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News: Ein Pulsar mit doppeltem Kick pro Umlauf

Pulsare sind Exoten am Sternenhimmel, die immer für eine Überraschung gut sind. Das neueste Rätsel stammt von einem Pulsar, der auf seiner Bahn um den Begleitstern bei jedem Umlauf zweimal Röntgenstrahlung aussendet, statt das erwartete eine Mal.
Colleen Wilson vom Marshall Space Flight Center der NASA beschreibt in einem Artikel, der zur Veröffentlichung im Astrophysical Journal akzeptiert wurde, die Entdeckung eines akkretierenden Röntgenstrahlen-Pulsars, der im sichtbaren Spektralbereich nicht zu beobachten ist.

Wenn GRO J2058+42 aktiv ist, sendet er anscheinend bei jeder Umrundung seines Primärsternes zweimal Röntgenstrahlen aus. "Das ist ein ungewöhnliches Verhalten", sagte die Wissenschaftlerin. "Es unterscheidet sich von dem anderer akkretierender Pulsare". Dabei handelt es sich um Pulsare, die von einem größeren Mutterstern Materie "aufsaugen" und dabei Röntgen- und Gammastrahlen aussenden. Bisher sind zwölf akkretierende Röntgenpulsare ohne optisch sichtbaren Begleiter entdeckt worden, die aber sonst alle einmal pro Umlauf "senden".

Wilson machte ihre Entdeckung mit dem Burst and Transient Source Experiment (BATSE) an Bord des Compton Gamma Ray Observatory und führte weitere Beobachtungen mit dem Rossi X-ray Timing Explorer durch.

Pulsare – rotierende Neutronensterne – gehören zu den faszinierendsten Himmelskörpern. Sie wurden 1965 entdeckt, als Radioastronomen verschiedene Objekte beobachteten, die in präzise eingehaltenen Zeitabständen Radiowellen aussenden. Die Quellen wurden bald als schnell rotierende Neutronensterne mit intensiven Magnetfeldern identifiziert. Radiopulsare zeichnen sich durch eine Regelmäßigkeit aus, die mit der einer Schweizer Uhr vergleichbar ist; akkretierende Pulsare ähneln dagegen eher billigen Weckern, die schnell vor- oder nachgehen – und versagen, wenn man es am wenigsten erwartet.

Seit dem Start von BATSE haben Astrophysiker 20 der 45 bekannten Pulsare entdeckt und fanden weitere fünf neue Röntgenpulsare. Diese akkretierenden Pulsare sind nicht zu verwechseln mit den mysteriösen Gammastrahlen-Explosionen, die offenbar vom Rand des Universums stammen. Sie haben zwar genug Energie, damit BATSE sie registrieren kann, doch sie werden nicht immer sofort bemerkt.

Als Wilson im September 1995 BATSE-Daten nachprüfte, stieß sie auf eine Explosion, die 140 Milli-Crab hell war (das entspricht 140 Tausendstel der Helligkeit des Krebs-Nebels, den die Astrophysiker als Vergleichsgröße nutzen). Nach Bearbeitung der Daten mit dem Computer fand sie heraus, daß die Quelle alle 198 Sekunden aufleuchtete. Dies deutete auf ein massives, kompaktes Objekt hin, das sich sehr schnell dreht.

GRO J2058+42 (die Zahlen stehen für die ungefähre Position: 20 Stunden und 58 Minuten entlang des Himmelsäquators, 42 Grad Nord) hatte den Beginn eines gigantischen Ausbruchs signalisiert, der sich über einen Zeitraum von 46 Tagen erstreckte. Er erreichte seinen Höhepunkt bei 140 Milli-Crab. BATSE registrierte außerdem über 500 Tage lang kleinere Ausbrüche.

Die Beobachtungen des gesamten Himmels durch BATSE und Rossi zeigten alle 54 Tage Ausbrüche. Mit BATSE konnte nachgewiesen werden, daß deren Helligkeit in einem 110-Tage-Zyklus schwankte. Es wurde klar, daß Wilson etwas Neuem auf der Spur war.

