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News: Eine Achillesferse des Milzbrand-Erregers

Die besondere Heimtücke einer Milzbrand-Infektion liegt darin, dass es mit dem Ausrotten der Erreger durch Antibiotika nicht getan ist - die von den Bakterien produzierten Gifte wirken auch dann noch tödlich. Auf dem Weg zu einem wirksamen Gegenmedikament sind Forscher nun einen Schritt vorangekommen: Sie haben auch die noch unbekannte Struktur des dritten Milzbrand-Toxins und seine Wirkungsweise aufgeklärt. Es scheint den Stoffwechsel des Wirts auf ganz perfide Weise durcheinander zu bringen. Doch dabei offenbart es auch eine vielversprechende Schwachstelle.
Milzbrandtoxin
Noch vor einem Jahr waren Milzbrand-Bakterien zwar als potentieller biologischer Kampfstoff, vor allem aber als Krankheitserreger bei Huftieren bekannt. Menschen schienen davon kaum betroffen – bis die Ereignisse im Herbst 2001 alles veränderten. Die Bakterien produzieren drei Toxine, die eng zusammenarbeiten, von denen aber auch jedes für sich tödlich wirken kann.

Von dem Hand in Hand arbeitenden Toxin-Trio hatten zwei bereits ihr Geheimnis lüften müssen. 1997 publizierten Forscher die Struktur des so genannten protektiven Antigens, das den Zelleintritt vermittelt. Im November 2001 folgte die Struktur des Letal-Faktors, der Immunzellen abtötet. Die dadurch freigesetzten Entzündungsfaktoren führen zum septischen Schock des Infizierten. Das letzte verbliebene Puzzleteil trägt den Namen Ödem-Faktor, da es zu Flüssigkeitsansammlungen führt. Wie genau es diese Aufgabe erledigt, haben Wei-Jen Tang und seine Mitarbeiter von der University of Chicago nun offengelegt.

Hierbei kam dem Forschungsteam zugute, dass Tang bereits seit Jahren die Mechanismen der Zellkommunikation untersuchte und sein Augenmerk besonders auf ein Enzym namens Adenylatcyclase gerichtet hatte. Das in die Membran eingebettete Enzym wandelt als Antwort auf bestimmte Signale – etwa Adrenalin – den zellulären Energieüberträger Adenosintriphosphat (ATP) in den sekundären Botenstoff cyclo-Adenosinmonophosphat (cAMP) um, der vielfältige Aufgaben übernimmt und Herzfrequenz, Blutzuckerspiegel, Gedächtnis und Lernen modifiziert. Eine Überdosis kann allerdings tödlich sein. Die Zellen verlieren dann die Fähigkeit, ihre Umgebung zu regulieren, Wasser tritt aus, führt zu Ödemen und zum Zelltod.

Diesen Mechanismus macht sich der Ödem-Faktor der Milzbrand-Bakterien zunutze. Denn eigentlich ist der Faktor harmlos, bis er mit dem Protein Calmodulin in Kontakt kommt: Die Struktur des Anthraxtoxins ändert sich, und es entsteht eine Tasche, in der sie wie die Adenylatcyclase das ATP binden und umbauen kann. Dabei ist sie jedoch um das 1000fache aktiver.

Allerdings birgt die dreidimensionale Struktur des Ödem-Faktors damit aber auch ein ideales Ziel für mögliche Medikamente, denn diese Tasche sollte schon mit kleinen Molekülen leicht zu blockieren sein. Da sie sich zusätzlich von der menschlichen Adenylatcyclase unterscheidet, ist die Gefahr einer Kreuzreaktion mit der normalen Enzymaktivität nur gering.

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