Biochemie: Ein Ring für die Farben des Lebens
Ohne sie wäre das Leben sicher weniger bunt; denn die Porphyrine – ihr Name ist von dem griechischen Wort "porphyros" für purpurfarben abgeleitet – sind die häufigsten Farbstoffe im Tier- und Pflanzenreich. Sie haben alle dasselbe chemische Grundgerüst: Vier so genannte Pyrrolringe aus je vier Kohlenstoffatomen und einem Stickstoffatom sind durch vier Methingruppen (CH) zu einem großen, ebenen, aromatischen Ring verbunden. Dieser kann in seinem Zentrum eine Reihe verschiedener Metallionen binden.
Jeder solche Komplex hat eine besondere Farbe – und eine spezielle biologische Funktion. Die grünen Chlorophylle enthalten Magnesium und spielen eine wesentliche Rolle bei der Fotosynthese der Pflanzen. Die roten Häme sind Eisen-Porphyrin-Komplexe und dienen als Sauerstoff- und Kohlendioxidtransporter im Blut sowie als Bestandteile der Elektronentransportkette für die Zellatmung. Außerdem verleihen sie als Kofaktoren vielen Enzymen ihre katalytische Aktivität.
Mit Nickel im Ringzentrum bilden Porphyrine das Koenzym F430, das eine Schlüsselfunktion im Methanstoffwechsel von Bakterien ausübt. Vitamin B12 schließlich entsteht durch Bindung von Kobalt an einen Porphyrinabkömmling. Der Mangel an diesem Vitamin verursacht die perniziöse Anämie, eine Form der Blutarmut, und beeinträchtigt die Funktion von Gehirn und Nerven. Da die Porphyrine in fast allen Organismen vorkommen und wesentliche Aufgaben erfüllen, können sie demnach mit Fug und Recht als die "Farben des Lebens" gelten.
Deshalb überrascht es auch kaum, dass Störungen ihres Stoffwechsels weit reichende Folgen haben. Eine solche Porphyrie beim englischen König Georg III. (1738–1820) wirkte sich wahrscheinlich verhängnisvoll auf seine politischen Entscheidungen aus und führte so zum Abfall der amerikanischen Kolonien und zur Gründung der Vereinigten Staaten von Amerika. Typische Symptome dieser Krankheit finden sich auch bei der literarischen Figur des Grafen Dracula und haben zum Entstehen des Vampirmythos beigetragen. Schließlich beruht die Wirkung bestimmter Unkrautvernichtungsmittel auf der gezielten Hemmung der Porphyrinsynthese.
Die Porphyrine bilden sich im Pflanzen- und Tierreich aus unterschiedlichen Vorläufermolekülen. Doch ab der delta-Aminolävulinsäure sind die nächsten Syntheseschritte bis zum Protoporphyrin bei allen Organismen identisch. Danach bindet das noch universell einsetzbare Molekül das jeweilige Metallion und wird so auf seine spätere Funktion festgelegt. Ab hier trennen sich die Syntheserouten wieder.
Den letzten gemeinsamen Schritt – den Übergang vom Protoporphyrinogen zum Protoporphyrin – katalysiert eine Oxidase. Sie sitzt bei Tieren an der inneren Membran der Mitochondrien, den Kraftwerken der Zellen. Pflanzen hingegen verfügen zusätzlich über eine zweite Form des Enzyms. Diese befindet sich auf der äußeren Membran der Chloropasten, in denen die Fotosynthese stattfindet. Die beiden Varianten haben nur 25 Prozent ihrer Aminosäuresequenz gemeinsam und werden von unterschiedlichen Signalpeptiden flankiert – kurzen Aminosäureketten, die neu synthetisierte Proteine zu ihren jeweiligen Bestimmungsorten in der Zelle dirigieren.
Die Protoporphyrinogen-Oxidase entfernt insgesamt sechs Wasserstoffatome aus ihrem farblosen Substrat und verwandelt es auf diese Weise in das durch Licht aktivierbare, rote Pigment Protoporphyrin IX. Der Reaktionsmechanismus ist noch nicht vollständig aufgeklärt. Es handelt sich um drei aufeinander folgende, vom Kofaktor Flavin-Adenin-Dinukleotid (FAD) vermittelte Dehydrierungen am inneren Ring des Protoporphyrinogen-Moleküls mit einer nachgeschalteten komplexen Umlagerung der verbliebenen Wasserstoffatome.
