Kosmologie: Ein Röntgenatlas des Milchstraßenzentrums
Wissenschaftler um Gabriele Ponti vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching haben kürzlich die bislang detaillierteste Röntgenkarte vom unmittelbaren Umfeld des galaktischen Zentrums veröffentlicht. Die Karte stellt die zentralen anderthalb Grad um das galaktische Zentrum dar, das rund 26 000 Lichtjahre von uns entfernt im Sternbild Schütze liegt. Sie wurde aus mehr als 100 Aufnahmen des europäischen Röntgensatelliten XMM-Newton zusammengesetzt, die in drei verschiedenen Energiebereichen entstanden. Auf ihr finden sich zahlreiche unterschiedliche Röntgenquellen, darunter Supernova-Überreste, Sternhaufen mit massereichen heißen Sternen und heiße Gasblasen, die vom zentralen massereichen Schwarzen Loch im galaktischen Zentrum ausgestoßen wurden. Auch dieses verrät sich durch Röntgenstrahlung aus seinem unmittelbaren Umfeld.
Die Forscher verwendeten für ihren Himmelsatlas Archivdaten, die XMM-Newton in den 16 Jahren seiner Mission aufgenommen hat, und neue Beobachtungen. Daraus konnten sie Karten der kontinuierlichen Röntgenstrahlung, aber auch von Röntgenemissionslinien erstellen. Unter anderem fallen große Blasen mit Durchmessern von mehreren Dutzend Lichtjahren auf. Manche von ihnen sind Supernova-Überreste und kennzeichnen die Orte, an denen ein massereicher Stern am Ende seiner Lebensdauer explodierte und dabei einen Großteil seiner Masse als heißes Gas ausstieß. In ihrem Inneren sind diese Blasen weit gehend leer und schaffen so riesige Hohlräume in den Gas- und Staubregionen, die das galaktische Zentrum umgeben.
Oberhalb und unterhalb des zentralen Schwarzen Lochs zeigen sich zwei Gasblasen, die als bipolare Flügel bezeichnet werden. Sie bestehen aus heißem Gas, das aus der unmittelbaren Umgebung des zentralen Schwarzen Lochs abgegeben wurde und sich über mehrere Dutzend Lichtjahre ausgebreitet hat. Am Rand der nördlichen Blase findet sich ein scharfer und heller Übergang – Hinweis auf eine Stoßwelle, wo das vom Schwarzen Loch stammende Material auf das interstellare Medium trifft. Es könnte hier mit dem Material von zwei Supernova-Überresten kollidieren. Die Form der bipolaren Flügel weist auf einen meist ruhigen Ausfluss von Gas aus dem zentralen Schwarzen Loch hin. Zudem werden diese Blasen auch von den Winden der massereichen Sterne nahe des Schwarzen Lochs mit Gas versorgt. Gelegentlich verschlingt dieses auch mal einen Stern, der ihm zu nahe kommt. Dabei werden dann größere Gasmengen freigesetzt.
Mit dieser Karte können die Astrophysiker rekonstruieren, welche energiereichen Prozesse das Zentrum unseres Milchstraßensystems in den letzten Milliarden Jahren gestaltet haben. Auch lassen sich aus ihr Hinweise entnehmen, wie sich diese Region in Zukunft weiterentwickeln wird. Auf jeden Fall bleibt das Zentrum unserer Galaxis ein wilder und turbulenter Ort.
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