwohl es erst 20 Prozent seiner angestrebten Empfindlichkeit erreicht habe, so Bailes.
Eine weitere Strategie zur Lokalisierung der FRB-Quellen ist die Nutzung bestehender Einrichtungen wie des Very Large Arrays. Dieses Interferometer nutzt die zeitlichen Differenzen zwischen dem Eintreffen von Signalen an 27 Radioantennen, die über ein 36 Kilometer großes Gebiet nahe Socorro im US-Bundesstaat New Mexico verteilt sind. Aus diesen Unterschieden lässt sich ein einzelnes, hoch aufgelöstes Bild rekonstruieren. Irgendwann im kommenden Jahr, so hofft Lorimer, könnte das VLA einen FRB nachweisen und seine Heimatgalaxie dingfest machen. "Das würde endlich viele Auseinandersetzungen und Wetten beenden", so der Forscher.
Kulkarni leitet unterdessen gleich zwei Projekte für die Suche nach schnellen Radioausbrüchen. Das erste davon nutzt zehn jeweils fünf Meter große Parabolantennen, die zusammengeschaltet zwar nur besonders helle FRBs sehen können, dafür aber ein großes Himmelsgebiet erfassen. Das zweite Projekt treibt dieses Verfahren ins Extreme: Es verwendet zwei 450 Kilometer voneinander entfernte Antennen und kann die Hälfte des Himmels überwachen – so allerdings auch nur die allerhellsten FRBs registrieren. Damit könnten die Forscher vermutlich auch in unserer Milchstraße auftretende FRBs aufspüren – die zwar extrem selten, dafür aber sehr viel heller sein sollten. Existierende Teleskope sind auf derart helle Ereignisse nicht ausgerichtet. "Dort würde man sie als Störung aussortieren", so Kulkarni.
Wenn sich tatsächlich herausstellt, dass die Quellen der FRBs sich in kosmologischen Entfernungen befinden, wäre ihre Identifikation ein großer wissenschaftlicher Durchbruch, betont Loeb. Vielleicht stoßen die Forscher auf eine neue Art von Strahlungsquelle, mit der sich die fehlende baryonische Materie im Kosmos aufspüren lässt. Vielleicht steckt hinter den schnellen Radioausbrüchen aber auch ein Phänomen, an das noch niemand gedacht hat. "Die Natur", so Loeb, "ist viel einfallsreicher als wir."
Dieser Artikel erschien unter dem Titel "Mystery in the heavens" bei "Nature".
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