Kutane Porphyrien beispielsweise verursachen durch Licht hervorgerufene Schwellungen der Haut mit Juckreiz bis hin zu Ausschlägen und Blasenbildung. Akute Porphyrien dagegen betreffen das Nervensystem, wobei die Symptome teilweise durch den Mangel an Vitamin B12 entstehen, das sich von einem Porphyrin ableitet. Es kommt zu Störungen der Hirnfunktion, die von leichter Verstimmung bis zu schweren neurologischen Ausfällen reichen und mit Schmerzen, Muskelschwäche und Erbrechen einhergehen können. Zu den akuten Porphyrien zählen drei verwandte Erbkrankheiten: die akute intermittierende Porphyrie, die hereditäre Koproporphyrie und die Porphyria variegata. Die anfallartig auftretenden Symptome werden dabei häufig durch Fremdstoffe ausgelöst – wie Schwermetalle, halogenierte aromatische Kohlenwasserstoffe und andere Substanzen, die in die Porphyrinsynthese eingreifen können.
Bei der Porphyria variegata funktioniert die Protoporphyrinogen-Oxidase nur eingeschränkt. Eines der beiden Exemplare des zugehörigen Gens ist defekt, so dass die Enzymaktivität nur ungefähr die Hälfte des normalen Niveaus erreicht. Die Betroffenen können sowohl unter neuropsychiatrischen Symptomen leiden als auch unter Hautschäden durch eine chronische lichtinduzierte Dermatitis, wobei verstärkt Porphyrine im Stuhl auftreten. Etwa drei Viertel von ihnen entwickeln allerdings überhaupt keine Krankheitssymptome und führen ein normales Leben. Dennoch besteht das Risiko plötzlicher Ausbrüche. Deshalb sollten die Betroffenen bestimmte Vorsichtsmaßnahmen befolgen, um nicht mit Auslösern in Kontakt zu kommen. Auch bei den 25 Prozent, die tatsächlich erkranken, verschwinden nach Abklingen der Schübe die Symptome in der Regel wieder vollständig. Die Anfälle werden außerdem mit zunehmendem Alter immer seltener. Allerdings können Prophyrieschübe sehr schwer verlaufen – und dann auch das Umfeld stark in Mitleidenschaft ziehen.
Warum das Urteilsvermögen von Georg III. zeitweilig getrübt war
Das zeigt sich am Beispiel Georgs III. Er regierte 60 Jahre, von 1760 bis zu seinem Tod, und gehört damit zu den britischen Monarchen mit der längsten Amtszeit. Während er über das Empire herrschte, stieg es zur weltweit führenden Handelsmacht auf und war dabei, die militärische Vorherrschaft über die Weltmeere zu erringen. Seine Regentschaft wurde jedoch überschattet von einer merkwürdigen Erkrankung. Diese dürfte für die mitunter irrationalen Entscheidungen des Königs verantwortlich gewesen sein, die möglicherweise den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg und den Verlust der Kolonien in der Neuen Welt zur Folge hatten.
Die Krankenakten von Georg III. enthalten zahlreiche gut dokumentierte Hinweise auf Schübe eines schweren, unheilbaren Leidens, das ihn immer wieder heimsuchte. Während fünf längerer Krankheitsphasen gingen die körperlichen Symptome auch mit einer stark getrübten geistigen Verfassung einher. Als der Monarch im Verlauf eines Schubs zwischen Oktober 1788 und Februar 1789 unfähig war, die Regierungsgeschäfte zu führen, kam es zu einer schweren Verfassungskrise über die Frage, wer unter welchen Umständen den Thronfolger als Regenten einsetzen dürfe. Doch dann erholte sich der König überraschend wieder.
