Schwarze Löcher: Ein Riese im jungen Universum
Es wird allgemein angenommen, dass jede massereiche Galaxie ein extrem massereiches Schwarzes Loch im Zentrum trägt. All diese Schwarzen Löcher mit ihren anfänglich zwischen 100 und 100 000 Sonnenmassen [1] bildeten sich wohl im jungen Universum. Erst mit der Zeit sammelten einige von ihnen dann immer mehr interstellare Materie aus ihrer Umgebung oder verschmolzen mit anderen Schwarzen Löchern – und wuchsen so deutlich auf ihre heutige Größe an. Die massereichsten Schwarzen Löcher, die im näheren Universum entdeckt wurden, enthalten mehr als zehn Milliarden Sonnenmassen [2,3]. Zum Vergleich: Das Pendant in unserem eigenen Milchstraßensystem bringt es auf vier bis fünf Millionen Sonnenmassen [4]. Nun beschreiben Xue-Bing Wu und seine Kollegen ein bemerkenswert junges Schwarzes Loch, dass aber bereits zwölf Milliarden Sonnenmassen vereint: Das Objekt "SDSS J010013.02+280225.8" stammt aus einer Zeit, als das Universum nur 875 Millionen Jahre alt war, sechs Prozent des heutigen Alters [5].
Die Astronomen fanden dieses Monster in Bilddaten aus dem optischen und nahinfraroten Spektralbereich, weil es Gas in großer Menge akkretiert: Das Gas wird zum Schwarzen Loch durch die Schwerkraft gezogen und kann einen Teil seiner potenziellen Energie effizient abstrahlen. Materie aufsammelnde Schwarze Löcher können daher sehr hell sein und erscheinen über das Universum hinweg als leuchtstarke Quellen, die als Quasare bezeichnet werden. Da das Licht von einem sehr weit entfernten Quasar Milliarden Jahre benötigt, um die Erde zu erreichen, beobachten die Astronomen solche akkretierenden Schwarzen Löcher, wie sie zu Zeiten des jungen Universums erschienen.
Es war überraschend – wenn auch längst theoretisch vorstellbar –, ein so massereiches Schwarzes Loch im frühen Universum aufzuspüren. Denn dafür muss das Objekt in seiner vergleichsweisen kurzen Existenz Gas mit annähernd maximalem Tempo akkretiert haben, wobei das Geschwindigkeitslimit durch den Strahlungsdruck der einfallenden Materie gesetzt wird. Die Astronomen sind überrascht, wie lange die annähernd maximale Materieaufnahme angehalten haben muss: Eigentlich hätte die starke Strahlung des Quasars die Akkretion früher stoppen können.
Wu und seine Koautoren hoffen nun, durch die weitere Untersuchung des Schwarzen Lochs auch mehr über die Entstehung von massereichen Galaxien im frühen Universum herausfinden zu können. Denn im Allgemeinen besteht eine enge Beziehung zwischen der Masse Schwarzer Löcher und der Gesamtmasse der Galaxie, in der sie sich befinden: Typischerweise ist die Masse des Schwarzen Lochs höher, wenn es sich in einer massereicheren Galaxie aufhält. Dabei liegt das Verhältnis der Massen des Schwarzen Lochs zu derjenigen der Galaxie zwischen 0,14 und 0,5 Prozent [6,7]. Wenn sich dieses typische Verhältnis auch im jungen Universum bestätigt, so brächten es die Sterne der Galaxie um SDSS J010013.02+280225.8 auf beeindruckende vier bis neun Billionen Sonnenmassen – ebenso viel wie die massereichsten Galaxien im heutigen Universum.
Faszinierenderweise ist das von Wu und seinen Koautoren entdeckte Schwarze Loch nicht nur das massereichste im jungen Universum, es ist auch durch die hohe Akkretionsrate das bei Weitem hellste Objekt aus dieser kosmischen Epoche. Der Quasar lässt sich dazu nutzen, mehr über den fernen Kosmos zu erfahren. Auf dem Weg, den das Licht des Quasars zu den Beobachtern auf der Erde zurücklegt, passiert es das intergalaktische Medium, dessen Elemente das Spektrum bei spezifischen Wellenlängen verändern. Die extreme Helligkeit des neu entdeckten Quasars erlaubt es nun, die Metallgehalte im intergalaktischen Medium des jungen Universums genauer als je zuvor zu messen. Das sollte Astronomen neue Informationen über die Sternentstehungsprozesse kurz nach dem Urknall verschaffen, welche diese Metalle erzeugten.
Nach SDSS J010013.02+280225.8 hoffen Astronomen bei den nächsten Himmelsdurchmusterungen [8] schon auf ähnlich helle Quasare in noch größerer Entfernung. Zwar werden akkretierende Schwarze Löcher in noch früheren kosmischen Epochen immer seltener – diese kosmischen Riesen sind aber ideale Objekte, um mehr über das Universum während der ersten wenigen hundert Millionen Jahren nach dem Urknall zu erfahren.
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