News: Ein Molekülbaukasten für Chemiker
Saw-Wai Hla und seine Kollegen von der Freien Universität Berlin glauben, dass sie genau dies getan haben (Physical Review Letters vom 25. September 2000, Abstract). Ihre Laborbank bestand aus einer ultraglatten Kupferoberfläche, und das einzige Werkzeug war ein Rastertunnelmikroskop.
Auf das Wesentliche reduziert besteht ein Tunnelmikroskop aus einer feinen Nadel, die über eine Oberfläche fährt. Zwischen den beiden herrscht eine elektrische Potentialdifferenz. Ab und zu tunnelt ein Elektron von der Spitze zur Oberfläche oder umgekehrt, das heißt, es "springt über", sodass ein kleiner Strom fließt, den das Mikroskop misst. Je geringer der Abstand zwischen Nadel und Oberfläche ist, umso größer ist dieser Tunnelstrom. Befinden sich auf der Oberfläche angelagerte Moleküle, so verändern auch sie auf Grund ihrer anderen physikalischen Eigenschaften den Elektronenfluss. Indem das Mikroskop in dicht liegenden Zeilen über die Probe wandert, erfasst es nach und nach dessen elektronische Struktur, die ein Computer zu einem Bild der Oberfläche umsetzt.
Die Berliner Forscher verteilten auf ihrem Kupfertischchen die Substanz Iodbenzol – ein Ring aus sechs Kohlenstoffatomen, an dem ein Jodatom hängt. Mit der Spitze ihres Tunnelmikroskops fuhren sie direkt über ein einzelnes Molekül und gaben einen kurzen Spannungspuls, durch den einige Elektronen von der Nadel auf das Iodbenzol übersprangen. Dadurch wurden aus einem Hügel zwei Erhebungen. Die Wissenschaftler sehen das als Hinweis auf eine Spaltung in den Kohlenstoffring und das Jodatom. Anschließend zogen sie zwei solcher Ringe dicht zusammen, injizierten abermals mit der Nadelspitze Elektronen und verschmolzen so die beiden Hügelchen zu einem. Aus zwei Molekülen Iodbenzol waren also zwei Phenyle – so heißen die Kohlenstoffringe chemisch – und schließlich ein Biphenyl-Molekül geworden.
Allerdings ist das streng genommen nur die Interpretation der Forscher. Es ist nämlich durchaus schwierig, die unscharfen Bilder der Moleküle zu deuten. Deshalb sind einige Chemiker noch zögerlich mit ihrem Beifall. Aber sollten weitere Experimente das neue Syntheseverfahren bestätigen, eröffnen sich neue Welten einer sehr individuellen Chemie – bis auf die Ebene der Moleküle und Atome.
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 29.9.2000
"Den richtigen Abstand, bitte!" - Spektrum Ticker vom 7.4.2000
"Baumelnde Bindungen mit dem Tunnelmikroskop" - Spektrum Ticker vom 30.11.1999
"Kohlenmonoxid auf die Spitze getrieben"
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