Als Ursache dieser Phasen geistiger Verwirrung vermuten zeitgenössische Ärzte eine psychiatrische Erkrankung. Eine genauere Diagnose wurde jedoch erst lange nach seinem Tod gestellt, als ab Mitte der 1960er Jahre mehrere Wissenschaftler die Vermutung äußerten, der König habe an einer Porphyrie gelitten. Tatsächlich finden sich in den historischen Aufzeichnungen über seine Krankengeschichte Belege für die typischen Symptome dieser Krankheit – darunter schwere Bauchschmerzen, portweinartig verfärbter Urin sowie Lähmungen an Armen und Beinen. Zunächst vermuteten die Forscher eine intermittierende Porphyrie. Eine nachfolgende Untersuchung, die auch die medizinischen Aufzeichnungen über seine Vorfahren, Nachkommen und Verwandten aus Seitenlinien einbezog, führte dann zur Diagnose Porphyria variegata.
König Georg III. könnte unter einer besonders schweren Form dieser Erbkrankheit gelitten haben. Der erste Schub trat 1765 auf, vier Jahre nach seiner Heirat mit Charlotte von Mecklenburg-Strelitz. Weitere Anzeichen der Störung verzeichneten die Ärzte dann 1788 und 1789. Von 1811 an bis zum Tod des Herrschers im Jahr 1820 verschlechterte sich sein Gesundheitszustand stetig. Die Erkrankung beeinträchtigte ihn schließlich so stark, dass er ständiger Pflege bedurfte und seine Privatgemächer auf Schloss Windsor nicht mehr verlassen konnte.
Die Porphyria variegata ist zwar eine Erbkrankheit, die akuten Schübe können jedoch durch toxische Metalle ausgelöst werden. Wenn König Georg III. also tatsächlich einen genetischen Defekt der Protoporphyrinogen-Oxidase hatte, wäre er besonders anfällig gegenüber Schwermetallen und anderen Schadstoffen gewesen, denen die Menschen im England der damaligen Zeit vielfach ausgesetzt waren. Eine chemische Analyse von Haarproben, die Timothy J. Cox und seine Kollegen von der University of Cambridge 2005 vornahmen, ergab zwar keine bedenklichen Konzentrationen an Quecksilber und Blei, aber deutlich erhöhte Mengen an Arsen. Dieses Element, das als Verunreinigung in dem damals gebräuchlichen Arzneimittel Brechweinstein vorkommt, könnte die wiederholten schweren Porphyrieschübe ausgelöst haben.
Spurensuche im Stammbaum
Im Jahr 1968 untersuchten die britische Ärztin Ida MacAlpine und ihre Kollegen die Krankengeschichten von Mitgliedern des Stammbaums von Georg III. über insgesamt 13 Generationen und mehr als 400 Jahre hinweg. Bei vielen fanden sich Hinweise auf eine Porphyrie. Etliche andere Familienmitglieder dürften den genetischen Defekt aufgewiesen und ihn weitervererbt haben, obwohl die vorliegenden medizinischen Informationen keine Symptome erkennen lassen. Wahrscheinlich zählten sie zu den 75 Prozent der Betroffenen, die nicht erkranken.
Untersuchungen zufolge, die Lindsay C. Hurst vom Moorhaven Hospital, einer ehemaligen Nervenheilanstalt nahe Plymouth (England), 1982 durchführte, lässt sich die Porphyrie im Stammbaum von Georg III. sogar noch weiter zurückverfolgen, nämlich bis zu Heinrich VI. von England und Karl VI. von Frankreich im 14. und 15. Jahrhundert. Martin J. Warren von der University of Kent erforschte mit seinen Kollegen 1996 die Nachfahren Georgs III. und fand auch hier Hinweise auf die Erkrankung.
Die Porphyrie des britischen Königs hatte durch ihre Auswirkungen auf seine körperliche und geistige Verfassung vermutlich auch weit reichende Folgen für den Verlauf der Geschichte. Nach dem Ende der Kriege in Frankreich und Indien im Jahr 1763 erhob England diverse Steuern und erließ eine Reihe neuer Gesetze, um die Autorität des Empire über die amerikanischen Kolonien zu festigen. Die Kolonisten, die britische Staatsbürger waren, widersetzten sich dieser Machtdemonstration des Mutterlands und erklärten, es dürfe keine "Besteuerung ohne parlamentarische Vertretung" der Kolonien geben.
