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Energieumwandlung: Ein Motor mit quantenmechanischem Antrieb

Ein Forschungsteam hat eine völlig neue Art Motor entwickelt. Sie setzen dabei auf ein quantenmechanisches Phänomen statt auf Kraftstoffe oder Strom.
Ein abstrakter goldener Lichtring
Wenn sich Fermionen in Bosonen umwandeln, wird Energie frei, die sich als Antrieb für einen Quantenmotor verwenden lässt - zumindest theoretisch.

Dampfmaschine, Verbrennungsmotor oder Raketenantrieb: Obwohl sich die technischen Details dieser Motoren unterscheiden, ist ihre Funktionsweise prinzipiell gleich. Wenn unter hohem Druck ein Kraftstoff-Luft-Gemisch verbrannt wird, dehnt sich das Ganze schlagartig aus und setzt einen Kolben in Bewegung. Dadurch wird Wärme in Bewegungsenergie umgewandelt. Elektromotoren, die in den letzten Jahren in der Automobilbranche immer häufiger eingesetzt werden, wandeln hingegen elektrische in kinetische Energie um. Seit Jahrhunderten macht sich die Menschheit diese Prinzipien zu Nutze, um Fahrzeuge anzutreiben, Flugzeuge fliegen zu lassen oder Schiffe über die Ozeane zu befördern.

Eine völlig neue Art von Motor hat ein Team um die Physikerin Jennifer Koch von der Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau entwickelt: Die Forscherinnen und Forscher stellen in ihrer bei »Nature« erschienenen Arbeit einen quantenmechanischen Antrieb vor. Ein solcher Quantenmotor wäre nicht auf die Zündung eines Brennstoffs angewiesen, sondern die Energieumwandlung stützt sich auf ein quantenmechanisches Phänomen, das mit den fundamentalen Eigenschaften von Elementarteilchen zusammenhängt.

Grundlage für den Antrieb ist, dass sich alle bekannten Teilchen in zwei Klassen einteilen lassen. Elementarteilchen gehören entweder zu den so genannten Fermionen, aus denen sich die Materie zusammensetzt, wie Elektronen oder Quarks. Oder sie zählen zu den Bosonen, den Kraft vermittelnden Teilchen wie Photonen (die die elektromagnetische Kraft übermitteln) oder Gluonen (die die starke Kernkraft übermitteln). Beide Teilchenklassen unterscheiden sich stark voneinander: Während sich Bosonen gern häufen und gemeinsam den niedrigsten Energiezustand einnehmen, meiden Fermionen einander. Es ist zwei identischen Fermionen zum Beispiel verboten, den gleichen Quantenzustand einzunehmen. Diesem Umstand, der als Pauli-Prinzip bekannt ist, verdanken wir den Aufbau der Materie. Wegen des Pauli-Prinzips ordnen sich Elektronen innerhalb von Atomen in »Schalen« mit unterschiedlichen Energieniveaus an.

Teilchenfamilien | Während Bosonen dazu neigen, sich zu versammeln, meiden Fermionen einander.

Koch und ihre Kolleginnen und Kollegen nutzten für ihre Arbeit eine entscheidende Eigenschaft dieser zwei Teilchenfamilien aus: Verbindet man zwei Fermionen miteinander, etwa zwei Elektronen, dann verhält sich das Teilchenduo wie ein Boson. Der Plan der Fachleute bestand darin, ein System aus Fermionen sehr stark abzukühlen, damit sie einen möglichst niedrigen Energiezustand annehmen. Da die einzelnen Fermionen wegen des Pauli-Prinzips jedoch nicht exakt den gleichen Zustand haben dürfen, bilden sie eine Art Turm. Ein Teilchen nimmt den niedrigsten Energiezustand ein, das zweite den nächsthöheren und so weiter. Indem die Forscherinnen und Forscher die Teilchen anschließend paarweise koppelten, wandelten sich die Fermionen in Bosonen um. Dadurch konnten die Teilchenduos alle gemeinsam den niedrigsten Energiezustand bevölkern, denn für sie gilt das Pauli-Prinzip nicht mehr. Durch diesen Übergang wird Energie frei, die sich als Antrieb für einen Quantenmotor verwenden lässt.

»Damit haben wir eine quantenmechanische Alternative zum Zünden eines Kraftstoffs geschaffen, mit der sich unser Quantenmotor betreiben lässt«Jennifer Koch, Physikerin an der Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau

Die Forschungsgruppe um Koch hat diese Idee im Labor bereits umgesetzt. Dazu kühlte sie Lithiumatome, die zur Klasse der Fermionen gehören, mit Magneten und Lasern bis kurz vor den absoluten Temperaturnullpunkt von minus 273,15 Grad Celsius herunter. Die Atomwolke hat dann eine Energie, die proportional zum Quadrat der Teilchenzahl ist. Indem die Fachleute die Atome durch ein geeignetes Magnetfeld miteinander koppelten, entstanden Teilchenpaare, die sich wie Bosonen verhielten. Deren Energie ist jedoch nur proportional zur Anzahl der Teilchen, nicht zum Quadrat – und damit deutlich kleiner. Den Übergang von Fermionen zu Bosonen konnten die Fachleute durch eine geeignete Einstellung des Magnetfelds auch wieder umkehren: »Der Gesamtenergiebetrag des Fermionen-Ensembles ist höher«, erklärt Koch. »Damit haben wir eine quantenmechanische Alternative zum Zünden eines Kraftstoffs geschaffen, mit der sich unser Quantenmotor betreiben lässt.«

Der Kreisprozess der Quantenmaschine funktioniert dabei wie folgt: Man startet mit der Atomwolke im bosonischen Zustand mit niedriger Energie und presst die Atome durch geeignete Einstellung der Laser zusammen. Dann werden die Teilchen in Fermionen umgewandelt, wodurch das Energieniveau des Systems steigt. Anschließend dehnt sich die Teilchenwolke wieder aus und die Lithiumatome werden paarweise zu Bosonen gekoppelt, so dass man wieder im Ausgangszustand landet. Die Forscherinnen und Forscher konnten damit insgesamt eine Effizienz von 25 Prozent erzielen.

Auf diese Weise konnten sie zeigen, dass ein quantenmechanischer Antrieb zumindest theoretisch funktionieren würde. »Im Moment sind wir von einer konkreten Anwendung noch entfernt, weil unsere Entwicklung nur unter speziellen Versuchsbedingungen funktioniert«, sagte der Physiker Artur Widera, Koautor der aktuellen Arbeit. Dennoch gibt er sich optimistisch: »Unser Motor hatte im Vergleich zu einer Standardmaschine bereits eine gute Leistung. Und je mehr Teilchen die Ensembles enthalten, desto höhere Energieniveaus und damit Energieausbeuten lassen sich erreichen.«

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