Bei den anderen durch Akkretion von Masse angetriebenen Pulsaren erfolgen die Emissionen nur einmal pro Umkreisung (wenn sie überhaupt auftreten). Mitunter bleiben sie für mehrere Wochen oder Monate aus. Die zweimal pro Umkreisung auftretenden Ausbrüche von J2058+42 sind dagegen neu.

Laut Wilson besteht eine mögliche Erklärung darin, daß J2058+42 ein binäres Sternensystem ist, das aus einem Stern des Typs Be (ein B-Stern mit Emissionslinien) mit einer Masse, die ungefähr dem Acht- bis 15-fachen der Sonnenmasse entspricht, sowie einem Neutronenstern in einer schiefen Umlaufbahn besteht. Der Be-Stern stößt mit einem ungewöhnlichen Sonnenwind Gas aus, das sich in der Äquatorebene scheibenförmig ansammelt. Da die Umlaufbahn des Neutronensterns gegen den Äquator gekippt ist, wandert er zweimal in 110 Tagen durch die Materiescheibe. Als Ergebnis ist J2058+42 die meiste Zeit ruhig und stößt zweimal pro Umkreisung Röntgenstrahlen aus, während der dichte, magnetisch intensive Neutronenstern sich seinen Weg durch die Gaswolke bahnt. Wenn der Pulsar in der Nähe des Periastron (der dichtesten Stellung zum Stern) ist, sind die Ausbrüche intensiver und erreichen etwa 1,4 Prozent der Helligkeit des Krebs-Nebels. Befindet sich der Pulsar dagegen in der Nähe des Apastrons (am vom Stern entfernt), sind sie schwächer und betragen weniger als ein Prozent, was nahe an der Empfindlichkeitsgrenze von BATSE ist.

Eine wahrscheinlichere Erklärung besteht Wilson zufolge darin, daß der Pulsar die Akkretionsscheibe im Periastron aufwickelt und seine Materie-Aufnahme beschleunigt. Im Apastron nimmt er dann nur etwas vom Sonnenwind zu sich.

Die Zuordnung zur Gruppe der Binärsysteme aus einem Be-Stern und einem Pulsar stützt sich rein auf das Verhalten von J2058+42, das mit dem anderer Doppelsysteme übereinstimmt. "Ungefähr bei der Hälfte der bekannten Doppelsternsystemen mit hoher Masse, die Röntgenpulsare enthalten, ist der Primärstern vermutlich ein Be-Stern", sagte die Wissenschaftlerin. Die hohe Masse bezieht sich hierbei auf den begleitenden Stern, nicht auf den Pulsar. Leider konnte keiner das neue Objekt mit anderen Methoden betrachten und die Überlegungen so optisch bestätigen. Wilson zufolge, ist dies das sechste Mal, daß BATSE ein Objekt gefunden hat, für das keine sichtbare Komponente zu finden war.

"Teilweise besteht das Problem darin, daß die Fehlergrenzen so groß sind", sagte sie. BATSE ist zur Beobachtung des gesamten Himmels konzipiert, deshalb kann es eine Quelle nicht mit der gleichen Genauigkeit lokalisieren wie ein Teleskop, das auf einen Stern ausgerichtet wird. Daten aus den Jahren vor 1995, die von BATSE und vom Röntgensatelliten der ESA stammen, zeigten auch nichts, das als mögliche Quelle in Frage kommt. Auch eine Studie optischer Bilder brachte keine Erklärung, möglicherweise, weil interstellarer Staub das Sternenlicht einfach schluckt, bevor es hier ankommt.

Obwohl die Rossi-Beobachtungen die geschätzte Position auf 4 Bogenminuten eingeengt haben (das entspricht etwa einem Achtel des scheinbaren Monddurchmessers), ist der Fehlerbereich immer noch ziemlich groß für die Suche mit optischen Teleskopen. Wilson schätzt die Entfernung zu J2058+42 auf 23 000 bis fast 50 000 Lichtjahre (nahezu ein Viertel des Weges durch die Galaxis).

Mittlerweile ist J2058+42 zu ruhig geworden, als daß BATSE ihn entdecken könnte. Wilson wird weiter die Daten prüfen und erwartet gespannt die Beobachtungen vom Rossi Explorer, die demnächst durchgeführt werden müßten.

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