Als sich die Spannungen verschärften, vertrat der König zunehmend rigide Positionen und entsandte Truppen, um den Aufstand der Boston Tea Party niederzuschlagen. Er entmachtete örtliche Regierungen und ersetzte sie durch königliche Beamte. Amerikanische Patrioten mobilisierten daraufhin ihre Milizen, und im Jahr 1775 begann der amerikanische Unabhängigkeitskrieg. Historischen Berichten zufolge verweigerte sich der König im Verlauf der Auseinandersetzung hartnäckig – und anscheinend ohne vernünftige Begründung – sämtlichen diplomatischen Lösungsversuchen. Dieser Starrsinn führte schließlich dazu, dass sich die Kolonisten im Juli 1776 von der britischen Herrschaft lossagten. Der Unabhängigkeitskrieg endete mit der Kapitulation von Lord Cornwallis in Yorktown am 19. Oktober 1781. Im Pariser Vertrag verzichtete die britische Krone 1783 formal auf alle Herrschaftsansprüche auf dem Gebiet der Vereinigten Staaten von Amerika.
Einige Historiker sind der Meinung, dass die Porphyrie an den Kräften des Königs zehrte, seine Urteilskraft trübte und ihn reizbar und launisch machte. Dieses Bild zeichnet auch der Spielfilm "Ein Königreich für mehr Verstand" von 1994. Demnach verleiteten Stimmungsschwankungen und kognitive Beeinträchtigungen den Herrscher zu einer Reihe unkluger und voreiliger Entscheidungen, die letztlich die amerikanischen Kolonien dazu brachten, alle Bindungen zum britischen Mutterland zu kappen – sehr zum Schaden für das Empire und die Royalisten in Amerika. Die erwähnten Historiker kommen jedenfalls zu dem Schluss, dass Georg III. ohne die Porphyrie-Erkrankung den Ausbruch des Unabhängigkeitskriegs vermutlich hätte abwenden können.
Es sei jedoch nicht verschwiegen, dass die rückblickend anhand historischer Dokumente gestellte Diagnose einer schubförmig verlaufenden Porphyrie nicht alle Wissenschaftler und Historiker überzeugt. So veröffentlichten Timothy J. Peters von der University of Birmingham und Kollegen 2010 zwei Untersuchungen, in denen sie die Krankengeschichte des Königs aus internistischer und psychiatrischer Perspektive erneut aufarbeiteten. Dabei kamen sie zu dem Schluss, dass Georg III. wohl eher an einer bipolaren (manisch-depressiven) Störung litt. Um welche Krankheit es sich tatsächlich handelte, wird vielleicht nie definitiv geklärt werden.
Ein grausamer Menschenfeind
Eine andere historische Episode, die eine Verbindung zwischen Porphyrien und der Entstehung von Vampirlegenden herstellt, führt uns nach Osteuropa. Im mittleren bis späten 15. Jahrhundert herrschte dort Vlad(islav) III., geboren 1431, über die Walachei (eine Gegend im heutigen Rumänien). Er war ein Enkel von Mircea dem Älteren, der das Fürstentum von 1386 bis 1418 regiert hatte. Vlad gehörte dem Drachenorden an, einem in Ungarn gegründeten religiösen Ritterbund, der das Christentum gegen das Osmanische Reich verteidigen sollte. Als despotischer Herrscher baute er ein gut organisiertes Militärwesen auf, das die Handelswege zu den Nachbarländern sicherte und dadurch den Warenaustausch förderte.
Vlad behandelte seine Feinde extrem grausam, gleich ob es sich um Landsleute oder Fremde handelte. Er verurteilte zahllose Menschen zum Tod durch die vielfältigsten Hinrichtungsarten wie Enthäuten, Köpfen, Zerhacken, Strangulieren, Erhängen, Kochen und Verbrennen. Anderen Delinquenten ließ er Nase, Ohren, Geschlechtsteile oder Gliedmaßen abschneiden. Seine bevorzugte Tötungsart war jedoch das Pfählen. Das brachte ihm den Beinamen Tepes, der Pfähler, ein. Insgesamt soll Vlad III. für die Ermordung von 20 000 bis 40 000 Zivilisten aus verschiedenen europäischen Ländern verantwortlich sein. Am Ostersonntag 1459 ließ er zahlreiche Adlige seines Landes verhaften, die seinen Vater und seinen Bruder bei einer Rebellion getötet hatten, und allesamt pfählen.
