News: Ein Schlückchen für's Herz
Nachdem die Wissenschaftler den Effekt des Alkohols nachgewiesen hatten, sollte der Mechanismus geklärt werden, der hinter dieser positiven Wirkung steht. Einen Hinweis gaben Studien, die zeigten, daß das Herz in einem gewissen Ausmaß trainiert werden kann, einige Zeit mit Sauerstoffmangel fertigzuwerden (sogenannte ischaemische Zeiträume). Durch Vorbehandlung des Herzens mit sehr kurzen Perioden verringerter Blutzufuhr und dann folgenden Rückströmungen (Reperfusion) kann das Gewebe auf eine Weise verändert werden, die seine Genesung nach einer längeren ischaemischen Episode fördert.
Dieser Effekt wurde mit der Aktivität eines Enzyms im Herzmuskel in Verbindung gebracht, der sogenannten Protein-Kinase C (PKC). PKC erfüllt anscheinend eine wichtige Funktion bei Herzattacken: Es trägt wahrscheinlich dazu bei, die Säurewerte und das Calciumungleichgewicht, die während einer Attacke auftreten, wieder zu regulieren. Ohne PKC erholt sich die kontraktile Aktivität des Herzes nach einer Herzattacke nicht. Miyamae und Kollegen entdeckten, daß Alkohol tatsächlich das PKC in den Herzmuskelzellen beeinflußt. Während eines Anfalls scheint PKC in die Zellmembran zu wandern. Auch Alkohol scheint eine solche Ansammlung dieses Proteins in der Zellmembran zu veranlassen. So würde sich das PKC an dem Ort befinden, wo es die Muskelzellen am besten vor einer ischaemischen Periode schützen kann.
Obwohl es eine recht originelle Neuerung wäre, ist es eher unwahrscheinlich, daß Menschen, die zu Herzattacken neigen, von ihrem Arzt ein alkoholisches Getränk verschrieben bekommen in der Hoffnung, daß sie damit ihr Herz für spätere Anfälle trainieren. Stattdessen könnte eine Entdeckung, wo die Schutzwirkung von Alkohol tatsächlich ansetzt nach Ansicht der Autoren "zu neuen Therapien führen, die gegen Ischaemie-Reperfusions-Verletzungen schützen" – aber ohne irgendwelchen berauschende Nebenwirkungen.
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