News: Ein todbringendes Signal?
"Das ist großartig", sagt Jim Cummins von der Murdoch University in Australien. "Ich glaube, sie haben endlich den Hauptmechanismus für den Abbau von Mitochondrien in Säugern gefunden." Die Erkenntnisse könnten auch für Klonierungs-Bemühungen oder Techniken zur künstlichen Befruchtung von Belang sein, führt er weiter aus, denn wenn abnorme oder unreife Spermien in Eizellen injiziert werden, konnte man bisher nicht sicherstellen, daß diese zweite Garnitur von Mitochondrien ordnungsgemäß eliminiert wird. Und ein Gemisch von Mitochondrien könnte dem Embryo unterschiedliche Wachstumssignale senden, was dessen Absterben oder eine abweichende Entwicklung herbeiführt.
Dringt ein Spermium in eine Eizelle, bringt es seine Mitochondrien, eingepackt in einem Futteral um seinen Schwanz, mit sich. (Wie Cummins betont, steht das im Gegensatz zu dem, was gängige Lehrbücher fälschlicherweise schreiben.) Dann aber zerstört die Zelle die eindringenden Organellen recht schnell – aus guten Gründen. Dazu noch einmal Cummins: "Die Spermien-Mitochondrien kommen in die Eizellen, und schon werden sie abgebaut." In ihrer DNA, welche die Information für 13 mitochondrielle Proteine trägt, würden sich Mutationen, Deletionen und "aller möglicher anderer Schrott" anhäufen. Da mehrere Krankheiten durch solche Mutationen verursacht werde, so Cummins, "macht es Sinn, wenn die Zelle ihr Dasein mit den besten Mitochondrien beginnt und die defekten vernichtet."
Bislang wurde angenommen, die Spermien-Mitochondrien würden einfach während der Zellteilungen ausgedünnt. Immerhin stehen die fünfzig bis einhundert Organellen vom Vater einer Übermacht von etwa 100 000 Mitochondrien der Eizelle gegenüber.
Sutovskys Resultate legen dagegen einen Weg nahe, über den die Zelle aktiv die eindringenden Mitochondrien vernichtet. Seine Kollegen und er versahen Sperma von Stieren mit einem Antikörper, der an Ubiquitin bindet. Ubiquitin ist ein Protein, das von allen Zellen im Körper benutzt wird, um andere Proteine zu kennzeichnen und so auf den zellulären Abbauweg zu schicken. Die Forscher beobachteten, wie die Mitochondrien im Mikroskop aufleuchteten: ein Hinweis, daß sie das Ubiquitin trugen -sowohl in den sich entwickelnden Spermien als auch in befruchteten Eizellen. Mitochondrien der Oocyten blieben jedoch unerkannt. "Die Spermien-Mitochondrien haben etwas an sich, wodurch sie sich von Oocyten-Mitochondrien unterscheiden – und das könnte wirklich die Ubiquitin-Markierung sein", meint Sutovsky.
Die Wissenschaftler aus Orgeon wollen jetzt die Proteine identifizieren, die in oder an den Mitochondrien von dem Ubiquitin gekennzeichnet werden. Mit dem Kandidaten an der Hand können sie Experimente ersinnen, die ihre Hypothese stützen oder widerlegen. Die Frage ist, ob die Mitochondrien dem Abbau entgehen, wenn man die Ubiquitinierung der Zielproteine verhindert.
"Das ist kein triviales Unterfangen", erklärt Mark Hochstrasser, der an der University of Chicago an Ubiquitin arbeitet. "Aber wenn es funktioniert und sie nachweisen können, daß dies der Mechanismus ist, über den Mitochondrien zerstört werden, dann ist ein grundlegendes Geheimnis der Säugetierbiologie gelöst."
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