Vlad Tepes verbrachte die Kindheit als teils misshandelte Geisel im Osmanischen Reich. Das schürte einen besonderen Hass gegen alles Türkische und den Islam in ihm. Als Sultan Mehmet II., genannt "der Eroberer", 1462 einen Feldzug gegen Vlad unternahm, stieß er beim Einzug in die Hauptstadt der Walachei auf einen "Wald von Gepfählten": Auf unzähligen Pfählen verwesten die Leichen von 20 000 türkischen Gefangenen. Insgesamt hat Vlad wohl an die 100 000 muslimische Gegner auf diese Art hinrichten lassen.
Zwar ging sein Blutdurst vermutlich nicht so weit, dass er buchstäblich das Blut seiner Feinde trank. Dennoch machte ihn seine Grausamkeit zum Vorbild für die literarische Figur des Grafen Dracula. Mythen von "untoten" Wesen, die sich vom Blut der Lebenden ernähren, gibt es in den meisten Kulturen seit uralten Zeiten. Der Ausdruck Vampir kam in Westeuropa jedoch erst auf, als osteuropäische Legenden solcher nächtlichen Schauerwesen im 18. Jahrhundert Popularität erlangten. Der irische Schriftsteller Bram Stoker hörte von Vlad Tepes 1890 bei einer Begegnung mit dem ungarischen Abenteurer und Orientalistikprofessor Ármin Vámbéry. Er war fasziniert von der schillernden Persönlichkeit des Fürsten und schuf seine Fantasiefigur auf der Basis der eindringlichen historischen Berichte über dessen Brutalität. Stoker schrieb mehrere Jahre an dem Roman "Dracula", der schließlich im Mai 1897 erschien. Auch beim Namen der Titelgestalt stützte er sich auf die Lebensgeschichte des walachischen Fürsten. Dessen Vater hatte ebenfalls bereits dem Drachenorden angehört. Im Rumänischen heißt Drache "Dracul". Deshalb gaben die walachischen Adligen Vlads Vater diesen Beinamen. Dracula bedeutet "Sohn des Dracul".
Nichts deutet zwar darauf hin, dass Vlad Tepes an einer Porphyrie litt, und Stoker scheint das Krankheitsbild gar nicht gekannt zu haben. Laut David Dolphin, Chemiker an der University of British Columbia in Vancouver (Kanada) und Herausgeber eines siebenbändigen Werks über Porphyrien, bestehen jedoch auffallende Ähnlichkeiten zwischen der fiktiven Figur des Grafen Dracula und Symptomen dieses Leidens. Seiner Ansicht nach sind Porphyriepatienten die realen Vorbilder für solche Blut saugenden Fantasiewesen. Die Anhäufung auf Sonnenstrahlung ansprechender Peptide in der Haut und in der Netzhaut der Augen ruft nämlich eine ausgeprägte Lichtempfindlichkeit hervor, so dass die Betroffenen das schützende Dunkel suchen. Außerdem führt sie zu teils entstellenden Gewebeschädigungen, wobei sich etwa Finger und Lippen stark verschmälern. Das Zahnfleisch kann schwinden, so dass die Zahnhälse sichtbar werden und der Eindruck von Reißzähnen entsteht, die zudem wegen des erhöhten Prophyrinspiegels rötlich verfärbt erscheinen.
Demnach kann es durchaus sein, dass Fehlfunktionen der Protoporphyrinogen-Oxidase den medizinischen Hintergrund der Vampirmythen bilden. Zum Glück leben wir heute in einer aufgeklärten Welt, in der Porphyriepatienten als Opfer einer schweren Erkrankung ärztliche Hilfe erhalten und nicht auch noch stigmatisiert werden, indem man sie mit Furcht erregenden, Blut saugenden Fantasiegestalten in Verbindung bringt.
