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Paläontologie: Ein ungewöhnlicher Vogel

Berühmt gemacht haben ihn Michael Crichton und Steven Spielberg: Velociraptor wütet im "Jurassic Park" und jagt unschuldigen Kindern hinterher. Doch im wahren Leben wirkte der Raubsaurier wohl gar nicht so gruselig.
<i>Velociraptor mongoliensis</i>
"Die Stille machte Tim Angst.
Der Velociraptor war knapp zwei Meter groß und von kräftigem Körperbau. Die stämmigen Beine und der Schwanz waren allerdings von den Tischen verdeckt, und Tim sah nur den muskulösen Oberkörper und die an die Brust gedrückten Vorderläufe mit den baumelnden Klauen. Die gesprenkelte Haut auf dem Rücken schillerte. Der Velociraptor bewegte sich sehr wachsam und sah sich ständig mit ruckenden, vogelartigen Bewegungen seines Kopfes nach allen Seiten um. Außerdem wippte der Kopf im Rhythmus mit dem Schwanz auf und ab, was den Eindruck eines Vogels noch verstärkte.
Ein riesiger, stiller Raubvogel ..."

Velociraptor mongoliensis | Der nur truthahngroße Raubsaurier Velociraptor mongoliensis war längst nicht so gruselig, wie in "Jurassic Park" dargestellt. Doch sein Gebiss wirkt immer noch beeindruckend.
Michael Crichtons "Jurassic Park" – dramatisch von Steven Spielberg in Szene gesetzt – machte einen Dinosaurier auf einen Schlag berühmt: Velociraptor mongoliensis – der "mongolische schnelle Räuber" - hat tatsächlich einst existiert. Zwar nicht im Jura, sondern in der späten Kreidezeit, doch er dürfte damals als agiles Wesen reichlich Beute gemacht haben. Und seine sichelartige, scharfe Klaue am zweiten Zeh löst auch beim heutigen Betrachter noch eine leichte Gänsehaut aus. 1922 zum ersten Mal in der Wüste Gobi ausgegraben, prägte vor allem ein späterer Fund aus dem Jahr 1971 das Bild des Killers: Ein Velociraptor hatte sich in den Kopf eines Protoceratops verbissen, in ihrem Todeskampf wurden beide Dinosaurier vor 80 Millionen Jahren verschüttet.

Bei dieser Vorgeschichte überrascht die spätere Karriere als Romanfigur kaum. Allerdings hat Crichton in seiner künstlerischen Freiheit ein wenig übertrieben.
"Wenn es heute noch Tiere wie Velociraptor gäbe, wäre unser erster Eindruck nur der eines sehr ungewöhnlich aussehenden Vogels"
(Mark Norell)
Mit einer Hüfthöhe von etwas über einen halben Meter, einer Gesamtlänge bis zur Schwanzspitze von 1,50 Meter und einem Körpergewicht von 15 Kilogramm wirken die truthahngroßen Raptoren schon etwas bescheidener. Doch beim Bild des "stillen Raubvogels" lag der Romanautor vielleicht nicht ganz daneben. Im Gegenteil.

Bei etlichen Dinosauriern konnten Paläontologen ein Federkleid nachweisen – allerdings nur, wenn besondere Umstände das leicht vergängliche Körperkleid konserviert hatten. Die Lagerstätten in China oder auch die Solnhofener Plattenkalke, die Heimat des Urvogels Archaeopteryx, gelten hier als Paradebeispiele. Velociraptor könnte ebenfalls befiedert durch die Lande gezogen sein – wenn auch der letzte Beweis hierfür bislang noch ausstand.

Elle von Dinosaurier und Vogel | Die Elle von Velociraptor mongoliensis (A) besitzt höckerartige Erhebungen (B). Die gleichen Höcker finden sich auch bei Oberarmknochen heutiger Vögel wie dem Truthahngeier Cathartes (C). Hier setzen die Federkiele der Vögel an (D).
Doch nun haben sich Alan Turner vom Amerikanischen Museum für Naturgeschichte in New York und seine Kollegen die Knochen eines 1998 in der Mongolei ausgegrabenen Raptoren genauer angeschaut. Der Fund IGM 100/981 zeichnet sich durch eine gut erhaltene Elle aus, und genau auf diesem Unterarmknochen machten die Forscher eine interessante Entdeckung: Im Abstand von vier Millimetern tauchten hier kleine Knubbel auf. Und genau solche Erhebungen kennen Anatomen von heutigen Vögeln – als Ansatzstelle für Federkiele.

"Das Fehlen solcher Federhöcker bedeutet nicht unbedingt, dass ein Dinosaurier keine Federn besaß", erklärt Turner. "Doch die Federhöcker beim Velociraptor zeigen, dass er Federn gehabt haben muss. Das hatten wir schon lange vermutet, doch niemand konnte es beweisen."

Rannte der Raptor also gar nicht seiner Beute hinterher, sondern zog in luftiger Höhe seine Kreise? Das glauben die Paläontologen wiederum nicht; die kurzen Ärmchen des Dinosauriers dürften hierfür kaum ausgereicht haben. Vielmehr könnten sich bei den Höckern die Überbleibsel fliegender Vorfahren verewigt haben. Mit seinem Federkleid wärmte Velociraptor vielleicht seinen Körper und seine Nester, oder es stabilisierte seinen schnellen Lauf.

"Je mehr wir über diese Tiere erfahren, desto mehr entdecken wir, dass es keinen grundsätzlichen Unterschied zwischen Vögeln und ihren nah verwandten Dinosauriern wie Velociraptor gibt", betont Mitautor Mark Norell. "Sie besaßen Hohlknochen, brüteten auf ihren Nestern und waren mit Federn bedeckt. Wenn es heute noch Tiere wie Velociraptor gäbe, wäre unser erster Eindruck nur der eines sehr ungewöhnlich aussehenden Vogels."

Klar, dass Michael Crichton mit diesem Bild nur wenig Schrecken einjagen kann. Im "Jurassic Park" geht es ein wenig anders zu:

"Der Angriff kam unvermittelt und von beiden Seiten. Mit furchteinflößender Geschwindigkeit überbrückten die attackierenden Tiere die zehn Meter bis zum Zaun. Nur flüchtig und verschwommen sah Grant kräftige, knapp zwei Meter große Körper, steife, balancierende Schwänze, Glieder mit gebogenen Krallen, offene Mäuler mit Reihen spitzer Zähne ..."

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