News: Ein rein biologisches Ersatzteil
„Wir glauben, daß dies einen fundamentalen Durchbruch darstellt, der zur künstlichen Herstellung einer Vielzahl von Geweben führen könnte“, sagte John Frangos, Professor für Biotechnik an der UC San Diego.
Derzeit wird das meiste künstlich hergestellte Gewebe für Haut, Blutgefäße und Knorpel auf Gerüsten aus synthetischen Materialien oder Tierprodukten aufgebaut. Diese extrazelluläre Matrix gibt dem Gewebe Gestalt und Form. Menschliche Zellen wie Fibroblasten und Muskelzellen werden in die künstliche Verschalung eingebracht. Schließlich wachsen die menschlichen Zellen in das biologisch abbaubare künstliche Material ein und bedecken es mit extrazellulären Matrixproteinen.
Ein Gewebe, das komplett aus den eigenen Zellen des Patienten hergestellt wurde, bietet einige entscheidende Vorteile. „Wir vermeiden Immunreaktionen, die zu einer vollständigen Abstoßung führen, und wir verringern die Gefahr, daß der Körper mit einer chronischen Entzündung auf das Transplantat reagiert, die zur Bildung von vernarbtem Gewebe führt“, sagte L'Heureux. „Infolgedessen sind wir vielleicht eines Tages in der Lage, kleinere funktionale Gefäßtransplantate herzustellen, die perfekter zum natürlichen Blutgefäßdurchmesser passen und dadurch das Blutstromverhalten im Gefäß verbessern.“
Bei einer Bypass-Operation wird der verstopfte Abschnitt der Arterie durch ein Transplantat aus einer anderen Arterie oder einer Vene aus dem Bein des Patienten ersetzt. Allerdings hat diese Technik gewisse Nachteile. Ein Venentransplantat muß, um die Arbeit einer Arterie zu erledigen, zusätzliche Muskeln bilden, die schließlich das Transplantat verstopfen können. Patienten benötigen daher oft eine erneute Bypass-Operation, und in vielen Fällen besitzt der Patient nicht genügend gesundes Gewebe für weitere Transplantate. Darüberhinaus kann Atherosklerose periphere Blutgefäße verstopfen, zum Beispiel die Blutgefäße in wichtigen Arterien der Beine. In all diesen Fällen könnten technisch hergestellte Gefäßtransplantate eingesetzt werden.
Der Schlüssel für die technische Herstellung von vollständig biologischem Gewebe ist das Design des Bioreaktors. Die LOEX-Technik funktioniert, indem Fibroblasten aus den Haut- und glatten Muskelzellen des Empfängers aus einer oberflächennahen Vene entnommen werden. Diese zellulären Bausteine erzeugen Collagen und andere Proteine, die sich miteinander verflechten und so eine starke und flexible tuchähnliche Matrix bilden. Das „Tuch“ wird dann um eine Röhre gewickelt, um ihm die Form eines Blutgefäßes zu geben. Die Röhre wird in einen Bioreaktor gelegt, in dem eine Nährflüssigkeit aus Aminosäuren und Vitaminen durch und um die Gefäße herum fließt. Temperatur, pH-Wert, Atmosphäre und Nährsubstanzmischung werden sorgfältig kontrolliert. Schließlich werden endotheliale Zellen, die die Blutgefäßwand bilden, in die Proteinmatrix eingebracht, und die Röhre wird entfernt.
„Die biochemische und mechanische Umgebung kann die Gen-Expression beeinflussen und das Verhalten der Zelle grundlegend ändern“, sagte L'Heureux. „Durch den Bioreaktor ahmen wir die Körperumgebung nach und verwandeln die Hautzellen in Blutgefäßzellen.“
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