Vampire im Pflanzenreich
Interessanterweise gibt es auch Pflanzen, die an einer Porphyrie leiden. Das wurde allerdings lange nicht erkannt, weil solche "Vampirpflanzen" wegen der schwer wiegenden Auswirkungen ihres genetischen Defekts meist nicht lebensfähig sind. Im Jahr 1998 beschrieben Gongshe Hu, damals an der University of Missouri in Columbia, und seine Kollegen jedoch eine Maissorte namens Les22, die lichtabhängige Schäden an den Blättern zeigt. Den Forschern gelang es, sie zu klonieren und ihr Erbgut zu analysieren. Demnach weist sie einen Defekt im Enzym Uroporphyrinogen-Decarboxylase auf, das einen der frühen Schritte auf dem Porphyrinbiosyntheseweg katalysiert.
Mutationen dieses Enzyms verursachen beim Menschen die Prophyria cutanea tarda, die Hautschädigungen durch eine abnorme Ansammlung von Uroporphyrinogen verursacht. Es war Crispin B. Taylor von der American Society of Plant Biologists, der Les22 in einem Kommentar zur Publikation der Gruppe um Hu scherzhaft als Vampirpflanze bezeichnete, weil ihr Erscheinungsbild an die Symptome der Lichtsensibilisierung bei Porphyriepatienten erinnert. Natürlich auftretende Pflanzenmutanten mit anderen Störungen der Porphyrinsynthese – etwa Defekten der Protoporphyrinogen-Oxidase wie bei der Prophyria variegata – sind bisher nicht beschrieben worden.
Im Jahr 1964 kam jedoch ein Herbizid namens Nitrofen auf den Markt, das die Protoporphyrinogen-Oxidase hemmt. Sein Wirkmechanismus lag damals allerdings noch im Dunkeln. Nur so viel war bekannt: Unter Einwirkung dieses und ähnlicher Herbizide aus der Klasse der Diphenylether trocknen die Blätter im Sonnenlicht aus, kräuseln sich, werden braun und sterben ab. Das rührt unmittelbar daher, dass die Plasmamembranen der Pflanzen ihre Barrierefunktion einbüßen und unkontrolliert Feuchtigkeit austreten lassen. Zudem kommt die Fotosynthese zum Erliegen. Ethylen, Ethan und Malondialdehyd werden freigesetzt, und die Chloroplastenfarbstoffe bleichen aus. Kulturpflanzen erleiden zwar auch entsprechende Schäden, erholen sich jedoch rasch wieder, weil sie das Herbizid schnell abbauen.
Dass die Effekte von Nitrofen lichtabhängig sind, wurde 1969 entdeckt. Den Wirkmechanismus erkannte jedoch erst in den späten 1980er Jahren die Arbeitsgruppe um Michel Matringe vom Laboratoire des Herbicides in Dijon, das zum französischen Institut National de la Recherche Agronomique gehört. Demnach wird die Plasmamembran undicht, weil sich ein fotodynamisch aktiver Farbstoff darin anreichert. Dieser stellte sich wenig später als Protoporphyrin heraus. Das deutete auf die Hemmung eines der nachfolgenden Schritte bei der Synthese von Chlorophyll hin. Doch keines der beteiligten Enzyme wurde bei Tests durch Nitrofen blockiert.
Das Rätsel löste sich, als der gleichen Arbeitsgruppe in Kooperation mit Experten der Porphyrinbiochemie die Parallele zur Anreicherung von Protoporphyrin bei der Porphyria variegata auffiel. Dadurch gelang es, die Protoporphyrinogen-Oxidase in Chloroplasten als Zielenzym des Herbizids auszumachen. Dass sich ausgerechnet das Produkt der gehemmten Enzymreaktion anhäuft, erscheint zunächst widersinnig. Das hängt wie bei der Porphyria variegata mit einer Umverteilung der sich ansammelnden Porphyrinvorläufer innerhalb der Zelle zusammen. Im Fall der Pflanze häuft sich durch die Hemmung der Protoporphyrinogen-Oxidase das Protoporphyrinogen auf der Außenmembran der Chloroplasten so stark an, dass es schließlich ins Zytoplasma übertritt, wo andere, unspezifische Enzyme es in das fotodynamisch aktive Protoporphyrin umwandeln. Dieses erzeugt unter Lichteinwirkung hochreaktiven Singulett-Sauerstoff, der die Lipide der nur schwach geschützten Plasmamembran (per-)oxidiert.
