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News: Ein Krebsmittel aus dem chinesischen Kräutergarten

Seit vier Jahrtausenden befindet sich Indirubin im chinesischen Apothekenschrank. Es ist ein chemischer Verwandte des Indigo-Blaus, das die Farbe in Jeans bringt, und wird in der Therapie gegen Leukämie eingesetzt. Nun weiß man, wie es wirkt: Indirubin blockiert Enzyme, die an der Zellteilung beteiligt sind.
Krebs beruht im wesentlichen auf einer Fehlsteuerung der Zellteilung. Die Folge ist ein unkontrolliertes Wachstum, das zu Tumoren führt. Aus diesem Grund sind alle Wirkstoffe, die Zellen an ihrer Fortpflanzung hindern, potentielle Medikamente gegen Krebs – darunter finden sich auch einige im Fundus der traditionellen chinesischen Medizin. Diese gründet auf jahrtausendlange Erfahrung und besitzt eine gewaltige Auswahl an Medikamenten: Mehr als 5 500 natürliche Quellen (über achtzig Prozent davon sind Pflanzen) bilden die Grundlage für fast eine halbe Million Heilmittel – darunter auch Substanzen, die angeblich gegen "Krebs" eingesetzt werden. Ob sich die chinesische und westliche Definition der Krankheit jedoch immer decken, ist unklar.

Bei einigen gelang jedoch der westlich-wissenschaftliche Beweis für die Wirkung. So wird häufig bei chronisch myelocytischer Leukämie (CML) das Heilmittel Danggui Longhui Wan verschrieben, eine Mischung aus elf einzelnen Kräutermedikamenten, von denen einige selbst wieder komplexe Mixturen darstellen. Vor mehr als dreißig Jahren begannen Forscher an der Chinese Academy of Medical Sciences herauszufinden, was Danggui Longhui Wan zu seiner Wirkung verhilft. Sie konzentrierten sich auf den Bestandteil Qing Dai, ein dunkelblaues Pulver, das aus den Blättern von fünf unterschiedlichen Pflanzen hergestellt wird. Zu seiner Farbe gelangt es, weil es zu einem großen Teil aus dem blauen Indigo besteht. Im Verlaufe ihrer weiteren Arbeit gelang es den Wissenschaftlern, die Anti-Krebswirkung auf Indirubin (oder Indigorot), einer Variante des blauen Farbstoffs einzuschränken. Dieses Heilmittel ist nur gering giftig, ein gravierender Nachteil besteht jedoch darin, daß es sich nicht gut in Wasser lösen läßt. Da dies die Aufnahme durch den Körper erheblich erschwert, begann man, chemische Abkömmlinge, sogenannte Derivate, zu untersuchen, die wirksamer und löslicher waren. Wie Indirubin und seine Derivate funktionieren, wußte damals niemand.

Jetzt ging ein Forschungsteam um Laurent Meijer am Cell Cycle Laboratory in Frankreich der Wirkung von Indirubin auf den Grund – und wurden bei CDK (cyclin-dependent kinase) fündig. Diese Enzyme stellen Schlüsselfiguren in der Zellteilungsmaschinerie dar. Um wirken zu können, müssen sie jedoch mit Energie versorgt werden. Das geschieht über das energiereiche Adenosintriphosphat (ATP). Die Abkömmlinge des Indirubins legen nun CDK lahm, indem sie deren Aufnahme von ATP blockieren. Damit wird die Zellteilung gestoppt. Da in Krebszellen die Teilung besonders stark vor sich geht, sind diese Zellen viel anfälliger für das Indirubin als gesunde (Nature Cell Biology, Mai 1999).

Die beiden Derivate, welche die Forschergruppe untersuchte, zeigten Unterschiede in ihre Effektivität. Indirubin-5-Sulfonsäure ist höchst wirksam bei der Bindung an CDK im Reagenzglas. Insgesamt wird die Zellteilung aber nicht besonders stark gehemmt. Die Forscher sehen einen möglichen Grund darin, daß die Substanz nicht so leicht in die Zellen eindringen kann. Das zweite Derivat, Indirubin-3'-Monoxim, bindet zwar nicht so gut an CDK, kommt jedoch besser an die Stelle, wo es gebraucht wird und beeinträchtigt damit die Fortpflanzung einer großen Anzahl von Zelltypen.

Indigo entsteht bei der Gärung von Blättern mehrerer hundert Pflanzen. Die Forscher halten es durchaus für denkbar, daß bei der Bildung des Farbstoffes auch andere nützliche chemische Verwandte enstehen könnten, von deren Wirkung man noch nichts weiß.

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