Anthropologie: Ein ur-amerikanisches Gen
Wie die Erstbesiedlung Amerikas abgelaufen sein mag, ist immer noch heiß umstritten. Dem Trend zu immer komplexeren Modellen halten Genetiker jetzt ein überraschendes Ergebnis entgegen: Nur von einer einzigen sibirischen Gründerpopulation scheinen alle heute lebenden Ureinwohner abzustammen.
Amerind, Eskimo-Aleutisch und Na-Dené: In diese drei Familien klassifizierte 1987 der Linguist Joseph Greenberg sämtliche Sprachen Amerikas – drei Sprachfamilien entsprechend dreier großer Einwanderungswellen. Aus linguistischer Sicht zwar höchst umstritten, passte seine Theorie hervorragend zu einem gängigen archäologischen Modell der Besiedlung Amerikas: Vor rund 13 000 Jahren, so die Lehrmeinung, machten sich Menschen dreimal in verschiedenen Ursprungsgebieten in ganz Asien auf den Weg über die Bering-Landbrücke.
Vor allem weil sich unter den restlichen asiatischen Proben kein einziger 9RA-Träger befand, gehen die Autoren der Studie davon aus, dass amerikanische Ureinwohner stärker untereinander verwandt sind als mit jeder anderen asiatischen Volksgruppe – und ziehen so gleich eine ganze Reihe von Theorien in Zweifel: Auf Greenbergs Drei-Wellen-Theorie fußend hatten Linguisten beispielsweise einen gemeinsamen Ursprung der sibirischen Jenissei- und der kanadischen Na-Dené-Sprachfamilie postuliert. Gerade diese Volksgruppe lässt sich morphologisch deutlich von den anderen amerikanischen Indianern unterscheiden und galt neben den Inuit als ausgewiesener Vertreter einer eigenständig eingewanderten Volksgruppe.
Nun könnte es doch sein, dass bestimmte evolutionäre Prozesse erst im Nachhinein für die amerikaweite Verbreitung der DNA-Sequenz gesorgt haben könnten. Doch die dafür in Frage kommenden Faktoren Genfluss und Selektionsdruck seien den Forschern zufolge auszuschließen. Ungleiche Klimabedingungen in unterschiedlichen Regionen des Kontinents machten einen einheitlichen Selektionsvorteil für 9RA-Träger unwahrscheinlich, und gegen Genfluss, also die Wanderung bestimmter Gene zwischen den Populationen, sprächen die genetischen Unterschiede, die auch heute noch zwischen den großen amerikanischen Volksgruppen existieren: Hätte Genfluss stattgefunden, wären dieser ebenfalls verwischt worden.
Schroeders Ergebnisse überraschen umso mehr, als archäologische Funde aus den letzten Jahren am vorherrschenden Einwanderungsmodell rüttelten und weitere Ausgangspunkte für die Besiedlung ins Gespräch brachten. So konnten Forscher Skelettreste und Siedlungsspuren aus den Vereinigten Staaten, Chile und Brasilien auf ein Alter noch vor Entstehung der 13 000 Jahre alten Clovis-Kultur datieren, die bislang als die erste in Amerika galt. Solche sehr frühen Einwanderer seien manchen Forschern zufolge nicht einmal Asiaten gewesen, sondern gingen noch zurück auf die erste große Wanderbewegung, die neben Südostasien und Australien eben auch zu einer Besiedlung Amerikas geführt haben könnte. Sollten diese Menschen tatsächlich Amerika erreicht haben, müssen sich ihre Spuren jedoch irgendwann im Laufe der Zeit vollständig verloren haben.
Vor wie langer Zeit sich das Ahnenvolk aller heutigen Ureinwohner bildete und wo – noch in Asien oder bereits jenseits der Beringstraße –, lässt Schroeder offen. Raum für differenziertere Besiedlungsmodelle ist also durchaus noch gegeben. Da ist es geradezu ein Glück, dass die exotische Idee, seefahrende Polynesier oder gar frühe Europäer hätten per Ozeanüberquerung zur Besiedlung beigetragen, für viele Fachleute einfach zu abenteuerlich ist – der tatsächliche Ablauf dürfte vermutlich schon kompliziert genug gewesen sein.
