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News: Ein urzeitlicher Unterkiefer - doch leider ohne Zähne

Den rechten Unterkieferast eines rund 370 000 Jahre alten Frühmenschen haben Wissenschaftler in der Nähe des kleinen Ortes Bilzingsleben ausgegraben. Nachdem der bemerkenswerte Fossilfund von einem Fachmann begutachtet und taxonomisch bestimmt wurde, stellte ihn Dietrich Mania, Leiter der Forschungsstelle Bilzingsleben, am 10. Februar 2000 in einem wissenschaftlichen Symposium der Öffentlichkeit vor. 'Wir können den Unterkiefer eindeutig dem Homo erectus bilzingslebensis zuordnen', so Mania, 'er passt in seiner Anatomie genau zu dem Kontext der bisher freigelegten hominiden Schädelfragmente aus Bilzingsleben.'
Das leider zahnlose Fundstück E7 mit 31 Millimeter Höhe und 81,5 Millimeter Länge ist durch Zertrümmerung des Unterkiefers entstanden und am oberen Rand abgebrochen, auch die Kinnregion fehlt. Dennoch lassen die morphologischen Strukturen schlüssige Vergleiche mit anderen frühmenschlichen Funden in China und Kenia zu. So stellte der Prager Paläoanthropologe Emanuel Vlcek die beste Analogie zu den grazilen Kieferformen eines weiblichen Sinanthropus fest, einem frühen Homo erectus aus China. Der Bilzingslebener Urmensch hatte einen sehr breiten, aufsteigenden Kieferast mit einem nur geringen Zwischenraum zum letzten Backenzahn. Auch dieses Merkmal weist auf Homo erectus hin, es ist hingegen für archaische Formen unseres Urahns, des Homo sapiens, untypisch.

Insofern sehen sich Mania, Professor an der Universität Jena, und Vlcek durch den Neufund in ihrer taxonomischen Einordnung des Bilzingslebener Urmenschen auf der Basis früherer Funde bestätigt. Insgesamt 28 Knochenfragmente, die zwei Individuen zugeordnet werden, ergeben in der Schädelrekonstruktion das eindeutige Bild einer erectoiden Form. "Die Beweiskette ist durch den Bilzingslebener Unterkiefer, der sicher einem dritten Individuum gehörte, nun erheblich dichter", erläutert Mania.

Als Forschungsstelle von Weltrang stufen internationale Anthropologen den Bilzingslebener Travertinsteinbruch allerdings nicht auf Grund der hominiden Fossilien ein, sondern wegen des einzigartigen Kontextes der Komplexfundstätte. In 30-jähriger Arbeit haben Mania und sein kleines Team eine urmenschliche Siedlung auf einem 1 500 Quadratmeter großen Areal freigelegt und rund sechs Tonnen Fundmaterial geborgen: faunistische Fossilien, quasi als Speisereste der erectus-Sippe, ebenso Waffen und Werkzeuge vom nadelgroßen Feuersteinartefakt bis zum zentnerschweren Amboss. Nachweisbar sind ferner drei Hütten- und Feuerplätze sowie ein merkwürdiges, mit flachen Steinen und Tierknochen "gepflastertes" Oval, das vermutlich ideell-kultischen Handlungen diente. "Damit haben wir den schlüssigen Beweis für soziale Strukturen und die beachtliche Kulturfähigkeit dieses europäischen Homo erectus", so Mania.

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