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News: Ein umfassender Schnappschuß

Während die Symptome der Alzheimerschen Krankheit den Angehörigen und dem Pflegepersonal schmerzhaft deutlich vor Augen stehen, liegen die Ursachen des Leidens versteckt in den Tiefen des Gehirns der Patienten. Die meisten Studien konzentrieren sich auf die Rolle eines einzelnen Gens oder Proteins im Krankheitsverlauf, obwohl offensichtlich mehrere Prozesse gleichzeitig im Zellstoffwechsel außer Kontrolle geraten. Ein Team von Wissenschaftlern überprüft darum die Aktivität von 20 oder demnächst sogar 100 Genen gleichzeitig - ein Schnappschuß, der zeigt, was alles schiefgeht.
Bei der Alzheimerschen Krankheit sterben im ganzen Gehirn Nervenzellen ab – aber gesunde und kranke Zellen liegen vermischt vor. "Die meisten Forscher nehmen ein Stück Gewebe, das kranke Neuronen, gesunde Neuronen, Gliazellen und alles mögliche andere enthält, zerreiben sie und machen ihre Tests", sagt Paul Colemann. "Das erscheint etwas unproduktiv, besonders da sowohl kranke als auch gesunde Zellen vorliegen. Es ist schwierig, den Unterschied zu finden, wenn beide zusammen analysiert werden."

Darum entwickelte er zusammen mit einem interdisziplinären Team aus Wissenschaftlern und Technikern an der University of Rochester eine Methode, einzelne Gehirnzellen zu untersuchen. Insgesamt 35 Zellen aus drei kranken und zwei gesunden Gehirnen haben die Forscher damit gleichzeitig auf die Aktivität von 20 Genen getestet, indem sie den Übermittler der genetischen Information – die mRNA (messenger RNA) – nachwiesen (Proceedings of the National Academy of Sciences vom 4. August 1998).

Sie stellten bei fünf Genen deutliche Unterschiede zwischen normalen Hirnen und Organen fest, die Alzheimer hatten. Dabei handelt es sich um die Gene cyclin D1, HSP27, GAD, alpha 1-ACT und wee1. Einige davon wirken bei der Regulation der Zellteilung mit und geben der Zelle das Signal für den programmierten Zelltod. Viele von ihnen spielen auch bei Krebserkrankungen eine Rolle. Das wirft laut Coleman die Frage auf, ob Alzheimer vielleicht nur eine besondere, einzigartige Form von Krebs ist. "Das ist eine Gruppe von Genen, die im Zusammenhang mit Alzheimer nicht sonderlich beachtet wurden. Ein paar Leute haben einzelne der Gene untersucht, aber niemand konnte bisher ein umfassenderes Bild erstellen, anhand dessen sich zeigen läßt, daß die Gene des Zellzyklus eine wichtige Rolle bei der Krankheit spielen", sagt er.

Mittlerweile haben die Forscher begonnen, fast 100 Gene zugleich zu beobachten. Sie nutzen dafür ein neues Verfahren, mit dem einzelne Zellen isoliert werden können. Ihr Ziel ist es, die Entwicklung von Alzheimer in allen Stadien zu verfolgen. "Wenn heutzutage jemand zum Arzt kommt und die Diagnose gestellt wird, läuft der Zerfall des Gehirns bereits seit Jahrzehnten", sagt Coleman. "Wir wollen die Krankheit feststellen können, bevor die Symptome auftreten, und ihr weiteres Fortschreiten stoppen."

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