Neben eher schwammigen linguistischen Argumenten wie bei Greenberg und notorisch lückenhaften archäologischen Untersuchungen setzen Wissenschaftler in jüngster Zeit zunehmend auf vergleichsweise Handfestes: Die Genetik soll Einblick in die Vorgeschichte der Neuen Welt geben. Anhand von Erbgutvergleichen fand die Anthropologin Kari Schroeder von der Universität von Kalifornien in Davis jetzt heraus, dass die Menschen zwar in drei Wellen nach Amerika eingewandert sein mögen, die genetischen Wurzeln heutiger Ureinwohner aber allesamt in einer einzigen asiatischen Population liegen.
Mit ihrem Team fahndete sie dazu weltweit in über siebzig Völkern nach einer bestimmten DNA-Sequenz, die für nord- und südamerikanische Indianer typisch ist. Einzig und allein am äußersten Rande Sibiriens, bei den Korjaken und Tschuktschen, wurde sie fündig. Dort trägt durchschnittlich ein Drittel aller Menschen den fraglichen, als 9RA bezeichneten Genmarker in sich. Die Ergebnisse, meint Schroeder, sprächen deutlich für eine einzelne steinzeitliche Gründerpopulation in Ostasien.
Vor allem weil sich unter den restlichen asiatischen Proben kein einziger 9RA-Träger befand, gehen die Autoren der Studie davon aus, dass amerikanische Ureinwohner stärker untereinander verwandt sind als mit jeder anderen asiatischen Volksgruppe – und ziehen so gleich eine ganze Reihe von Theorien in Zweifel: Auf Greenbergs Drei-Wellen-Theorie fußend hatten Linguisten beispielsweise einen gemeinsamen Ursprung der sibirischen Jenissei- und der kanadischen Na-Dené-Sprachfamilie postuliert. Gerade diese Volksgruppe lässt sich morphologisch deutlich von den anderen amerikanischen Indianern unterscheiden und galt neben den Inuit als ausgewiesener Vertreter einer eigenständig eingewanderten Volksgruppe.
Nun könnte es doch sein, dass bestimmte evolutionäre Prozesse erst im Nachhinein für die amerikaweite Verbreitung der DNA-Sequenz gesorgt haben könnten. Doch die dafür in Frage kommenden Faktoren Genfluss und Selektionsdruck seien den Forschern zufolge auszuschließen. Ungleiche Klimabedingungen in unterschiedlichen Regionen des Kontinents machten einen einheitlichen Selektionsvorteil für 9RA-Träger unwahrscheinlich, und gegen Genfluss, also die Wanderung bestimmter Gene zwischen den Populationen, sprächen die genetischen Unterschiede, die auch heute noch zwischen den großen amerikanischen Volksgruppen existieren: Hätte Genfluss stattgefunden, wären dieser ebenfalls verwischt worden.
Schroeders Ergebnisse überraschen umso mehr, als archäologische Funde aus den letzten Jahren am vorherrschenden Einwanderungsmodell rüttelten und weitere Ausgangspunkte für die Besiedlung ins Gespräch brachten. So konnten Forscher Skelettreste und Siedlungsspuren aus den Vereinigten Staaten, Chile und Brasilien auf ein Alter noch vor Entstehung der 13 000 Jahre alten Clovis-Kultur datieren, die bislang als die erste in Amerika galt. Solche sehr frühen Einwanderer seien manchen Forschern zufolge nicht einmal Asiaten gewesen, sondern gingen noch zurück auf die erste große Wanderbewegung, die neben Südostasien und Australien eben auch zu einer Besiedlung Amerikas geführt haben könnte. Sollten diese Menschen tatsächlich Amerika erreicht haben, müssen sich ihre Spuren jedoch irgendwann im Laufe der Zeit vollständig verloren haben.
Vor wie langer Zeit sich das Ahnenvolk aller heutigen Ureinwohner bildete und wo – noch in Asien oder bereits jenseits der Beringstraße –, lässt Schroeder offen. Raum für differenziertere Besiedlungsmodelle ist also durchaus noch gegeben. Da ist es geradezu ein Glück, dass die exotische Idee, seefahrende Polynesier oder gar frühe Europäer hätten per Ozeanüberquerung zur Besiedlung beigetragen, für viele Fachleute einfach zu abenteuerlich ist – der tatsächliche Ablauf dürfte vermutlich schon kompliziert genug gewesen sein.
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