Wie eine seltene Mutation ein Unkraut schützt
Nitrofen blieb lange Zeit hochwirksam. Offenbar gelingt es Unkräutern nur schlecht, Resistenzen gegen Herbizide zu entwickeln, die in die Porphyrinbiosynthese eingreifen. Erst neuerdings wurden widerstandsfähige Formen von Amaranthus tuberculatus aus der Familie der Fuchsschwanzgewächse beschrieben. Ihre Resistenz gegen eine breite Palette von Protoporphyrinogen-Oxidase-Inhibitoren äußert sich darin, dass sie weniger Protoporphyrin in der Plasmamembran anreichert und diese nicht so stark geschädigt wird. Die Ursache ist eine unvollständig dominante Mutation des Gens PPX2L im Zellkern. Dieses Gen kodiert eigentlich für die Protoporphyrinogen-Oxidase in den Mitochondrien, gegen die das Herbizid nicht primär wirkt. Da die betreffenden Enzymmoleküle unmittelbar nach ihrer Synthese am Stickstoffende einige zusätzliche Aminosäuren tragen, verfrachtet sie das Transportsystem der Zelle aber auch teilweise in die Chloroplasten.
Wie die Arbeitsgruppe um Patrick J. Tranel an der University of Illinois in Urbana-Champaign herausfand, führt nicht etwa eine einfache Punktmutation, also der Austausch einer Aminosäure durch eine andere, zur Herbizidresistenz, sondern ein fehlendes Glycin an einer entscheidenden Position im Enzymmolekül. Die entsprechende Mutation – Deletion eines Codons – ist ziemlich unwahrscheinlich. Sie kann auftreten, wenn die DNA-Polymerase beim Kopieren des Erbguts an einer Stelle mit vielfachen Wiederholungen kurzer, "sinnloser" Nukleotidfolgen ein kleines Stück verrutscht. Einer von uns (Franck E. Dayan) und seine Kollegen haben nachgewiesen, dass die Deletion die katalytische Aktivität des Enzyms verringert. Das schadet der Pflanze zwar, wird aber dadurch mehr als wettgemacht, dass das fehlende Glycin zugleich die Helixstruktur der Protoporphyrinogen-Oxidase destabilisiert, weshalb sich das Herbizid nur noch schlecht an das Enzym binden und es deshalb kaum hemmen kann.
Ungeachtet seiner Wirksamkeit als Herbizid hat sich Nitrofen allerdings beim Menschen als Krebs erregend und erbgutschädigend erwiesen. Außerdem greift es in den Hormonhaushalt ein. Da der tierische Organismus die Substanz nicht abbaut, reichert sie sich im Fettgewebe an. Bei Legehennen kann das Herbizid auf die Eier übergehen. Deshalb wurde der Einsatz von Nitrofen schon 1980 in der Bundesrepublik Deutschland und 1988 in der Europäischen Union verboten. 2002 kam es hier zu Lande zum Skandal, als das Herbizid ausgerechnet in Eiern und Geflügel aus Biobetrieben plötzlich wieder auftauchte. Als Ursache der Verseuchung stellten sich Restbestände aus DDR-Zeiten in einer ungenügend gereinigten Lagerhalle von Getreide für die Geflügelzucht heraus.
Die Natur geht haushälterisch mit ihren Erfindungen um. So nutzt sie die gleichen fundamentalen Molekülbausteine wie Aminosäuren, Nukleotide, Fettsäuren und Zucker zum Aufbau immer größerer Strukturen mit zunehmend komplexeren Funktionen. Das zeigt sich auch beim Porphyrinring, dem Grundgerüst der vielen anderen "Ringe des Lebens". Der einzigartige Stoffwechselweg, auf dem er entsteht, kommt in praktisch allen Organismen vor und hat sich schon früh in der Evolutionsgeschichte entwickelt. Seine grundlegende Bedeutung bringt es mit sich, dass jede Störung der universellen Reaktionskaskade und insbesondere die Hemmung des letzten gemeinsamen Schritts vor dem Einbau des jeweiligen Metallions die unterschiedlichsten Auswirkungen auf alle möglichen Aspekte des Lebens hat.
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